Ein unbegrenzter Generalstreik gegen die Regierung Macron/Philippe ist die richtige Antwort!
Artikel von Manfred Maier (RCIT Deutschland) zur Lage in Frankreich nach den Präsidentschafts-und Parlamentswahlen, 17.08.2017, www.diekommunisten.net
Die Wahlen in Frankreich haben nicht nur mit einer einfachen Niederlage für die Arbeiterbewegung geendet, es war ein Desaster. Die Arbeiterklasse hat einen schweren Schlag bekommen auf dem Gebiet der parlamentarischen Wahlen.
Die SP und die KPF haben nur noch ganz wenige Abgeordnete ins Parlament gebracht. Das würde einer SPD entsprechen, die unter der 10 Prozent Hürde liegt, was ja schon in Sachsen oder Baden-Württemberg nahe an der Realität liegt.
Die Arbeiterklasse, die Jugend und die MigrantInnen haben entweder die Wahl boykottiert oder durften zum Teil gar nicht wählen. Macrons Bewegung „La République en marche“ hat keine Mehrheit in der Gesellschaft, wohl aber in den Gremien der bürgerlichen parlamentarischen Demokratie.
SP in Krise, neuer bürgerlicher Stern „La République en marche“
In Frankreich wurde das Parteiensystem gründlich durcheinandergewirbelt. Die Regierung Macron ist eine Regierung des Groß- und Finanzkapitals. Ist die Form auch neu, so ist doch die Macron Regierung eine Fortsetzung der Politik der Regierung von Hollande mit stärkerem neo-liberalen Kurz, schließlich war Macron auch zeitweise ein Teil der Hollande-Regierung.
Dabei ist festzustellen, dass jetzt die Existenz der SP als bürgerlicher Arbeiterpartei auf dem Spiel steht. Die SP bekam nur noch knapp über 5% der Stimmen der gesamten Wahlberechtigten, die Zahl ihrer Abgeordneten schrumpfte auf ein Zehntel der vorhergehenden Legislaturperiode. Die SP ist in einer schweren existentiellen Krise. Ein Teil ihrer Kader hat sich auf die Seite Macrons geschlagen, viele Politiker der SP sind zu Macrons „La République en marche“ übergelaufen, drei sind jetzt Minister im Kabinett Macrons.
Macron organisierte eine personenbezogene Bewegung mit handverlesenen Kandidaten für die Parlamentswahlen. Wir sehen zunehmend solche personenbezogenen Bewegungen, so die 5-Sterne-Bewegung in Italien oder Kurz Bewegung in Österreich. Aber diese Bewegungen sind sehr unterschiedlich.
Das besondere in Frankreich ist, das Macron direkt die Politik von Konzernen und Finanzkapital umsetzt und das auch personell in seiner Regierungsmannschaft zu sehen ist. Die Kabinettsliste der Regierung Macron/Philippe besteht zum Teil aus Experten und Quereinsteigern der französischen Wirtschafts-, Finanz-- und Verwaltungselite und kommen direkt aus dem Management von Konzernen wie Areva, Danone usw.
Richtiger Wahlzirkus
Auch aus den bürgerlichen Parteien (LR, PRG) haben sich Politiker zu Macron geschlagen und wurden dort mit Positionen belohnt, so der neue Ministerpräsident Philippe.
Es hat einen Rekord in Wahlenthaltung und eine Höchstzahl von ungültigen Stimmen gegeben. Auch Macron stützt sich nur auf etwa ein Viertel der Wahlberechtigten. Die kleinen Parteien wie die Grünen haben ebenso wie LO und NPA weiter Federn gelassen, einzig Mélenchons Bewegung „France Insoumise“ hat sich einigermaßen gehalten.
Auch die PCF als zweite bürgerliche Arbeiterpartei behielt nur 10 Abgeordnete und verlor Boden an die Bewegung Mélenchons.
Was hat Macron vor? Über seine imperialistische Agenda
Er strebt eine führende Rolle in der EU an, die er im im Schulterschluß mit Deutschland übernehmen will. Dazu will er Frankreich im Sinne des Kapitals umbauen, Arbeiterrechte, Löhne und soziales System beschneiden.
Macron kann bei seiner Politik auf die Vorarbeit Hollandes aufbauen.
Außenpolitisch will Macron die militärische Stärke Frankreichs im Rahmen der EU stärken, was insbesondere verstärkte militärische Eingriffe in Afrika bedeutet und gemeinsame Rüstungsprojekte umfasst. Das Verteidigungsministerium wurde umbenannt in Ministerium der Armeen. Gerade die militärische Intervention in Mali ist ein zentrales Projekt des französischen und deutschen Imperialismus. Aber auch in Ländern wie Libyen, Zentralafrika usw. wird eingegriffen. Frankreich unterstützt die aktuell vom Westen bevorzugte „Regierung“ Libyens. Macron will HotSpots für Flüchtlinge in Libyen und anderen afrikanischen Ländern, die faktisch den Charakter von Internierungslagern haben werden.
Der französische „Minister für die Armeen“ unterhält auch beste Kontakte zu Ägyptens Diktator Al Sisi und anderen afrikanischen Despoten.
Trotz leichter Kürzung des Rüstungsetats in diesem Jahr will Macron kurzfristig (bis 2025) auf 2% des Bruttoinlandsproduktes kommen. Desweiteren will Macron die Haushaltspolitik der EU umbauen, was zum Teil noch auf Widerspruch beim Deutschen „Partner“ stößt.
Um die Arbeitsgesetze schleifen zu können, hat Macron am 13.7.17 vom Parlament ein sogenanntes „Befähigungsgesetz“ beschließen lassen, was ihm ermöglicht, Änderungen per Dekreten (ordonnance) zu verfügen, die dann nur noch im Paket vom Parlament bestätigt werden müssen. Das Ganze hatte seinen Einstand mit einer neuen Arbeitsreform, die einen massiven Angriff auf die ArbeiterInnenbewegung darstellt.
Abbau demokratischer Rechte in Frankreich
Der permanente Ausnahmezustand wird gegen Streiks und Demonstrationen angewendet. Macron hat die Notstandsmaßnahmen von der Vorgängerregierung Hollande nahtlos übernommen, darunter auch die Einschränkungen des Streik- und Versammlungsrechtes. Was unter Holland noch Ausnahmezustand war, wird per Gesetz unter Macron zum Normalzustand präsidentialer Politik. Die Polizei hat sehr umfassende Befugnisse bekommen, die auch schon im Rahmen von Hausdurchsuchungen usw. eingesetzt werden.
Die Gegenwehr muss auch die Bildung von Selbstverteidigungskomitees umfassen, um Streiks und Demonstrationen zu verteidigen sowie Migranten, insbesondere die muslimischen Glaubens vor Angriffen zu schützen.
Der Ausnahmezustand geht auf Gesetze zurück, die zur Zeit des Kolonialkriegs gegen Algerien erlassen wurden. Demnach können Behörden im Ausnahmezustand Versammlungen verbieten, die die „öffentliche Ordnung“ stören.
Finden während des Notstandserlasses Demonstrationen statt, sind Sicherheitskräfte "teilweise mit unangemessener Härte gegen einzelne Demonstranten vorgegangen", (Amnesty-Bericht A right, not a threat.)
"Schlagstöcke, Gummigeschosse und Tränengas sind gegen friedfertige Demonstranten eingesetzt worden, die die öffentliche Ordnung nicht zu gefährden schienen", so in dem Bericht. Seit den Pariser Anschlägen sind 155 Erlasse gegen öffentliche Versammlungen verfügt worden. 574 Menschen wurde 2016 die Teilnahme an Demonstrationen gegen eine geplante Arbeitsmarktreform („Gesetz El Khomri“) verboten.
Inzwischen wurde der Ausnahmezustand nach den Pariser Anschlägen vom 13. November 2015 fünfmal verlängert. Macron hat eine weitere Verlängerung bis zum 1. November verfügt. Diese Verfügung stattet die Sicherheitsbehörden mit Sonderbefugnissen aus: Neben Versammlungsverboten ermöglicht sie unter anderem Ausgangssperren, Wohnungsdurchsuchungen ohne richterlichen Beschluss und Hausarrest für Menschen, die eine Gefahr für die Sicherheit und die öffentliche Ordnung sein können.
Wer kann den Widerstand gegen die Politik Macrons führen?
Es ist eine sehr gefährliche Situation für das französische Proletariat, für die Jugend, für alle mit Migrationshintergrund: Die Parteien, auf die sich die Arbeiterbewegung bezogen hat, befinden sich allesamt in einem schlimmen Zustand, einige werden sich vielleicht nicht mehr erholen vom Desaster 2017. Macron hat davon profitiert, dass viele nicht wollten, dass Marine Le Pen und die Front National die Wahl gewinnen, die meisten haben die Wahl verweigert oder ungültig gestimmt, so dass jetzt ein gefährliches Vakuum entstanden ist.
Die Vertreter der Gewerkschaften mussten in den letzten Monaten einzeln bei der Arbeitsministerin antanzen. Dort werden Ihnen Details zu Macron Dekreten vorgetragen. Eine endgültige Textfassung liegt noch nicht vor. Während die CGT und SUD/Solidaires schon zu Aktionen und Streiks für den 12.9. mobilisieren, halten sich CFDT, FO und andere zurück. Ein Element der Politik Macrons ist die Spaltung und Zerschlagung der Gewerkschaftsbewegung (und auch der anderen Organisationen, die aus der Arbeiterbewegung entstanden sind) über das heutige Maß hinaus. Macron hat die FO teilweise neutralisiert. Er gibt den Gewerkschaftsbürokraten das, was sie lieben: lukrative Positionen besonders im Arbeitsministerium.
Was ist mit Mélenchon und France Insoumise?
Bei den Präsidentschaftswahlen lag Mélenchon nur knapp hinter Marine LePen. Die Agenda von France Insoumise ist neben der Ermöglichung eines Präsidenten Mélenchon (besonders wichtig für ihn) die Schaffung einer neuen französischen Republik, der sogenannten 6e Republique. Diese soll eine Verfassungsreform auf der Grundlage des Programms der France Insoumise schaffen.
Abgesehen von durchaus fortschrittlichen Forderungen gegen eine Einsparungslogik im Gesundheitssystem und dem Bildungswesen, der Ablehnung von CETA, TISA und Co. sowie einer Reihe an konkreten Forderungen wie der Erhöhung des Mindestlohnes auf 1326 Euro und eine Mindestpension von wenigsten 1000 Euro monatlich ist das Programm ein durchwegs kleinbürgerliches Konstrukt aus einer Fantasiewelt. Das „faire“ Steuersystem, das gefordert wird besteht unter anderem aus einer zusätzlichen Besteuerung bei einem Einkommen von mehr als 33.000 Euro im Monat (!). Die EU soll zu einem sozialeren und ökologischeren Projekt umerzogen werden und wenn dieser algebraische Wunsch nicht umgesetzt werden kann tritt ein Plan B in Kraft bestehend aus Kapital und Warenkontrollen an der nationalen Grenze und ähnlichem.
Ganz zu schweigen von der offen pro-imperialistischen Agenda, die eine Formierung eines Befriedungstrupps in Syrien und Irak vorsieht. Der Populismus und die Bekanntheit eines Mélenchon in Kombination mit dem allgemeinen Umbruch in den etablierten Parteien, die ihren Ausdruck auch in der „La République en marche“ von Macron fand hat die France Insoumise trotz ihres kruden Programms zu einem unglaublichen und vermutlich nicht wiederkehrenden Wahlergebniss geführt.
Ebenso neu: Front social
Hier haben sich unmittelbar nach den Präsidentschaftswahlen Leute aus den Initiativen gegen das Koudri-Gesetz, CGT Gewerkschafter wie die von Goodyear und andere gewerkschaftliche Gruppierungen der CGT , der SUD/Solidaires, NPA-nahe Gruppierungen usw. zusammengetan. Sie konnten eine Reihe von Demonstrationen durchführen und haben landesweit Versammlungen zur Bildung der „Front social“ durchgeführt, die Mobilisierungserfolge blieben aber übersichtlich. In Paris brachten sie zwischen 1000-3000 Menschen zusammen. Das wird aber nicht reichen, um die Initiativen Macrons für die französischen Konzerne und das Finanzkapital zu stoppen.
Die „radikale Linke“?
Frankreich hat eine historische trotzkistische Bewegung, die aber 2017 sich in Wahlen nur noch mit 1-2 Prozent der Wählerstimmen artikulieren kann (LO und NPA 2017). Das waren in der Vergangenheit schon einmal 10 Prozent. Und es gibt umso mehr Niedergang, als prinzipielle Standpunkte des revolutionären Marxismus aufgegeben wurden. Ähnlich verhält es sich mit der POID, die sich der Tradition des Lambertismus zurechnen lässt.
Die NPA befindet sich teilweise im Fahrwasser Mélenchons, teilweise ist sie involviert in die „Front social“.
Weiterhin gibt es in Frankreich eine anarcho-syndikalistische Linke, die bei allen Widerstandsbewegungen eine bestimmte Rolle spielen wird, für die Herausbildung einer revolutionären Partei jedoch zu sektiererisch ist.
Die „Soziale Front“ ist zwar sehr schnell und aktivistisch, beantwortet aber nicht die Aufgabenstellung, wie eine Einheitsfront gegen die Macron-Politik herzustellen ist.
Die französische Revolutionäre Linke wird nicht um die Aufgabenstellung herumkommen, eine neue Revolutionäre Partei mit einer klaren programmatischen Aufgabenstellung aufzubauen. Dazu gibt es schon elementare Gruppen, aber die sind noch sehr klein und zahlenmäßig eher schwach.
Solidarität mit den französischen Arbeitern und ArbeiterInnen, mit den Jugendlichen und den Migrantinnen
Am 12.9. Hat die CGT zusammen mit SUD/Solidaires zu Streikaktionen und Demos aufgerufen, während Mélenchon für den 23.9. zu eigenen Demos aufruft. Wir wissen heute nicht, ob es bei diesen verschiedenen Terminen bleibt, was für die ehrlichen Aktivisten an der Basis der France Insoumise nachteilig wäre. Es ist dabei in keinster Weise verwunderlich, dass eine France Insoumise, die sich in Richtung eines kleinbürgerlichen Populismus entwickelt, sich nicht mit einer kämpferischen CGT auf einen gemeinsamen Aktionstag einigt.
Eine totale Niederlage der französischen ArbeiterInnen wie der GewerkschafterInnen gegen das neue Arbeitsgesetz sowie die weiteren Angriffe, die noch folgen hätte schwerwiegende Auswirkungen auf alle ArbeiterInen und GewerkschafterInnen in ganz Europa. Die internationale ArbeiterInnenbewegung sollte deshalb auch Solidaritätsaktionen in Deutschland und anderen europäischen Ländern organisieren. Letztlich muss die französische ArbeiterInnenklasse die Angriffe mit einem unbefristeten Generalstreik beantworten. Ein solcher Generalstreik muss mit Selbstverteidigungseinheiten vor Angriffen durch den Repressionsapparat sowie der Rechten verteidigt werden.
Gleichzeitig stellt der unbefristete Generalstreik auch die Machtfrage: Wer hat die Kontrolle im Land? Die einzige Antwort darauf, die zugunsten der ArbeiterInnen und Unterdrückten Frankreichs ausfällt ist eine revolutionäre ArbeiterInnenregierung. Letztlich führt der Weg zu einer sozialistischen Regierung wenn die kapitalistische Einsparungs- und Profitlogik ein für alle Mal beendet werden soll.
Quellen: