Von Nina Gunić
Vorwort der Redaktion: Im Folgenden veröffentlichen wir einen Artikel von Nina Gunić über die Geschichte der Frauenbewegung und des marxistischen Programms der Frauenbefreiung. Die Arbeit wurde 2010 im Journal „Unter der Fahne der Revolution“ Nr.5 – dem theoretischen Organ der Liga der Sozialistischen Revolution (LSR) – veröffentlicht. Genossin Gunić war seit 2006 führendes Mitglied der LSR und wurde später auch Mitglied des Internationalen Exekutivkomitees sowie Internationale Frauensekretärin der Liga für die Fünfte Internationalen (deren österreichische Sektion die LSR war). Sie wurde mit einer Gruppe Gleichgesinnter im April 2011 aus der LFI ausgeschlossen, als sie sich der zunehmenden zentristischen Degeneration dieser Organisation widersetzten. Gemeinsam mit Genossinnen und Genossen in Pakistan, Sri Lanka, USA und Österreich bauten sie eine neue internationale Organisation auf – die Revolutionär-Kommunistische Internationale Tendenz (RCIT). Genossin Gunić ist führendes Mitglied und Internationale Frauensekretärin der RCIT.
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Oftmals bekommt man den Eindruck, daß der Feminismus eine sehr frühe Entwicklung erlebt hat, da sich feministische Strömungen sehr stark auf die ersten Formen des Kampfes für Frauenrechte stützen. In Wirklichkeit allerdings waren diese Kämpfe in keinster Weise auf feministische Konzepte gestützt. Ihre Basis war vielmehr ein allgemeines Verständnis von Menschenrechten und der Forderung, daß Frauen auch darin berücksichtigt werden.
Eine der ersten schriftlichen Quellen für diese Forderung nach gleichen Rechten kommt von der aus verarmtem Altadel stammenden Französin Marie Le Jars de Gournay. Sie schrieb schon 1622 das Werk „Die Gleichheit von Männern und Frauen“ und prangerte die Mißstände der damaligen Zeit (die Zeit der Hexenverbrennungen in Europa) an. Da sie an keiner politischen Bewegung teilnahm, der Analphabetismus damals der Normalzustand war, sind ihre Ideen nie über ein sehr kleines Spektrum an Gebildeten rund um den Philosophen und Bürgermeister von Bordeaux Michel de Montaigne bekannt geworden. Literarisch folgten ihr in größeren Abständen einige Frauen, die Ausarbeitungen über die Frage der Frauenrechte lieferten. Diese allerdings erlangten aufgrund ähnlicher Umstände kaum Einfluß auf die politischen Geschehnisse der damaligen Zeit.
Die Französische Revolution
Eine starke, reale Verbindung zu Klassenkämpfen dagegen brachten die Entwicklungen der französischen Revolution mit sich – auch da ohne eine Ausarbeitung feministischer Theorien. Vielmehr waren es Ideen zu neuen Gesellschaftsformen, in denen Frauenrechte Einzug fanden. So schrieb der utopische Sozialist Charles Fourier in einem seiner zentralen Werke „Theorie der vier Bewegungen und der allgemeinen Bestimmungen“ (1808) über seine Vorstellung einer gerechten und freien Gesellschaft und beschrieb bis ins letzte Detail die Lebensweise der Menschen in einer solchen freien Welt.
Wie ein roter Faden zieht sich dabei auch die Gleichstellung der Frau in seiner Vorstellung dieser freien Welt und wird auch bewusst behandelt. Klammert man beim Lesen von Fourier diverse sehr religiöse Darstellungen aus (die Seelen wandern nach ihren Tod umher und suchen sich einen neuen Platz, um wiedergeboren zu werden), so bleibt eine beeindruckende Tatsache: Fourier widmete sich intensiv der Frage zur Gleichstellung der Geschlechter und hatte für die damalige Zeit eine beeindruckend fortschrittliche Haltung. So schrieb er als eine vielzitierte Schlußfolgerung seiner Ideen: „Der soziale Fortschritt und der Anbruch neuer Epochen vollzieht sich entsprechend dem Fortschritte der Frau zur Freiheit, und der Verfall der Gesellschaftsordnung vollzieht sich entsprechend der Verminderung der Freiheit der Frau (…) Zusammenfassend gesagt, die Ausdehnung der Vorrechte der Frau ist das allgemeine Prinzip jeden sozialen Fortschritts.“ (1)
Diese Tatsache war ein Mitgrund für den berühmten deutschen Marxisten und ArbeiterInnenführer August Bebel, sich näher mit Fouriers Arbeit auseinanderzusetzen und eine kritische Aufarbeitung seines Werkes zu vollziehen. Wenn sich FeministInnen heute auf Fourier beziehen, scheint ihnen in der Regel nicht bewusst zu sein, das für ihn die tatsächliche Befreiung der Frau nur in einer neuen, kommunistischen, Gesellschaft möglich war.
Doch nicht nur die theoretischen Arbeiten der damaligen Zeit haben sich mit der Frage der Frauenrechte und der Gleichberechtigung der Geschlechter befasst. Real haben die politischen Entwicklungen, die Entwicklungen der revolutionären Bewegung diese theoretischen Auseinandersetzungen ins Leben gerufen. Noch heute finden sich sogar von der französischen Literatur bis hin zu den Asterix-Comics Anspielungen auf den Marsch der Poissarden wieder. Die Poissarden waren Fischerfrauen, die am 5. Oktober 1789 zu Tausenden aus Paris zum Schloss Versailles zogen, mit Piken und Säbeln bewaffnet. Später folgten ihnen als „Unterstützung“ tausende Angehörige der Garde Nationale (der selbst-organisierten bewaffneten Volksmilizen) nach. Sie belagerten Versailles die ganze Nacht, obwohl der König die Forderungen der Nationalversammlung unterschrieb, um sicher zu stellen, daß er sich mit ihren Rufen nach Brot wirklich auseinandersetzt. Dieser Marsch der Poissarden stellt ein beeindruckendes Beispiel in der Geschichte dar, welche Rolle Frauen in revolutionären Situationen spielen. Die Forderungen einzelner Frauenrechtlerinnen, wie Olympe de Gouges, stützten sich somit auf realen Entwicklungen und hatten zum Teil eine breite Masse an Frauen hinter sich.
Olympe de Gouges forderte in ihrer Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin (1791) in erster Linie die Gleichstellung der Frau in allen Ämtern, der Gesetzgebung und der Frage des Besitzes und Erbes. Sie brachte somit vor allem die Interessen der Frauen ihrer eigenen, bürgerlichen, Klasse zum Ausdruck. Daß die Frage der Frauenrechte überhaupt in Teilen der revolutionären Bewegung Frankreichs Gehör fand, daß die Forderungen einer Olympe de Gouge wie ihre eigene Person überhaupt Einzug in die Geschichte fand, das alles war nicht der ausschließliche oder auch nur hauptsächliche Verdienst der bürgerlichen Frauen der damaligen Zeit. Es war vielmehr die Teilnahme an der Revolution durch die Frauen des Volkes, der Proletarierinnen und der Bäuerinnen, die überhaupt die Basis geschaffen haben für die Auseinandersetzungen mit eben solchen Forderungen wie der Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin. Nur allzuoft werden diese Basis und die Rolle des weiblichen Teils des revolutionären Volkes in der geschichtlichen Darstellung unter den Tisch gekehrt. Umso mehr gilt es eben diese historische Bedeutung und den Einfluß der revolutionären Bewegung auf die Entwicklung des Kampfes für Frauenrechte hervorzustreichen.
Die tatsächlichen Ursprünge des Feminismus
Die tatsächlichen Ursprünge des Feminismus finden sich in der Entstehung der bürgerlichen Frauenbewegung und deren Strukturen. Gerade die Forderungen nach dem allgemeinen Wahlrecht für Frauen, der Frage des Erb- und Besitzrechtes und der Zugang zur Universität standen bei dieser Bewegung im Vordergrund. Im Zuge der Kämpfe zur Einführung des allgemeinen Wahrechtes für Männer um 1905 in Österreich, haben sich auch bürgerliche Frauenverbände mit ihren Forderungen in die Debatte eingebracht.
Interessant sind die ursprünglichen Motive dieser Verbände: Damals stand zur Diskussion, das zu diesem Zeitpunkt bereits bestehende direkte Wahlrecht zur Reichstagswahl für die Großgrundbesitzerinnen (wie auch das indirekte Wahlrecht für Frauen bei der Handels- und Gewerbekammerwahl) wieder abzuschaffen. Dementsprechend setzten sich die bürgerlichen Frauenverbände, zusammengefasst im Frauenrechtskomitee und im Bund österreichischer Frauenvereine, für die Beibehaltung dieser bestehenden Rechte und die Ausweitung auf das allgemeine Frauenwahlrecht, sowie die Gleichstellung im Vereins- und Versammlungsrecht ein. In erster Linie steckt hinter ihrem Versuch, Frauen aus anderen Klassen für den Kampf für das allgemein Frauenwahlrecht zu gewinnen, weniger eine aufopfernde Haltung gegenüber den Frauen der ArbeiterInnenklasse und der Bauernschaft, als ein taktisches Kalkül.
Die damaligen Kämpfe für das allgemeine Wahlrecht wurden von der ArbeiterInnenbewegung getragen. Um einen wirklichen Druck ausüben zu können, war es für die bürgerlichen Frauen absolut notwendig auf die breite Unterstützung der werktätigen Frauen und der Bäuerinnen zurückzugreifen. Gerade in einer Zeit der stärker werdenden ArbeiterInnenbewegung sind die Chancen einer Einbeziehung des weiblichen Proletariats und der Bauernschaft in solche Kämpfe am ehesten möglich. So hatten sich die bürgerlichen Frauenverbände entweder auch für das allgemeine Frauenwahlrecht auszusprechen, um eine solche Teilnahme der nicht-bürgerlichen Frauen zu garantieren, oder sie verloren den politischen Einfluß, den sie schon hatten.
Es lag somit nicht im Interesse der bürgerlichen Frauenverbände eine Klassendifferenz zwischen der bürgerlichen und der proletarischen Klasse einzugestehen, sondern vielmehr ein „Gesamtinteresse“ aller Frauen aller Klassen zu kreieren.
Kein Wunder also, daß sich einerseits die Kampfformen dieser bürgerlichen Frauenverbände in erster Linie in der Sammlung von Unterschriften und Petitionsgesuchen und in zweiter Linie in der Organisierung von Kundgebungen und Demonstrationen äußerten. Und andererseits, daß auch in bestimmten Petitionen Lobhudeleien an die Rolle der „großen Kaiserin Maria Theresia“ zu finden sind. (2) Dieses Leugnen einer Klassenlinie, das Betonen eines Gesamtinteresses aller Frauen aller Klassen ist ein Fundament der bürgerlichen Frauenbewegung, daß letztendlich auch den Feminismus auszeichnet.
Viele der damaligen Frauenverbände haben auch den Eintritt der Frau in die Welt der kapitalistischen Lohnarbeit und somit zum berufstätigen Teil der ArbeiterInnenklasse als Zwang, der den Frauen auferlegt wird, dargestellt und im selben Atemzug die Notwendigkeit und den Vorteil der Teilnahme der Frau in die akademische Welt und die Wissenschaft betont. Sehr zentral war somit auch die Forderung des Eintrittes in die Universitäten, die die Frauen der Arbeiterinnenklasse und der Bauernschaft zur damaligen Zeit kaum berührten, da nicht einmal die Männer ihrer Klassen diese Möglichkeit hatten (die bürgerlichen Frauenverbände forderten dies natürlich auch nicht).
Der Erste Weltkrieg
Welch rückschrittliche Rolle letzten Endes die bürgerlichen Frauenverbände schon damals gespielt haben, zeigt sich aber besonders deutlich an ihrer Position zum ersten Weltkrieg, der 1914 begann und ein Kampf der imperialistischen Großmächte um die Vorherrschaft war. Das Interesse der Frauen der ArbeiterInnenklasse und der Bauernschaft lag zuerst in der Verhinderung dieses Weltkrieges. Als der Krieg nichtsdestotrotz ausbrach, ging es darum, den Krieg durch die Beseitigung seiner Grundlagen – dem kapitalistischen Profitsystem – zu beenden. Die revolutionäre ArbeiterInnenbewegung um den russischen Marxisten Lenin trat daher seit 1914 für die Umwandlung des imperialistischen Krieges hin zum Bürgerkrieg – sprich zum Krieg zwischen den Klassen – für die sozialistische Revolution ein. (3)
Als der Erste Weltkrieg einsetzte, standen die bürgerlichen Frauenverbände innerhalb der beteiligten Staaten dagegen in vorderster Front, um die Massen für die Unterstützung der Kriegsführung zu gewinnen. Dies ging beispielsweise in Deutschland und Russland so weit, daß diese Verbände offen für die Vaterlandsverteidigung aufriefen. Plötzlich war das gemeinsame Interesse aller Frauen aller Klassen, das sie zuvor so lauthals ausriefen, nicht mehr so wichtig. Wichtiger war für sie, zugunsten der Weiterführung des Krieges auf den Kampf für die allgemeinen Frauenrechte zu verzichten – solange die politischen Rechte der Frauen des Bürgertums und des Kleinbürgertums gewahrt bleiben können.
Die proletarische Frauenbewegung, sprich die Frauenbewegung, die sich bewusst im Dienste der ArbeiterInnenklasse sieht, macht eine ganz andere Politik als die bürgerliche Frauenbewegung. Allein schon dadurch, daß sich die proletarische Frauenbewegung klar einer Klasse zugehörig fühlt und OFFEN für die Interessen dieser Klasse eintritt, trennt sie von der bürgerlichen Frauenbewegung und der feministischen Politik.
Wir erkennen durchaus den bestehenden geschichtlichen Wert, den auch Frauenrechtlerinnen wie eine Marie Le Jars de Gourney oder eine Olympe de Gouges haben, an. Aber wir übersehen nicht das tatsächliche Verhältnis zum Einfluß, den sie zur Erreichung bestimmter Frauenrechte ausgeübt haben. Wir erkennen die Rolle der tausenden und hunderttausenden Frauen hoch an, die im Zuge der revolutionären Umwälzungen die notwendigen Kräfteverhältnisse schufen, um auch tatsächlich bestimmte Frauenrechte zu erkämpfen. Die Geschichte, die in erster Linie vom Blickpunkt der herrschenden Klasse erzählt wird, vernachlässigt diese Frauen rigoros und zollt wenn überhaupt nur den bürgerlichen Frauenrechtlerinnen gebührend Tribut. Alle unsere Kämpfe, alle unsere Forderungen reihen sich dagegen in die Tradition der Kämpfe dieser tausenden und hunderttausenden Arbeiterinnen und Bäuerinnen ein. Sie werden immer unsere höchste Anerkennung erfahren.
Die Klassenfrage und die proletarische Frauenbewegung
Der Marxismus ist mit der bürgerlichen Frauenbewegung, ist mit dem Feminismus auf Kriegsfuß und wird niemals mit diesen vereinbar sein. So schreibt auch die Kommunistische Internationale am III. Weltkongreß 1921: „Der III. Kongreß der Kommunistischen Internationale warnt die Arbeiterinnen vor jeder Mitarbeit und jedem Kompromiß mit den kapitalistischen Feministen…“. (4)
Gerade die Tatsache der führenden Teilnahme der Frauen an den revolutionären Umwälzungen, sowohl in Frankreich 1789, als auch in der russischen, proletarischen Revolution 1917 zeigt die Notwendigkeit einer starken proletarischen Frauenbewegung. Denn wie die bürgerlich-feministischen Kräfte in der Frage der Unterstützung des ersten Weltkrieges schon deutlich machten, werfen sie ihre These des Gesamtinteresses aller Frauen schnell über Bord, wenn es ihrer eigenen Besserstellung innerhalb der herrschenden Klasse bzw. der Mittelschicht schadet.
Im Mittelpunkt des Interesses der bürgerlichen Frau steht ihre eigene Besserstellung im kapitalistischen System. Kapitalistinnen können, haben schon, und werden immer genauso ArbeiterInnen entlassen, Löhne kürzen, Profit scheffeln, usw. wie es auch männliche Kapitalisten tun. Was nützt es der Arbeiterin, wenn es eine Frau statt einem Mann ist, die sie entlässt? Wichtig dagegen ist für die Arbeiterin mit den anderen ArbeiterInnen gegen eben genau solche Angriffe vorzugehen. Ihr Grundinteresse als Teil der gesamten ArbeiterInnenklasse gegen den Kapitalismus zu kämpfen, wiegt tausendfach mehr als Fußsoldatin für die Machtinteressen der bürgerlichen Frau zu sein.
Die proletarische Frauenbewegung ist daher bestrebt einen engen Schulterschluß mit den männlichen Arbeitern zu vollziehen. Nur vereint kann die ArbeiterInnenklasse sowohl den Sturz des Systems, das sie als gesamtes unterdrückt vollziehen – als auch eben dieses System, den Kapitalismus, als Nährboden für die permanente Unterdrückung der Frau zerstören.
Das Erstarken der proletarischen Frauenbewegung
In Europa spielte besonders die deutsche Sozialdemokratie – allen voran Clara Zetkin, Marxistin und wichtige Vertreterin des linken Flügels in der Partei – die führende Rolle im Aufbau einer proletarischen Frauenbewegung. So hat Zetkin am zweiten internationalen Frauenkongreß der Sozialistinnen im Jahre 1910 die Idee eines internationalen Frauentages für den 8. März ins Leben gerufen. Ab dem folgenden Jahr fanden an diesem Tag international Demonstrationen sowie Konferenzen statt. Der proletarischen Frauenbewegung wurde damit ein zentraler Tag im Jahr gegeben anhand dem sich systematisch Aktionen vorbereiten ließen.
Zetkin selbst hat stark betont, daß es die Erste Internationale um Karl Marx und Friedrich Engels war, die erste und bedeutende Schritte im Aufbau einer proletarischen Frauenbewegung gesetzt hat und in dessen Tradition sich auch die Zweite, später die Dritte Internationale zu sehen hat. Der Eintritt der Frau als Berufstätige in die Arbeiterklasse setzte die unmittelbare Bedingung, daß sie auch in die Rolle als aktive Mitstreiterin für die revolutionäre Befreiung versetzt wurde. Die russische Revolutionärin Alexandra Kollontai brachte dies auf den Punkt: „Die ledige Frau (hiermit ist die ökonomisch vom Mann unabhängige Frau gemeint, Anm. d. Aut.) ist keine seltene Erscheinung, aber als sich gesetzmäßig wiederholende alltägliche Massenerscheinung ward sie gleichzeitig mit dem höllischen Gekreische der Maschinen und den zur Arbeit rufenden Sirenen der Fabriken geboren.“ (5)
Bereits die Erste Internationale erkannte diese Wandlung der Geschichte. Sie erkannte, daß mit dem Eintritt in das Proletariat die Lösung der Jahrtausende andauernden Frauenunterdrückung greifbar wurde.
Auf Deutschland bezogen bringt es Clara Zetkin folgendermaßen auf den Punkt: „So hatte die wirtschaftliche Entwicklung unter den erzgebirgischen Textilarbeitern den Boden bereitet, auf dem die Ideensaat der Ersten Internationale rasch und üppig in die Halme schießen konnte.“ (6) Weiters brachte Engels Werk Zum Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates einen nicht hoch genug zu schätzenden Beitrag zur Analyse und den richtigen Schlußfolgerungen aus der Frauenunterdrückung.
Die Konflikte innerhalb der proletarischen Frauenbewegung
Die Zweite Internationale setzte diese Tradition von Marx und Engels fort und nahm auch die Frage der Frauenbefreiung zentral in ihr Programm auf. Die revolutionären MarxistInnen am linken Flügel innerhalb der Sozialdemokratie um Clara Zetkin, Rosa Luxemburg, Wladimir Illich Lenin u.a. leisteten dabei heftigen Widerstand gegen eine Vernachlässigung des Kampfes für die Frauenbefreiung. Eine solche Vernachlässigung wurde v.a. vom rechten, reformistischen Flügel betrieben und z.T. vom Parteizentrum toleriert.
Diese MarxistInnen stellten klar, daß die Politik der bürgerlichen Frauenbewegung, ihrer Verwischung der Klassenlinie, ihre Versuche die proletarische Frauen und die Bäuerinnen für ihre Interessen zu benützen, nicht dazu führen dürfe, der Frage der Frauenrechte weniger Gewicht zuzusprechen.
Ein konkreter Konfliktpunkt war, daß die damals noch revolutionäre sozialdemokratische Partei in Österreich und auch der rechte Flügel der deutschen Partei die Losung eines allgemeinen Frauenwahlrechtes zurückstellte und als ersten Schritt die Erreichung des allgemeinen Männerwahlrechtes ansah.
Der damalige österreichische Parteivorsitzende Victor Adler meinte beispielsweise im Zuge des Frauenkongresses 1903, bei dem damals seitens führender Sozialdemokratinnen das Aufgreifen der Losung des Frauenwahlrechts im Zuge der anstehenden Kämpfe für das allgemeine Männerwahlrecht gefordert wurde: „Es hat niemals eine Sozialdemokratie gegeben, die nicht das Frauenwahlrecht als eine ebenso notwendige Sache angesehen hätte wie das der Männer. (...) Aber es fragt sich, ob die politische Lage reif ist, um einen Feldzug für das Frauenwahlrecht zu unternehmen. Und da sage ich ihnen rundweg, in Ländern wie Österreich, Belgien usw., wo das Männerwahlrecht noch nicht einmal erkämpft ist, wo wir alle Kräfte auf diesen Punkt konzentrieren müssen, wäre es eine politische Torheit, diesen Kampf abzulenken auf einen Punkt, der voraussichtlich erst später zu erreichen sein wird. Von diesem Standpunkt der politischen Taktik muss ich sagen: Wir müssen bei jeder Gelegenheit erklären, daß wir für das Frauenwahlrecht sind, daß wir auch den ersten Schritt auf diesem Gebiet machen wollen, aber daß der letzte Schritt erst dann gemacht werden kann, wenn der erste Schritt gemacht ist, und der ist: die Erkämpfung des Wahlrechtes für die Männer.“ (7)
Dieser Fehler spielte den Feministinnen in die Hände, und erschwerte es den sozialdemokratischen Parteien, Frauen für die Interessen der gesamten ArbeiterInnenklasse und somit für den Eintritt in die Partei zu gewinnen. Die bürgerlichen Frauenverbände nutzten dies auch aus und erklärten offiziell ihre Ablehnung irgendeiner Partei beizutreten. Natürlich versuchten diese feministischen Kräfte auch die Frauen der ArbeiterInnenklasse und Bauernschaft für eine solche Parteiablehnung zu gewinnen. Noch heute wird von verschiedenen feministischen Kräften der Vorwurf erhoben, daß der Marxismus nicht offensiv und effektiv genug die Interessen der Frauen vertreten kann. Als Stütze dieser Verleumdung wird der damalige Fehler von Teilen der Sozialdemokratie angeführt.
Umso zentraler war der Kampf der SozialdemokratInnen innerhalb der Parteien dafür, daß dieser Fehler korrigiert wird. Der Stuttgarter Frauenkongreß im Jahre 1907 verurteilte zum Beispiel scharf diese Vorgehensweise der Parteien. Ebenso gelang es dem linken Flügel, auf dem Kongreß der II. Internationale 1907 eine Mehrheit gegen die opportunistische Taktik von Victor Adler, Adelheid Popp und der österreichischen Parteiführung zu gewinnen. (8)
Gleichzeitig hatten die sozialdemokratischen Führerinnen eine zweite Front, gegen die sie innerparteilich antreten mussten: Der revisionistische Flügel um den damaligen Sozialdemokraten Eduard Bernstein, dem auch führende Sozialdemokratinnen wie die Frauenrechtlerin Lily Braun angehörten. Während Clara Zetkin sich unversöhnlich gegen eine Fusion der Interessen feministischer Kräfte mit dem Aufbau einer revolutionären Frauenbewegung aussprach, war Braun offensiv dafür. Mehr als aussagekräftig sind die Aussagen der bürgerlichen Lily Braun, dass die Feministinnen, diese „bösen Bourgeois auch Menschen sind“ oder noch deutlicher 1895 an Kautsky gerichtet: "Die Sozialdemokratie verlangt von ihren Vertretern, daß sie auf dem Boden des Klassenkampfes stehen. Ich gestehe Ihnen offen, daß weder mein Mann noch ich diesen Satz verstanden haben." (9)
Die fortschrittlichen deutschen und österreichischen Sozialdemokratinnen führten somit einen innerparteilichen Kampf sowohl gegen diesen revisionistischen Flügel und dessen Einfluß in der Frauenarbeit der Partei, als auch gegen das Unverständnis verschiedener Führer wie Victor Adler.
Letztenendes gelang es Zetkin, Lily Braun sowohl als Mitherausgeberin der Zeitschrift „Gleichheit“ zu verdrängen, und die eigene politische Dominanz darüber zu sichern, als auch mit 1902 ein Verfahren zum Ausschluß von Lily Braun einzuleiten. Zwar wurde fünf Jahre später zugunsten von Lily Braun entschieden, doch der innerparteiliche Kampf gegen die zähe Zetkin hatte Braun zermürbt und sie trat freiwillig aus.
Der Kampf der KommunistInnen für die Frauenbefreiung
Nach dem Verrat der Sozialdemokratie, der Befürwortung der Kriegskredite im Ersten Weltkrieg 1914, waren ein Bruch mit der Zweiten und die Schaffung der Dritten, Kommunistischen Internationale vordringlich. Die Bedeutung der Dritten Internationale für die proletarische Frauenbewegung - wie überhaupt der Befreiung der Frau als solche – war enorm und umfaßte eine neue Dimension. Bedeutend war unter anderem die aus der Vorkriegserfahrung der russischen Revolutionäre, der Bolschewiki, hervorgegangene Zhenotdel, das als eine Art Frauenbüro bzw. Kommission in der Partei die Arbeit unter den Frauen der ArbeiterInnenklasse und Bauernschaft anleitete. Ebenso die regelmäßige Publikation der Zeitung Rabotnisa (russ. für die Arbeiterin), die für Massen von Frauen ein wichtiger Angelpunkt ihrer politischen Aktivität wurde. Es waren auch und vor allem die Revolution selbst und die Machtergreifung durch die Bolschewiki, die dazu geführt hat, daß die Sowjetunion als erster Staat massive Verbesserungen für Frauen umsetzen konnte. Hierbei sei vor allem das eingeführte Recht auf Abtreibung sowie auf Scheidung genannt, das ansatzweise Auslagern der Hausarbeit auf die gesamte Gesellschaft durch den massiven Ausbau von Waschküchen, Kantinen und Kinderbetreuungseinrichtungen, usw. Kurz und gut: Die Frauen haben mit dem Massenstreik, den sie im Februar 1917 ausgelöst haben, eine Revolution eingeläutet, die ihnen Rechte in einem noch nie zuvor dagewesenen Ausmaß brachte.
Umso schwerer wiegt die Degeneration der Sowjetunion durch die systematische Bürokratisierung seit Mitte der 1920er Jahren auch für die Frauen. Unter Stalin wurden letztendlich die Errungenschaften für Frauen weitgehend abgebaut, Abtreibung wurde wieder verboten, bei den Ausgaben für öffentliche Einrichtungen wurde massiv gespart, eine Art Mutterkreuz wurde eingeführt, etc. Trotzki, der Führer der Vierten Internationale, der zeitlebens einen unerbittlichen Kampf gegen diese Degeneration führte, schrieb in seinem Werk Verratene Revolution: „Die thermidorianische Gesetzgebung geht nun zu den bürgerlichen Vorbildern zurück und verhüllt ihren Rückzug mit heuchlerischen Reden über die Heiligkeit der ‚neuen‘ Familie.“ (10)
Der Kampf der Vierten Internationale gegen dieses Zurückfallen der Errungenschaften, gegen die Degeneration des Sowjetstaates war daher untrennbar verbunden mit dem Kampf gegen Frauenunterdrückung und für das Wachsen und Erstarken einer proletarischen Frauenbewegung.
Heute ist der Kampf für eine Fünfte Internationale, die sich in der Tradition der vergangenen vier Internationalen sieht, ein Angelpunkt zur Wiederbelebung der proletarischen Frauenbewegung. Gerade weil sich die Klassenfrage nicht lösen lässt von der Frauenfrage, gerade weil die proletarische Frauenbewegung immer Interesse an einer organisierten Führung und dem Mitwirken in einer organisierten Führung der ArbeiterInnenbewegung hat, erkennt sie die Rolle der revolutionären Partei im Kampf gegen Frauenunterdrückung an. Denn die Befreiung der Frau ist immer Sache und im Interesse der gesamten ArbeiterInnenklasse! Keine Frauenbefreiung ohne Sozialismus - kein Sozialismus ohne Frauenbefreiung!
Anmerkungen:
(1) Charles Fourier: „Theorie der vier Bewegungen und der allgemeinen Bestimmungen“ (1808); zitiert in: Thilo Ramm (Hrsg.): Der Frühsozialismus. Quellentexte, Stuttgart 1968, S. 170
(2) Siehe auch Petition des Frauenwahlrechtskomitees in Wien um das allgemeine Frauenwahlrecht, Haus der Abgeordneten, 439. Sitzung der 18. Sektion am 24. Oktober 1906 in Wien, Anhang IV
(3) Siehe dazu u.a. Michael Pröbsting: Umwandlung des imperialistischen Krieges in den Bürgerkrieg. Die Strategie Lenins und der Bolschewiki; in: Revolutionärer Marxismus Nr. 40 (2009)
(4) Kommunistische Internationale: Thesen über die Methoden und Formen der Arbeit unter den Frauen der Kommunistischen Parteien, Resolution des III. Weltkongreß der Kommunistischen Internationale, 1921; in: Die Kommunistische Internationale, Manifeste, Thesen und Resolutionen, Band II, Köln 1984, S. 152
(5) Alexandra Kollontai: Die neue Moral und die Arbeiterklasse (1918), S. 43
(6) Clara Zetkin: Zur Geschichte der proletarischen Frauenbewegung Deutschlands (1928), Berlin 1978, S. 89f.
(7) Victor Adler; zitiert in: Der Kampf um das Frauenwahlrecht, http://www.renner-institut.at/frauenakademie/wahlrecht/wahlrecht.htm
(8) Siehe W. I. Lenin: Der Internationale Sozialistenkongreß in Stuttgart (1907); in: Lenin Werke 13, S. 82f.
(9) Zitiert bei: Antje Trosien und Claudia Walther: Lily Braun - Kämpferische und bekämpfte Sozialistin; in: SPW - Zeitschrift für Sozialistische Politik und Wirtschaft, Nr. 1/97, http://www.spw.de/9701/braun.html
(10) Leo Trotzki: Verratene Revolution. Was ist die UdSSR und wohin treibt sie? (1936), Schriften Band 1.2, S. 850