Griechenland: Eine moderne Halbkolonie

Die widersprüchliche Entwicklung des griechischen Kapitalismus, seine gescheiterten Versuche zu einer imperialistischen Regionalmacht zu werden, und seine gegenwärtige Situation als entwickeltes halbkoloniales Land mit einigen spezifischen Merkmalen

Von Michael Pröbsting, Revolutionär-Kommunistische Internationale Tendenz (RCIT), November 2015, www.thecommunists.net

 

 

Anmerkung der Redaktion: Die Graphiken in diesem Buch können nur in der unten als Download zur Verfügung stehenden pdf Version eingesehen werden.

 

 

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Inhalt

 

Vorwort

 

Einleitung

 

I . Theoretische Betrachtungen
I.1 Was sind die charakteristischen Kennzeichen eines imperialistischen bzw. halbkolonialen Staats?
I.2 Ist eine Entwicklung von einem Staatstyp zum anderen möglich?
I.3 Ist die Kategorie “sub-imperialistisch” sinnvoll?


II. Kurzer historischer Überblick über die Entwicklung des griechischen Kapitalismus
II.1 Das Erscheinen der griechischen Bourgeoisie im Osmanischen Reich und der Kampf um nationale Unabhängigkeit
II.2 Griechenland von der Zeit des Unabhängigkeitskrieges (1821-29) bis 1922

II.3 Exkurs: Griechischer Chauvinismus und die Frage Mazedoniens
II.4 Griechenland als rückständiges kapitalistisches Land zwischen den beiden Weltkriegen
II.5 Der widersprüchliche Modernisierungsprozess nach dem Ende des Bürgerkriegs bis zum EU -Beitritt
II.6 Exkurs: die griechischen Schiffseigentümer – eine halbe Diaspora-Bourgeoisie


III. Griechenlands gescheiterter Versuch, eine imperialistische Regionalmacht zu werden
III.1 EU-Beitritt und die 1980er Jahre
III.2 Kapitalistische Restauration am Balkan nach 1989 und griechische Kapitalexpansion
III.3 Steigende Migration nach 1989

III.4 Scheitern bei der Überwindung der Rückständigkeit und die Steigerung der Schulden an die imperialistischen Mächte


IV. Die historische Krise des griechischen Kapitalismus 2008 bis heute
IV.1 Zerstörung der griechischen Ökonomie durch die imperialistischen Monopole und Großmächte
IV.2 Schuldenexplosion und die nahezu totale Abhängigkeit Griechenlands von den imperialistischen Mächten
IV.3 Die EU-Troika: Griechenland als De-Facto-Kolonie des EU-Imperialismus
IV.4 Exkurs: Die KKE und der Klassencharakter Griechenlands


V. Programmatische Schlussfolgerungen
V.1 Die taktische Losung des Austritt Griechenlands aus der EU
V.2 Das Programm für die völlige Gleichberechtigung der MigrantInnen?
V.3 Der Kampf gegen den griechischen Chauvinismus: Die mazedonische Frage


VI. Zusammenfassende Thesen

 

* * * * *

 

Vorwort der Redaktion: Im Folgenden veröffentlichen wir das von Michael Pröbsting verfasste Buch „Griechenland: Eine moderne Halbkolonie“. Das Buch erschien ursprünglich in englischer Sprache im November 2015 als E-Book bzw. als Ausgabe 43 und 44 des englischsprachigen internationalen Journals der Revolutionär-Kommunistische Internationale Tendenz (RCIT). Wir haben es für die deutsche Übersetzung an ein paar Stellen aktualisiert. [1]

Michael Pröbsting ist der Internationale Sekretär der RCIT. Alle Publikationen der RCIT können über unsere Kontaktadresse bezogen werden. Wir bedanken uns für die Übersetzung des Buches bei Gerlinde K. und Marek Hangler (Kapitel VI).

 

* * * * *

 

Einleitung

 

Die Frage des Klassencharakters Griechenlands ist von ausschlaggebender Bedeutung sowohl für die griechische wie auch für die internationale ArbeiterInnenbewegung: ist es ein imperialistischer Staat, ein halbkoloniales Land oder etwas anderes und was sind seine speziellen Kennzeichen?

Die Wichtigkeit dieser Frage ergibt sich aus der Intensität des Klassenkampfs in Griechenland der letzten Jahre. Es ist wohl kaum eine Übertreibung zu sagen, dass das, was die Arabische Revolution für die Welt war, Griechenland für Europa ist. Während erstere die Region mit dem entwickeltsten Klassenkampf weltweit seit 2010 war, so spielt Griechenland diese Rolle für den europäischen Klassenkampf.

Die griechische ArbeiterInnenbewegung und die Linke sind zur Frage des Klassencharakters des Landes geteilter Meinung. Manche meinen, dass Griechenland eine kleine imperialistische Macht ist, während andere sagen, dass es ein abhängiges oder halbkoloniales Land ist. Es gibt auch Standpunkte, laut denen Griechenland ein sub-imperialistischer Staat sei.

Analysen werden oft dazu verwendet, bestimmte Taktiken zu rechtfertigen. Diverse ReformistInnen und ZentristInnen, die Griechenland als unabhängig betrachten, nutzen die Rückständigkeit des Landes als Entschuldigung für ihren Opportunismus hinsichtlich des griechischen Nationalismus und ihre Anpassung an die griechische Bourgeoisie. Andere, die Griechenland als imperialistischen oder sub-imperialistischen Staat betrachten, nutzen ihre Analysen, um sektiererische Taktiken zu rechtfertigen.

Die RCIT hat die Analyse erarbeitet, dass Griechenland ein entwickeltes halbkoloniales Land mit besonderen Kennzeichen ist. [2] Wir bestätigen die historische Charakterisierung Griechenlands der trotzkistischen Vierten Internationale, die 1945 festhielt: “Griechenland gehört zweifelsohne zu den rückständigsten und ärmsten Ländern Europas. Seit über einem Jahrhundert ist es zum Status einer Halbkolonie der größeren europäischen Mächte verurteilt.” [3]

Eine derart abhängige Position behielt es auch in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg. Wir erkennen an, dass das griechische Kapital in den 1990er Jahren und in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts ernsthafte Bemühungen vollzogen hat, um zu einer imperialistischen Regionalmacht zu werden. Doch letztlich scheiterte es darin, seinen rückständigen Charakter zu überwinden und bleibt ein abhängiges, den europäischen imperialistischen Mächten untergeordnetes, Land.

Wir unterstützen die Losung zu Griechenlands Austritt aus der EU und der Eurozone und kombinieren sie mit einem Übergangsprogramm für eine sozialistische Revolution. Die europäische ArbeiterInnenbewegung muss gegen die Kolonisierung Griechenlands durch die EU-Troika mobilisieren und den griechischen Widerstand unterstützen. Gleichzeitig müssen sich RevolutionärInnen dem griechischen Chauvinismus in all seinen Formen entgegenstellen. Das schließt die Notwendigkeit der Unterstützung der Rechte der in Griechenland lebenden MigrantInnen und der nationalen Minderheiten genauso ein wie die Opposition gegen die Expansion des griechischen Kapitals in die Balkanländer. [4]

Die folgende Studie wird eine detailliertere Analyse der widersprüchlichen Entwicklung des griechischen Kapitalismus, seiner gescheiterten Versuche eine kleine imperialistische Macht zu werden und seiner gegenwärtigen Situation als entwickeltes halbkoloniales Land mit besonderen Kennzeichen präsentieren. Zum Schluss werden wir die wichtigsten programmatischen Schlussfolgerungen dieser Analyse diskutieren.

Wir hoffen, dass die vorliegende Publikation einen sinnvollen Beitrag zur Diskussion unter RevolutionärInnen in Griechenland zur Klärung des Klassencharakters Griechenlands und der daraus folgenden Aufgaben darstellt. Wir freuen uns über Rückmeldungen und Kritik von unseren griechischen KampfgenossInnen.

 


I. Theoretische Betrachtungen

 

 

 

Bevor wir eine konkrete Analyse des griechischen Kapitalismus und seines besonderen Klassencharakters vorlegen, müssen wir mit einer Zusammenfassung der theoretischen Herangehensweise von MarxistInnen zu dieser Frage beginnen: Wie lautet die korrekte Definition eines imperialistischen bzw. halbkolonialen Staats? Unser methodologisches Verständnis des Imperialismus basiert auf Lenins Theorie, die seit dem frühen 20. Jahrhundert die Basis für den revolutionären Marxismus bildet. [5]

 

 

 

I.1 Was sind die charakteristischen Kennzeichen eines imperialistischen bzw. halbkolonialen Staats?

 

 

 

Lenin beschrieb als die wesentlichen Kennzeichen des Imperialismus die Bildung von Monopolen, die die Wirtschaft dominieren. Im Zusammenhang damit betonte er die Fusion von Bank- und Industriekapital in Finanzkapital, die Zunahme von Kapitalexport gemeinsam neben dem Warenexport und den Kampf um Einflusssphären, v.a. Kolonien. [6]

 

Die Bildung von Monopolen und Großmächten führte zunehmend zur Aufteilung der ganzen Welt unter die rivalisierenden imperialistischen Staaten in verschiedene Einflussgebiete und zur Unterwerfung der meisten Länder unter diese wenigen Großmächte. Daraus folgt ein besonderes Kennzeichen von Lenins (und Trotzkis) Imperialismus-Analyse: die Charakterisierung des Verhältnisses zwischen den imperialistischen Nationen und der großen Mehrheit der Völker, die in weniger kapitalistisch entwickelten Ländern lebt, als Unterdrückungsverhältnis. Tatsächlich kam Lenin, und ihm folgend auch Trotzki, zu dem Schluss, dass diese Aufteilung der Länder der Welt in unterdrückende und unterdrückte Nationen eines der wichtigsten Merkmale der imperialistischen Epoche ist:

 

Der Imperialismus ist die fortschreitende Unterdrückung der Nationen der Welt durch eine Handvoll Großmächte (…) Eben deshalb muß die Einteilung der Nationen in unterdrückende und unterdrückte den Zentralpunkt in den sozialdemokratischen Programmen bilden, da diese Einteilung das Wesen des Imperialismus ausmacht und von den Sozialpatrioten, Kautsky inbegriffen, verlogenerweise umgangen wird. Diese Einteilung ist nicht wesentlich vom Standpunkt des bürgerlichen Pazifismus oder der kleinbürgerlichen Utopie der friedlichen Konkurrenz der unabhängigen Nationen unter dem Kapitalismus, aber sie ist eben das Wesentlichste vom Standpunkt des revolutionären Kampfes gegen den Imperialismus. [7]

 

Daraus schloss Lenin, dass die Aufteilung in unterdrückte und unterdrückende Nationen ein zentraler Bestandteil des marxistischen Programms sein muss:

 

 Als Gegengewicht zu dieser spießbürgerlichen opportunistischen Utopie muß das Programm der Sozialdemokratie (so nannten sich MarxistInnen zu dieser Zeit, Anm. d. Red.) als das Grundlegende, Wesentliche und Unvermeidliche beim Imperialismus die Einteilung der Nationen in unterdrückte und unterdrückende hervorheben. [8]

 

Das Verhältnis zwischen Staaten muss in der Gesamtheit seiner wirtschaftlichen, politischen und militärischen Belange gesehen werden – “die ganze Totalität der mannigfaltigen Beziehungen dieses Dinges zu den anderen“ (Lenin). [9] Der jeweilige Staat darf nicht nur als eigenständige Einheit gesehen werden, sondern vor allem in seinen Beziehungen zu anderen Staaten und Nationen. Nebenbei bemerkt können auch Klassen nur im Verhältnis zueinander verstanden werden. Ein imperialistischer Staat stellt üblicherweise ein unterdrückerisches Verhältnis zu anderen Staaten und Nationen her, die er auf die eine oder andere Weise überausbeutet – d.h. er eignet sich einen Anteil des produzierten kapitalistischen Werts an. Aber auch das muss in seiner Gesamtheit betrachtet werden, d.h. wenn ein Staat Profite aus seinen Auslandsinvestitionen gewinnt, aber selbst noch viel mehr an andere Länder aufgrund von deren Auslandsinvestitionen oder Darlehen etc. zahlen muss, kann dieser Staat meist nicht als imperialistisch bezeichnet werden.

 

Die wirtschaftliche Basis des Verhältnisses zwischen imperialistischen und halbkolonialen Ländern ist es, was Lenin die Überausbeutung dieser unterdrückten Nationen durch die imperialistischen Monopole nannte. Wegen dieser Überausbeutung kann das Monopolkapital – zusätzlich zur durchschnittlichen Profitrate – einen Extraprofit lukrieren. Diese Extraprofite sind wichtige Zuschläge zu den Profiten, die das Monopolkapital bereits aus den ArbeiterInnen in den reichen Ländern herausholt. Sie sind außerdem eine wichtige Quelle zur Bestechung der höheren, aristokratischen Teile der ArbeiterInnenklasse und v.a. der Arbeiterbürokratie in den imperialistischen Ländern, was der Stärkung der Herrschaft des Monopolkapitals dient.

 

In unserem Buch Der große Raub des Südens werden vier verschiedene grundlegende Formen der Überausbeutung, mit denen das Monopolkapital Extraprofite aus kolonialen und halbkolonialen Ländern gewinnt, herausgearbeitet: [10]

 

i) Kapitalexport als produktive Investition

 

ii) Kapitalexport als Geldkapital (Darlehen, Währungsreserven, Spekulation usw.)

 

iii) Werttransfer über ungleichen Austausch

 

iv) Werttransfer über Migration (basierend auf der Überausbeutung der MigrantInnen als einer national unterdrückten Schicht der ArbeiterInnenklasse)

 

 

 

Zuletzt wollen wir die Notwendigkeit betonen, die Gesamtheit der wirtschaftlichen, politischen und militärischen Position eines Staats in der globalen Staatshierarchie zu betrachten. So können wir einen bestimmten Staat als imperialistisch sehen, auch wenn er wirtschaftlich schwächer ist, aber eine relative starke politische und militärische Position innehat (wie Russland vor 1917 und – wieder – Anfang des 21. Jahrhunderts). Solch eine starke politische und militärische Position kann dazu genutzt werden, andere Länder und Nationen zu unterdrücken und von ihnen kapitalistischen Wert abzuziehen.

 

Natürlich ist es nicht genug, Länder in die Kategorien imperialistisch und halbkolonial einzuteilen. Es gibt viele verschiedene Abstufungen. Das beginnt bereits bei den Unterschieden zwischen den Großmächten. Es gibt Großmächte wie die stärkste, die USA, doch auch andere, die wirtschaftlich stark sind, aber in den letzten Jahrzehnten militärisch viel schwächer waren (wie Japan oder Deutschland). Dann müssen wir differenzieren zwischen Großmächten und kleineren imperialistischen Ländern (wie Australien, Belgien, die Schweiz, die Niederlande, Österreich, die skandinavischen Länder etc.). Offensichtlich sind sie den Großmächten nicht ebenbürtig, sondern ihnen vielmehr untergeordnet. Diese kleineren imperialistischen Länder sind politisch und militärisch von einer oder mehreren Großmächten zu abhängig, um in der globalen imperialistischen Ordnung mitspielen zu können. Sie sichern ihre privilegierte Position durch wirtschaftliche, politische und militärische Bündnisse mit Großmächten wie EU, OECD, IWF, Weltbank, WTO, NATO und diverse “Partnerschaften”. Diese kleineren imperialistischen Länder werden jedenfalls nicht von den Großmächten überausgebeutet, sondern beteiligen sich vielmehr noch an der Überausbeutung der halbkolonialen Welt, indem sie sich einen beträchtlichen Teil des Werts aus den Halbkolonien aneignen.

 

Kurz, wir definieren einen imperialistischen Staat wie folgt: Ein imperialistischer Staat ist ein kapitalistischer Staat, dessen Monopole und Staatsapparat eine Position in der Weltordnung aufweisen, von der aus sie in erster Linie andere Staaten und Nationen dominieren. Als Ergebnis lukrieren sie Extraprofite und andere wirtschaftliche, politische und/oder militärische Vorteile aus einem solchen auf Überausbeutung und Unterdrückung basierenden Verhältnis. [11]

 

Ebenso muss auch zwischen verschiedenen Typen von Halbkolonien differenziert werden. Offensichtlich gibt es heute riesige Unterschiede zwischen Peru und Argentinien oder Brasilien, dem Kongo und Ägypten, Pakistan und der Türkei, Nepal und Thailand, Kasachstan und Polen. Einige Länder sind mehr industrialisiert als andere, manche haben eine gewisse politische Größe erreicht und andere nicht. Wir können also zwischen entwickelten oder industrialisierten Halbkolonien wie etwa Argentinien, Brasilien, Ägypten, der Türkei, Griechenland, dem Iran, Polen oder Thailand einerseits und ärmeren oder halbindustrialisierten Halbkolonien wie Bolivien, Peru, den Subsahara-Ländern Afrikas (außer Südafrika), Pakistan, Afghanistan, Indonesien etc. unterscheiden.

 

Nichtsdestotrotz darf nicht vergessen werden, dass diese verschiedenen Arten von Halbkolonien viel mehr Gemeinsames als Trennendes haben, wie schon Trotzki betont:

 

Die kolonialen und halbkolonialen, also rückständigen Länder, welche die bei weitem größere Hälfte der Menschheit ausmachen, unterscheiden sich außerordentlich stark voneinander nach dem Grad der Rückständigkeit und bilden eine historische Stufenleiter, die von der Nomadenexistenz oder sogar vom Kannibalismus bis zur modernsten industriellen Kultur reicht. Die Kombination dieser Extreme charakterisiert in der einen oder anderen Form jedes dieser rückständigen Länder. Doch ist die Hierarchie der Rückständigkeit, wenn dieser Ausdruck erlaubt ist, durch das spezifische Gewicht der Elemente von Barbarei und Kultur im Leben jedes dieser kolonialen Länder bestimmt. Äquatorialafrika bleibt weit hinter Algerien zurück, Paraguay hinter Mexiko, Abessinien hinter Indien oder China. Vor dem Hintergrund ihrer allgemeinen wirtschaftlichen Abhängigkeit von den Metropolen des Imperialismus hat die politische Abhängigkeit in manchen Fällen den Charakter einer offenen kolonialen Sklaverei, in anderen Fällen wird sie durch die Fiktion einer staatlichen Selbständigkeit verdeckt (China, Lateinamerika). [12]

 

Wir fassen unsere Definition der Halbkolonien in folgender Formel zusammen: Ein halbkoloniales Land ist ein kapitalistischer Staat, dessen Wirtschaft und Staatsapparat eine Position in der Weltordnung innehaben, in der sie in erster Linie von anderen Staaten und Nationen dominiert werden. Als Ergebnis erzeugen sie Extraprofite und ermöglichen aufgrund ihres auf Überausbeutung und Unterdrückung basierenden Verhältnisses den imperialistischen Monopolen und Staaten auch andere wirtschaftliche, politische und/oder militärische Vorteile.

 

 

 

I.2 Ist eine Entwicklung von einem Staatstyp zum anderen möglich?

 

 

 

Die Analyse und Aufteilung von Ländern in verschiedene Typen darf nicht dogmatisch, mechanistisch verstanden werden, sondern vielmehr auf marxistische, d.h. dialektische Weise. Lenin betonte bereits, dass Definitionen keine abstrakten Dogmen sind, sondern als elastische Kategorien betrachtet werden müssen: „…ohne zu vergessen, daß alle Definitionen überhaupt nur bedingte und relative Bedeutung haben, da eine Definition niemals die allseitigen Zusammenhänge einer Erscheinung in ihrer vollen Entfaltung umfassen kann “. [13]

 

Es wäre also falsch, sich die beiden Kategorien der imperialistischen und halbkolonialen Staaten als wie durch eine undurchdringliche Wand wie die Chinesische Mauer voneinander getrennt vorzustellen. Wie bei anderer Gelegenheit schon dargestellt, gibt es einige Beispiele für abhängige Länder, die sich unter besonderen Umständen zu einem imperialistischen Land entwickeln konnten ebenso wie umgekehrt. Der Hauptgrund dafür ist das Gesetz der ungleichzeitigen und kombinierten Entwicklung, das die verschiedenen Entwicklungsgeschwindigkeiten der Produktivkräfte in den verschiedenen Nationen und ihre Interaktion, die wiederum zu Instabilität, Zusammenbrüchen, Kriegen und Transformationen bestehender politischer und gesellschaftlicher Verhältnisse führt, erklärt. [14] Daher ist es nur logisch, dass solche Entwicklungen neue kapitalistische Mächte ebenso wie den Niedergang alter Mächte hervorbringen können. [15]

 

Lenin selbst hat die Möglichkeit, dass rückständige halbkoloniale Länder ihren Klassencharakter verändern können, explizit hervorgehoben:

 

Am schnellsten wächst der Kapitalismus in den Kolonien und den überseeischen Ländern. Unter diesen Ländern entstehen neue imperialistische Mächte (Japan). [16]

 

Wie bereits an anderer Stelle betont gibt es verschiedene historische Beispiele für solche Transformationen. So gibt es das Beispiel der Tschechoslowakei - einst Kolonie des Habsburger Reichs, nach dessen Zusammenbruch 1918 eine kleinere imperialistische Macht. Ähnlich wurden Südkorea und Israel in den 1990ern zu imperialistischen Staaten, ebenso Russland und China im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts. [17] Andererseits konnte Portugal in den letzten vier Jahrzehnten seinen imperialistischen Status seit dem Verlust seiner Kolonien 1974 wahrscheinlich nicht halten.

 

 

 

I.3 Ist die Kategorie “sub-imperialistisch” sinnvoll?

 

 

 

Eine Reihe fortschrittlicher TheoretikerInnen unterstützt die Konzeption eines “Übergangs-” oder “sub-imperialistischen” Staatstypus als dritte, zusätzliche Länderkategorie zu den Begriffen imperialistisch und halbkolonial. Wir haben unsere Kritik der Theorie des Sub-Imperialismus in Der große Raub des Südens dargelegt und bringen hier nur kurz einige Schlussfolgerungen. [18]

 

Wenn ein Staat einen Transformationsprozess von einem imperialistischen in ein halbkoloniales Land oder umgekehrt durchläuft, befindet er sich natürlich “im Übergang” und in diesem Sinn kann eine Begrifflichkeit nützlich sein, um einen vorübergehenden Prozess zu beschreiben. Die UnterstützerInnen der Theorie des Sub-Imperialismus verstehen diese Kategorie aber nicht als Beschreibung des Übergangsprozesses, sondern sehen sie als separate, unabhängige Kategorie. Und hier liegt das fundamentale Problem.

 

Der Kapitalismus vereint alle Nationen der Welt über die ökonomische und politische Ausdehnung und die Bildung eines Weltmarkts. Dieser Prozess findet seit dem Beginn der kapitalistischen Produktionsweise statt und hat sich in der Epoche des Imperialismus massiv beschleunigt. Unter diesen Bedingungen entkommt keine Nation dem Eingehen immer engerer wirtschaftlicher und politischer Bindungen mit den dominanten imperialistischen Mächten. Solch enge Beziehungen schaffen, verändern und reproduzieren automatisch Ausbeutungsmechanismen und Überausbeutung. Mit anderen Worten, im Kapitalismus – und noch mehr im Imperialismus – werden alle Nationen in den Prozess der Überausbeutung aufgesogen. Entweder sind sie stark genug und werden Teil der unterdrückenden Nationen oder sie werden ins Lager der Mehrheit der Menschheit – die unterdrückten Nationen – gedrängt. Es gibt kein “drittes Lager” dazwischen.

 

Natürlich gibt es wesentliche Unterschiede in der Entwicklung der Produktivkräfte zwischen den imperialistischen Staaten genauso wie zwischen den halbkolonialen Ländern. Das ist nur logisch angesichts der ungleichen Entwicklungsdynamik zwischen den Nationen. Es stimmt auch, dass es größere und kleinere imperialistische Länder gibt. Z.B. sind die USA und Kanada sicher nicht gleich, aber sie beuten einander nicht systematisch aus. Dasselbe gilt für Deutschland und Österreich oder Frankreich und Belgien, Luxemburg oder die Schweiz. Und doch sind sie alle imperialistische Nationen. Warum? Weil sie bedeutendes Monopolkapital und Finanzkapital geschaffen haben, das dazu verwendet wird, den Süden systematisch auszubeuten und Werte zu transferieren und sie Teil einer internationalen imperialistischen Ordnung sind, von der sie profitieren und die sie mit verschiedenen Mitteln verteidigen. Ebenso gibt es fortgeschrittene Halbkolonien, die einen gewissen regionalen Einfluss haben (z.B. Brasilien, Indien, Griechenland) und andere, die keinen haben; einige sind stärker, andere schwächer. Doch als MarxistInnen müssen wir das Wertgesetz im Blick behalten und den Werttransfer zwischen den Ländern und die politische Ordnung, die damit verknüpft ist. Und hier ist es offensichtlich, dass die industrialisierten Halbkolonien ebenso von den imperialistischen Monopolen dominiert und überausgebeutet werden. Aus diesem Grund sehen wir keine Nützlichkeit in der Kategorie des “Sub-Imperialismus” als Teil eines marxistischen Analyseapparats.


II. Kurzer historischer Überblick über die Entwicklung des griechischen Kapitalismus

 

 

 

Es geht über den Rahmen dieser Schrift hinaus, eine umfassende Analyse der Geschichte Griechenlands seit seiner Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich Anfang des 19. Jahrhunderts zu geben.[19] Stattdessen soll der Fokus auf der Entwicklung des griechischen Kapitalismus liegen, sodass dessen besondere Kennzeichen herausgearbeitet werden können.

 

 

 

II.1 Das Erscheinen der griechischen Bourgeoisie im Osmanischen Reich und der Kampf um nationale Unabhängigkeit

 

 

 

Angesichts der jahrhundertlangen Besetzung durch das Osmanische Reich begannen die Balkanvölker ihre nationale und moderne Entwicklung viel später als die meisten westeuropäischen Länder. Unter den Balkanvölkern waren Griechenland und Serbien die ersten, die den Befreiungskampf gegen die osmanische Herrschaft im frühen 19. Jahrhundert aufnahmen.

 

In diesem Bestreben hatte Griechenland gewisse Vorteile, die dazu beitrugen, die Unabhängigkeit früher als die meisten Balkanvölker zu erlangen. Der Handel im Osmanischen Reich, dessen Ökonomie durch das charakterisiert war, was Marx die “Asiatische Produktionsweise” genannt hatte, wurde vom nicht-muslimischen Volk dominiert.[20] Dieser Prozess begann bereits im 15. und 16. Jahrhundert. Allmählich konnten die Griechen (und in geringerem Ausmaß die JüdInnen und die ArmenierInnen) Kontrolle über den größten Teil ihres Innen- und Außenhandels erlangen und viele MitarbeiterInnen der Osmanischen Staatsverwaltung und des diplomatischen Korps stellen (diese einflussreichen und wohlhabenden griechischen Familien wurden als “Phanariotes” bekannt).[21]

 

Diese Entwicklung zeigt sich in der Tatsache, dass 1912 von 112 Bankiers und BankdirektorInnen im Osmanischen Reich nur einer ein muslimischer Türke war. Bezüglich der Industrie wird geschätzt, dass nur 15% des Kapitals TürkInnen gehörte. Gemäß dem sowjetischen Wissenschaftler O.G. Indzhikyan war die ethnische Zusammensetzung der Geschäftswelt wie folgt (s. Tabelle 1):

 

 

 

Tabelle 1: Ethnische Zusammensetzung der Geschäftswelt im Osmanischen Reich in Prozent (1912) [22]

 

                                                               Türken                  Griechen               Armenier                             Andere

 

Innenhandel                                      15                           43                           23                                          19

 

Industrie u. Handwerk                  12                           49                           30                                          10

 

Akademiker                                       14                           44                           22                                          20

 

 

 

Es kam also zur “Bildung einer unternehmerischen und weit verstreuten Handelsklasse im Verlauf des 18. Jahrhunderts, deren Aktivitäten innerhalb wie außerhalb des Osmanischen Gebiets angesiedelt waren.[23] Als Ergebnis wurde Griechisch zur Lingua Franca des Balkanhandels. Diese Handelsbourgeoisie errichtete Gemeinden in der griechischen Diaspora in Kairo, Alexandria und Istanbul wie auch in größeren Handelszentren des Russischen Reichs, in Triest, Neapel, Marseille, Amsterdam, Antwerpen, London, Liverpool und Paris. In der Österreichisch-Ungarischen Monarchie z.B. lebten über 80.000 griechische Familien.[24]

 

Der Aufstieg der griechischen Händler wurde von der Tatsache, dass während der Französischen Revolution und der Napoleonischen Kriege 1792-1815 Britannien und Frankreich wechselseitig ihre Handelsmarinen im Mittelmeer zerstörten, unterstützt. Die griechischen SeeHändler füllten dieses Vakuum und erreichten so eine Monopolposition.

 

Als Folge dessen spielte diese griechische Handelsbourgeoisie eine Führungsrolle darin, gemeinsam mit Intellektuellen und im Ausland ausgebildeten Akademiker ein nationales Bewusstsein – kombiniert mit westlicher Kultur – im griechischen Volk zu schaffen und zu verbreiten. 1814 gründeten griechische Händler in Odessa die geheime revolutionäre Organisation Philike Hetairia (Gesellschaft der Freunde). Sie liehen dem Volksaufstand gegen die osmanische Vorherrschaft, der zum griechischen Unabhängigkeitskrieg 1821-1829 führte, materielle Unterstützung. Es war diese neue Handelsklasse, die – gemeinsam mit der verarmten Bauernschaft, die von ihren Kleinstgütern lebte [25] –, die die entscheidende Kraft im nationalen Befreiungskampf war. Für die traditionelle griechische Elite, d.h. den Hochklerus und die Großgrundbesitzenden, stand im bestehenden System mehr auf dem Spiel und sie war daher gegenüber der Revolution viel zurückhaltender. Die Mehrheit davon schloss sich dem Kampf erst an, als sie erkannte, dass die nationalistische Bewegung unumkehrbar war. [26]

 

Der griechische Unabhängigkeitskrieg rief große Begeisterung hervor und gewann die vorbehaltlose Unterstützung von RevolutionärInnen und Liberalen in ganz Europa – der englische Dichter Lord Byron wurde zu einer Symbolfigur dafür. Die europäischen Großmächte hingegen hatten eine ambivalente Haltung zum Volksaufstand. Einerseits hatten sie Interesse an einem geschwächten Osmanischen Reich. Andererseits hatten sie auch Interesse an der Aufrechterhaltung der Stabilität auf der Balkanhalbinsel. Als Folge dessen intervenierten England, Frankreich und Russland (wie auch Mehmet Ali von Ägypten) auf verschiedenen Seiten des Konflikts. Letztlich übten sie Druck aus, den Befreiungskrieg zu beenden und 1829 zu einer Vereinbarung mit dem Sultan zu gelangen. [27] Diese Vereinbarung anerkannte ein kleines unabhängiges Griechenland. Dieses umfasste nur einen Teil des heutigen Griechenland – mit einer Bevölkerung von nicht mehr als 800.000 Menschen waren das weniger als ein Drittel der 2,5 Millionen Griechen des Osmanischen Reichs.

 

 

 

II.2 Griechenland von der Zeit des Unabhängigkeitskrieges (1821-29) bis 1922

 

 

 

Die Großmächte stellten von Beginn an sicher, dass Griechenland nur formell unabhängig wurde, während es de facto ein abhängiges Land, d.h. eine Halbkolonie, blieb. Die Großmächte zwangen den neuen Staat, eine Monarchie zu werden, mit dem 17-jährigen bayrischen Prinzen (!) Otto von Wittelsbach an der Spitze. Nach diversen Aufständen wurde er schließlich 1862 entthront und ein Jahr später von Prinz Wilhelm von Dänemark, ebenfalls 17-jährig bei seiner Thronbesteigung, ersetzt.

 

Griechenlands völlige Unterwerfung unter die Großmächte zeigte sich auch im Vertrag von 1864, der ausdrücklich festhielt, dass jede der drei Signatarstaaten (England, Frankreich und Russland) mit Einverständnis der beiden anderen Truppen auf griechisches Territorium schicken konnte, wohingegen die Zustimmung Griechenlands selbst nicht nötig war.

 

Außerdem wurden die Ionischen Inseln an der Westküste Griechenlands, Heimat vieler großer Schiffseigner, zu einem “souveränen Staat unter dem Schutz der britischen Krone”, bis London sie Griechenland 1864 formell übereignete. [28]

 

Griechenlands finanzielle Lage war von Beginn an verzweifelt. Der lange Krieg mit den Türken hinterließ den Griechen enorme Schulden bei den britischen Banken. Griechenland musste um weitere Darlehen ansuchen, die es 1833 erhielt. Diese Schulden steigerten noch den Druck auf den Staat, der Bauernschaft, die zu großen Teilen ins Hügelland floh, schwere Steuern aufzuerlegen. Das Räuberunwesen, das auf dem Balkan eine lange Geschichte hat, nahm wieder einmal überhand. Angesichts der Schwäche der heimischen Bourgeoisie und des Fehlens von Auslandsinvestitionen suchte der griechische Staat sein Heil vor allem bei Fremdkapital – meist in Form von Darlehen – zur Finanzierung der grundlegenden Infrastruktur (Häfen, Straßen, Bahnnetz). Allein zwischen 1879-1893 importierte Griechenland etwa 750 Millionen Goldfrancs in Form von Auslandsdarlehen und Investition. [29]

 

Natürlich verschärfte das Griechenlands Schuldenlage und die Zahlungsunfähigkeit des Landes führte zu wachsenden jährlichen Budgetdefiziten und letztlich zu einer offiziellen Bankrotterklärung des Staats im Jahr 1893.

 

Gemäß dem griechischen Historiker Giannes Koliopoulos explodierten die Staatsschulden: “Zwischen 1876 und 1884 verdoppelten sich die nationalen Schulden. Drei Jahre später waren sie vervierfacht und 1893 lagen sie siebenfach über dem Betrag von vor 17 Jahren.[30]

 

Nachdem Griechenland seinen Krieg mit der Türkei verloren hatte, der durch einem nationalen Aufstand der griechischen Bevölkerung auf Kreta 1896 ausgelöst worden war, musste es extreme hohe Entschädigungen zahlen. Folglich wurde das Land 1898 unter Kontrolle der sogenannten “Internationalen Kontrollkommission” gestellt (der Name wurde später auf Internationale Finanzkommission geändert). Griechenland wurde seine souveräne Macht durch die “Schutzmächte” genommen. Die Internationale Finanzkommission übernahm faktisch die Kontrolle über die griechischen Finanzen und garantierte die Rückzahlung der Staatsschulden. Kreta, dessen nationale Revolution zum griechisch-türkischen Krieg geführt hatte, wurde unter internationale Kontrolle gestellt und die Insel in britische, französische, russische und italienische Sektoren geteilt.

 

Griechenlands Abhängigkeit vom britischen Empire wurde durch den besonderen Charakter der griechischen Bourgeoisie noch verstärkt. Wie schon erwähnt waren die griechischen Kapitalisten hauptsächlich Händler, unter denen die Schiffseigner die wichtigsten waren. Sie waren somit nicht daran interessiert, ihr Kapital in den Aufbau einer einheimischen Industrie zu investieren, was dazu führte, dass der Prozess der Kapitalakkumulation in Griechenland sehr langsam vor sich ging und hauptsächlich vom Auslandskapital dominiert wurde. Viele der griechischen Kapitalisten wohnten nicht in Griechenland, sondern im Ausland in Europa, Russland oder dem Nahen Osten. Damit war das griechische Volk von der Unterstützung der Großmächte extrem abhängig.

 

Die trotzkistische Vierte Internationale meinte zur Geschichte Griechenlands nach Erlangung seiner Unabhängigkeit richtigerweise: In Wahrheit war seine Unabhängigkeit größtenteils Fiktion. In Wahrheit war es eine Halbkolonie Britanniens, Frankreichs und Russlands, gezwungen, die Herrschaft eines ausländischen Prinzen zu dulden, der von seinen “Befreiern” oder wie sie sich selbst in jenen Tagen nannten, den “Schutzmächten”, eingesetzt wurde. Die Geschichte Griechenlands versinnbildlicht das Schicksal aller Balkanvölker wie auch aller kleinen Nationen – die Unmöglichkeit für Kleinstaaten, unter dem Kapitalismus echte Unabhängigkeit – im Gegensatz zu einer bloß formell politischen Unabhängigkeit – zu erlangen.[31]

 

Diese Abhängigkeit von Fremdmächten ging Hand in Hand mit der fortwährenden Rückständigkeit der griechischen Wirtschaft, wofür eine Reihe wesentlicher Aspekte verantwortlich waren. Erstens investierten, wie gerade beschrieben, griechische Händler kaum ins Inland, sodass um 1920 nur relativ wenige Industrieunternehmen im Land existierten. 1917 gab es hier nur 35.500 IndustriearbeiterInnen. [32]

 

Aufgrund dieses Fehlens einer breiten Industrialisierung blieb die griechische Wirtschaft bis zum Zweiten Weltkrieg weitestgehend agrarisch dominiert. 1907 beispielsweise betrug der Anteil der ländlichen Bevölkerung 77%.

 

In großen Teilen Griechenlands war der kleine Grundbesitz in der Landwirtschaft vorherrschend. Die einzigen Ausnahmen gab es in den Provinzen Thessalien, Mazedonien und Thrakien. Verglichen mit anderen Ländern war die landbesitzende Klasse Griechenlands nicht groß. Nichtsdestotrotz befanden sich zu Beginn des Ersten Weltkriegs 35% allen ackerbaren Lands immer noch in Händen von Großgrundbesitzern. [33]

 

Gleichzeitig war die Agrarproduktion stark auf den Auslandsmarkt hin orientiert. So zeigte sie einen hohen Spezialisierungsgrad und war de facto fast eine Monokultur mit Rosinen und Tabak als Hauptexportprodukte.

 

Produziert wurde, auch auf den kleinen Gütern, vor allem für den Überseemarkt. Das führte zu einer relativ raschen Monetarisierung der Wirtschaft, besonders nachdem die Barzahlung von Steuern eingeführt worden war.

 

Griechenlands wichtiger Handelssektor war eng an die Landwirtschaft gebunden. Diese beiden Wirtschaftszweige hingen voneinander ab, denn Agrarprodukte waren die einzigen Waren, mit denen gehandelt werden konnte und die Bauernschaft brauchte die Händler, um ihre Produkte zu verkaufen.

 

So blieb Griechenland ein abhängiges kapitalistisches Land und wurde zu einem der rückständigsten Europas. Wie in Tabelle 2 ersichtlich war sein Industrialisierungsniveau – gemeinsam als Bulgarien – das niedrigste in Europa.

 

 

 

Tabelle 2: Relatives BIP pro Kopf (Spalte A) und relatives Industrialisierungsniveau (Spalte B) im Jahre 1913 [34]

 

 

 

Land                      A             B                                            Land                      A             B

 

Britannien           100         100                                        Irland                    60          

 

Belgien                 83           77                                          Italien                   52           23

 

Frankreich          81           51                                          Spanien                48           19

 

Schweiz               81           75                                          Finnland              46           18

 

Dänemark           80           29                                          Ungarn                 41          

 

Deutschland      77           74                                          Griechenland    38           9

 

Niederlande       75           23                                          Portugal               35           12

 

Schweden           71           58                                          Bulgarien             32           9

 

Norwegen           68           26                                          Russland             29           17

 

Österreich           62           29

 

 

 

Nicos Mouzelis, ein fortschrittlicher griechischer Soziologe und Historiker, betont, dass sowohl Landwirtschaft als auch Industrie kaum über Großbetriebe verfügten: “Im 19. Jahrhundert war Griechenland trotz der vollständigen Integration des Landes ins Weltmarktsystem immer noch eine vorkapitalistische Gesellschaft. Sowohl in der Landwirtschaft wie auch in der Industrie waren kapitalistische Betriebe – d.h. Wirtschaftseinheiten, die eine relative hohe Zahl von Lohnarbeitskräften beschäftigten – faktisch nicht existent.[35]

 

Während eine kleine Gruppe oligarchischer Familien (die sogenannten Tzakia) und Kapitalisten sich trotz der wirtschaftlichen Rückständigkeit des Landes bereichern konnte, lebte die Masse der Bevölkerung in finsterer Armut. Gemäß offiziellen Statistiken wurden 72% der Gesamtpopulation als “Besitzlose” klassifiziert, d.h. sie besaßen weder Land noch Unternehmen. Angesichts der Tatsache, dass LohnarbeiterInnen nur eine kleine Minderheit der arbeitenden Bevölkerung darstellten, wird offensichtlich, dass ländliche Armut weit verbreitet war.

 

Es ist daher kaum überraschend, dass viele Griechen ins Ausland gingen – v.a. in die Vereinigten Staaten. Es wird geschätzt, dass in der Zeit von 1890-1914 fast ein Sechstel der griechischen Bevölkerung auswanderte. [36]

 

Eine weitere Facette von Griechenlands Rückständigkeit war die Tatsache, dass die Mehrheit der Bevölkerung in Dörfern lebte – etwas, das sich nur langsam veränderte. Laut der ersten Volkszählung (durchgeführt 1861) waren 74% der erwachsenen Männer Landwirte, die ihren Unterhalt durch Bodenbearbeitung verdienten. Um 1920 war diese Zahl nahezu unverändert (70%). Und auch im Jahr 1920 lebten noch fast 52% der Gesamtbevölkerung in Dörfern mit weniger als 1.000 Seelen. [37]

 

Im selben Jahr lebten 17,6% der griechischen Bevölkerung in Städten mit 20.000 und 12,6% in solchen mit 100.000 oder mehr Einwohnern. (Die Zahlen für die Stadtbevölkerung in Chile im gleichen Zeitraum lag bei 32,7% und 27,1%; in Argentinien lebten 1920 27,1% in Städten mit 100.000 Einwohnern) [38]

 

Ungeachtet des langsamen städtischen Wachstums wuchs Athen zu einer Riesenstadt mit 453.000 Einwohnern (1920) und wurde sogar noch größer, als 1,5 Millionen Flüchtlinge aus Kleinasien 1922 nach Griechenland kamen.

 

Ein weiteres wichtiges Kennzeichen eines unabhängigen kapitalistischen Griechenland ist die enorme Rolle, die der Staatsapparat spielte. Während der 1870er Jahre lag die Anzahl der Beamten pro 10.000 Einwohnern fast siebenmal höher als in Großbritannien! [39] Solch ein monströser administrativer Apparat war nötig, um diese rückständige Gesellschaft zusammenzuhalten, eine Armee für Griechenlands Expansionspläne zu führen und auch um die Aktivierung von Ressourcen für die Modernisierung zu ermöglichen. Weiters konnte der Staatsapparat Arbeit für viele bereitstellen, die vom Land in die Stadt kamen und angesichts der kaum vorhandenen Industrie nicht auf andere Weise beschäftigt werden konnten. Natürlich gewährte ein solch aufgeblasener Staatsapparat dem politischen Überbau im Vergleich zur wirtschaftlichen Basis eine relative Autonomie.

 

Nichtsdestotrotz war Griechenland keine stagnierende Gesellschaft und seine Integration in den Weltmarkt stellte sicher, dass der Kapitalismus im Land voranschritt. Langsam verstärkten die kapitalistische Klasse und die neu entstehende Mittelschicht ihren Einfluss. In den Nachwehen der revolutionären Ereignisse in der Türkei durch das Türkische Komitee der Einheit und des Fortschritts (die Bewegung der Jungtürken) wurde 1909 unter der Androhung durch einen Militärputsch eine konstitutionelle Regierung in Griechenland errichtet. Das brachte Eleftherios Venizelos, einen griechischen liberalen Nationalisten aus Kreta, an die Macht. Er gründete die Liberale Partei, eine authentische Partei des griechischen Kapitalismus und beherrschte die griechische Politik für die nächsten zwei Jahrzehnte.

 

Venizelos initiierte eine Reihe von Reformen, die zu einer gewissen Modernisierung des Landes führten. Das schloss die Rationalisierung der Staatsverwaltung ein, die Entwicklung von Finanzinstitutionen und die Abschaffung der letzten feudalen Reste in Thessalien. Ausbildung wurde kostenlos, verpflichtend und allgemein. Ein neues Arbeitsprogramm zum Straßen- und Schienenbau wurde begonnen. Außerdem initiierte Venizelos die Modernisierung der Armee und der Marine mit Hilfe der britischen und französischen Imperialisten.

 

Die Jahrzehnte, in denen Venizelos regierte, repräsentierten einen Wandel in der Klassenbasis des politischen Systems, denn sowohl die alte Oligarchie als auch die Krone wurden geschwächt, während eine gestärkte kapitalistische Klasse wie auch eine neue Mittelschicht zu zentralen Akteuren in Griechenlands Politiksystem wurden. In diesem Sinn kann Nicos Mouzelis Charakterisierung einer “langen Übergangsperiode vom Vorkapitalismus zum Kapitalismus (1880-1920)” und des “bürgerlichen Übergangs der griechischen Gesellschaft” in dieser Periode zugestimmt werden. [40]

 

Venizelos wollte auch die sogenannte Megáli Idéa (“Große Idee”) verwirklichen – das Projekt der territorialen Ausdehnung, um alle Griechen in einem Staat zu vereinigen (was auch die Besatzung und Unterdrückung nicht-griechischer Völker einschloss) und das Land als regionale imperialistische Macht zu etablieren. Er war darin für einige Zeit recht erfolgreich, denn er vergrößerte den griechischen Staat in zwei siegreichen Balkankriegen 1912/13, sodass es danach 5 Millionen Menschen hatte, mehr als sechsmal so viel wie die ursprüngliche Bevölkerung. Griechenland umschloss nun auch Kreta, den Großteil der Ägäischen Inseln, Thessalien und sogar Teile Mazedoniens (s. Karte 1)

 

 

 

Karte 1: Gebietsvergrößerungen Griechenlands im Zeitverlauf [41]

 

 

 


 

 

 

Doch Griechenlands Expansionspläne endeten 1922/23 in einem Desaster, nachdem Venizelos zugestimmt hatte, die Armee – als Söldner für den britischen Imperialismus – sowohl gegen die Sowjetunion als auch nach Kleinasien gegen den neuen türkischen Staat unter Kemal Atatürk zu entsenden. Griechenland verlor diesen Krieg und musste einem reaktionären Vertrag zustimmen, der einen Bevölkerungsaustausch beinhaltete (rund 1,5 anatolische Griechen und 500.000 Muslime in Griechenland). Am Ende von Venizelos’ Abenteuer war Griechenland erschöpft und erniedrigt und tiefer verschuldet denn zuvor. Die Megáli Idéa hatte ein erbärmliches Ende erreicht.

 

Die Vierte Internationale fasste den Zustand Griechenlands zu dieser Zeit ganz gut zusammen: “Griechenland war zugrunde gerichtet. Das Land war zehn Jahre lang fast ununterbrochen im Krieg gewesen. Es war hoffnungslos bankrott. Die nationalen Schulden hatten fantastische Ausmaße angenommen. Die Drachme war wertlos. Das in Armut verstrickte Land von 6 Millionen Menschen wurde plötzlich überflutet mit eineinhalb Millionen heimatlosen hungernden Flüchtlingen. So endete das große “Abenteuer” der griechischen Kapitalisten.[42]

 

Wir können das erste Jahrhundert des Bestehens Griechenlands als unabhängiger Staat wie folgt zusammenfassen: der griechische Kampf um nationale Unabhängigkeit war grundlegend fortschrittlich. Doch er endete mit einer halben Unabhängigkeit für einen kleinen Teil des griechischen Volks. Von Beginn an war der neugeborene griechische Staat sowohl politisch wie auch wirtschaftlich massiv abhängig von den Großmächten – Britannien, Frankreich und Russland. Die Großmächte errichteten für das griechische Volk eine Monarchie, geführt von ausländischen Königen. Die hohen Schulden des Landes führten zum Staatsbankrott und eine Internationale Finanzkommission übernahm die Führung der griechischen Finanzen.

 

Außerdem wurde die griechische Bourgeoisie vom Handel dominiert und hatte kein Augenmerk auf die Entwicklung einer heimischen Industrie. So blieb das Land rückständig: seine Wirtschaft war gekennzeichnet von kleinbäuerlicher Produktion und Handel und beherrscht von ein paar oligarchischen Familien, die eng mit den Großmächten verbunden waren; sein politisches System zeichnete sich durch einen monströsen Staatsapparat mit einer brüchigen Monarchie an der Spitze aus.

 

Die Periode Venizelos gewährte einen gewissen Grad an Modernisierung, sowohl politisch wie auch wirtschaftlich und auch hinsichtlich einer allmählichen territorialen Expansion Griechenlands. Doch Griechenland blieb in seiner Abhängigkeit von den Großmächten und dem Auslandskapital verhaftet. Und Venizelos Abenteuer, seine Armee als Fußsoldaten für den britischen Imperialismus gegen Sowjetrussland und die Türkei marschieren zu lassen, führte in eine nationale Katastrophe. Die Niederlage gegen die Türkei verursachte den Zustrom von etwa eineinhalb Millionen griechischer Flüchtlinge und der Staat war tiefer verschuldet denn zuvor.

 

Nicos Mouzelis beschreibt die strukturelle Schwäche der griechischen Bourgeoisie zutreffend:

 

Historisch begann der griechische Kapitalismus seine Existenz vor Erlangung der Unabhängigkeit. Sie wurde nicht unter der kolonialen Vormundschaft der westlichen Mächte geschaffen. Wenngleich im internationalen Vergleich relativ klein, konnte die Bourgeoisie der griechischen Diaspora durch Ausnutzung inner-imperialistischer Rivalitäten und durch Einnahme einer vermittelnden Rolle zwischen den Zentren der Metropolen und der Kolonien beachtliche Finanzressourcen lukrieren, von denen einige ins Mutterland Griechenland flossen. Doch angesichts ihres kosmopolitischen und merkantilen Charakters wie auch aufgrund der Schwäche der heimischen Bourgeoisie trugen diese Ressourcen zur Bildung eines kopflastigen Staats und eines parasitären tertiären, mit dem Handels- und Finanzkapital verzahnten Sektors bei anstatt Industrie und Landwirtschaft zu entwickeln. Sowohl die autochthone wie die Diasporabourgeoisie konnten angesichts ihrer Position in der internationalen Arbeitsteilung ihren merkantilen Charakter nicht abschütteln. So konnten sie keinen wirksamen Beitrag zur Industrialisierung Griechenlands leisten.”[43]

 

 

 

II.3 Exkurs: Griechischer Chauvinismus und die Frage Mazedoniens

 

 

 

Die Eroberung des Ägäischen Mazedoniens ist besonders wichtig, denn es war kein Gebiet mit überwiegend griechischer Bevölkerung (siehe Karte 2).

 

 

 

Karte 2: Das historische Mazedonien und die heutigen Staatsgrenzen [44]

 


 

 

 

Während die genauen Zahlen zur ethnischen Zusammensetzung des Ägäischen Mazedonien vor der Annexion durch Griechenland höchst umstritten sind, ist es unzweifelhaft, dass die Region eine gemischte, multinationale und multireligiöse Bevölkerung hatte. Ebenso kann auch problemlos gezeigt werden, dass große Teile des südlichen Mazedoniens, d.h. der Region, die Griechenland 1913 annektierte, nicht vorwiegend von Griechen bewohnt war (siehe Karten 3 und 4 im Vergleich zu den geografischen Gebieten des in Karte 2 gezeigten Ägäischen Mazedonien)

 

 

 

Karte 3: Ethnische Zusammensetzung am Südbalkan [45]

 

 

 


Karte
4: Ethnische Zusammensetzung am Südbalkan [46]

 

 

 


 

 

 

Gemäß einer osmanischen Volkszählung Gesamtmazedoniens von 1906 lebten in der Provinz 1.150.000 Muslime, 627.000 Bulgarisch Orthodoxe und 623.000 Griechisch Orthodoxe. Auch wenn alle Griechisch Orthodoxen Griechen gewesen wären, was unwahrscheinlich ist, wären sie eine klare Minderheit gewesen. Andererseits waren Muslimen nicht nur Türken, denn ein hoher Anteil waren muslimische Slawen. [47]

 

Eine andere detaillierte Quelle zeigt folgende Zahlen für die ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung im Ägäischen Mazedonien vor den Balkankriegen: 326.426 Mazedonier, 40.921 muslimische Mazedonier (Pomaken), 289.973 Türken, 4240 christliche Türken, 240.019 Griechen, 13.753 muslimische Griechen, 5.584 muslimische Albaner, 3.291 christliche Albaner, 45.457 Walachen, 3500 muslimische Walachen, 59.560 Juden, 29.803 Roma, 2112 Tscherkessen und 8.100 andere. [48]

 

Human Rights Watch liefert folgenden Bericht: “Vor dem Ersten Weltkrieg waren die Mazedonier die größte ethnische Gruppe im Ägäischen Mazedonien, doch zwischen 1913 und 1926 veränderten größere Verschiebungen in der Bevölkerung das demografische Bild der Region. Nach der Einverleibung der Region in den griechischen Staat 1913 zogen viele griechische Beamte, Lehrpersonen und Militärangehörige nach Norden und ließen sich dort nieder. Während der Zeit nach den Balkankriegen verließen tausende Mazedonier und SerbInnen freiwillig das griechische Mazedonien nach Bulgarien; die Minderheitenrechtegruppe schätzt die Zahl auf etwa 15.000. Nach dem griechisch-bulgarischen Übereinkommen vom November 1919 verließen zwischen 52.000 und 72.000 weitere Slawen das Land in Richtung Bulgarien. Parallel dazu ließen sich hunderttausende Griechen aus der Türkei, aus Bulgarien und Vardar-Mazedonien in Nordgriechenland nieder, die Schätzungen reichen von 500.000 bis 618.000. So veränderte sich der ethnische Charakter des Ägäischen Mazedoniens enorm; Mazedonier wurden zu einer nummerischen Minderheit und die Zahl der Menschen im Ägäischen Mazedonien, die eine eher griechische als eine mazedonische Nationalidentität hatten, nahm bedeutend zu.[49]

 

Sogar die griechischen Historiker Koliopoulos und Veremis müssen berichten, dass von 160.000 in Thessaloniki, der Hauptstadt des Ägäischen Mazedonien, lebenden Personen “50.000 Balkanchristen (vorwiegend Griechen), 61.500 Juden und 45.000 Muslims (waren), während der Rest Westeuropäer waren sowie Personen aus verschiedenen anderen Nationalitäten.[50] Mit anderen Worten, während die griechischen Autoren (verdächtigerweise) behaupten, dass die meisten “Balkanchristen” Griechen waren, müssen sie dennoch zugeben, dass sie nur 31% der Bevölkerung Thessalonikis bildeten.

 

Sofort nach der Besatzung begann die griechische Regierung, die Mazedonier systematisch zu vertreiben. Zur selben Zeit siedelten sie ethnische Griechen in dieser Region an, um die ethnische Zusammensetzung zu ihren Gunsten zu verändern.

 

Koliopoulos und Veremis berichten: “Zwischen dem Ende der Balkankriege und dem Beginn des Ersten Weltkriegs siedelten etwa 130.000 Griechen in Mazedonien, 20.000 auf den Ägäischen Inseln und 30.000 am griechischen Festland. In der gleichen Periode nahm die Türkei etwa 122.665 muslimische Flüchtlinge auf.[51]

 

Die Griechen “brannten Kukus, das Zentrum der bulgarischen Politik und Kultur, nieder, ebenso Serres und Drama. Bulgarisch (einschließlich der mazedonischen Dialekte) war verboten und sein heimlicher Gebrauch wurde, sobald entdeckt, lächerlich gemacht oder bestraft.[52]

 

Teil dieser “Hellenisierungspropaganda” ist die Politik, eine spezifisch (slawisch) mazedonische Identität zu verleugnen. (Dasselbe gilt übrigens für serbische und bulgarische Chauvinisten). Mazedonier wurden üblicherweise als “Bulgaren” bezeichne. Bis heute leugnet die griechische Regierung die Existenz einer mazedonischen Minderheit in Nordgriechenland und zeigt eine Politik erzwungener Assimilation gegen die slawisch-sprachigen Einwohnern des griechischen Mazedoniens. Nach 1913 wurden alle slawischen Personen- und Ortsnamen hellenisiert und jeder Hinweis auf slawische Bildung wurde zerstört.

 

Eine mazedonische Nation tauchte im späteren 19. Jahrhundert auf und kämpfte viele Jahrzehnte um Unabhängigkeit – am bekanntesten im Ilinden-Aufstand von 1903. Die Avantgardeorganisation des mazedonischen nationalen Befreiungskampfs war die kleinbürgerliche nationalistische Vatreshna Makedonska Revolyutsionna Organizatsiya (VMRO, Heimatliche Mazedonische Revolutionäre Organisation), die für ein autonomes Mazedonien als Teil einer Balkanföderation kämpfte. Die VRMO spaltete sich in den 1920ern und ein Flügel nahm enge Verbindungen mit der Kommunistischen Internationale auf.

 

Kurz, die griechische Regierung unternahm einen massiven und brutalen Feldzug, um das Ägäische Mazedonien so weit wie möglich ethnisch von allen nicht-griechischen Völkern zu säubern und es durch Ansiedlung griechischer Flüchtlinge in dieser Region zu “hellenisieren”. Zehntausende flohen nach der Annexion des Ägäischen Mazedonien durch Griechenland 1913 nach Bulgarien. Nach dem Ersten Weltkrieg flüchteten weitere 220.000 aus dem Ägäischen Mazedonien und Thrakien nach Bulgarien. In den 1920ern weitere 66.000 MazedonierInnen. Trotz dieses Feldzugs der ethnischen Säuberung lebten nach offiziellen griechischen Zahlen 1925 noch 162.500 Mazedonier im Ägäischen Mazedonien. [53]

 

In den 1920ern setzte die Regierung ihre Politik der “Hellenisierung” des Ägäischen Mazedonien fort und vertrieb weitere Mazedonier. “Mitte der 1920er vertrieb Griechenland etwa 53.000 Bulgaren aus dem griechischen Thrakien und Mazedonien, um Platz für 638.000 griechische Flüchtlinge von den Ufern Kleinasiens schaffen. Von nun an bestanden 89% der Bevölkerung des griechischen Mazedoniens aus Griechen, während das griechische Thrakien tatsächlich von Bulgaren gesäubert war.”[54]

 

Wir sehen also, dass die griechische herrschende Klasse allmählich in ihrem chauvinistischen Programm der Vertreibung der ursprünglichen slawischen Bevölkerung Erfolg hatte. In den 1920ern vertrieb sie auch die muslimischen griechischen Vallahaden aus dem westlichen Teil des Ägäischen Mazedonien. Folglich lebt heute der Großteil der heimischen muslimischen Minderheit Griechenlands (d.h. ohne die kürzlich angekommenen muslimischen Migranten) in der griechischen Region Thrakiens. Seit den 1920er Jahren wurden etwa 250.000 Muslime gezwungen, Westthrakien zu verlassen. [55] Etwa die Hälfte der verbleibenden 110.000 der einheimischen muslimischen Minderheit sind ethnisch türkischen Ursprungs, davon 35% Pomaken und 15% Roma.

 

Schließlich vertrieb die griechische herrschende Klasse in einer weiteren Welle Mazedonier im Gefolge der konterrevolutionären Niederlage der griechischen KommunistInnen im Bürgerkrieg von 1946-49. Koliopoulos und Veremis berichten, dass 1947 zwischen 200.000 und 300.000 Menschen aus dem Land flohen und schließlich 1949 über 700.000 Griechenland verlassen hatten. Das waren fast 10% der Bevölkerung Griechenlands. Darunter waren viele Mazedoniern, wegen ihrer überdurchschnittlich großen Unterstützung für den kommunistischen Aufstand. [56]

 

Die brutale Unterdrückung und die Politik der erzwungenen Assimilation der Mazedonier dauert bis heute an. Der griechische Staat erkennt sie nicht als offizielle Minderheit an. Mazedonische AktivistInnen wie auch solche aus der extremeren Linken, die die mazedonische Frage erheben, sind wiederholt verfolgt und inhaftiert worden.

 

Wegen ihrer Unterdrückung hat die Zahl der Mazedonier drastisch abgenommen. Es gibt stark unterschiedliche Berichte über die aktuelle Zahl der Mazedonier in Nordgriechenland. Die griechischen Behörden erteilen keine Auskunft. Laut US-Außenministerium gibt es zwischen 20.000 und 50.000 mazedonisch-sprechende Menschen in Nordgriechenland. Die von der Republik Mazedonien angegebenen Zahlen liegen zwischen 230.000 und 270.000 für das Jahr 1993. [57]

 

Der reaktionäre Charakter des griechischen Chauvinismus ging sogar so weit, dass sich Athen weigerte, den Namen der Republik Mazedonien, die nach dem Zusammenbruch Jugoslawiens 1991 entstanden ist, anzuerkennen. Unter der erznationalistischen Losung “Mazedonien ist griechisch” mobilisierten fast alle politischen Parteien, die Medien, die orthodoxe Kirche usw. zwei Kampagnen 1992 und 1994 mit hunderttausenden Teilnehmern. [58] Weiters verweigert Athen der Mazedonischen Republik die Verwendung des Sterns von Vergina in ihrer offiziellen Flagge (und die mazedonische Regierung musste tatsächlich nachgeben und ihre offizielle Flagge 1995 verändern). Griechenland errichtete Mitte der 1990er sogar ein Embargo gegen die Republik Mazedonien.

 

Als Ergebnis kämpfen mazedonische Organisationen weiterhin gegen die Unterdrückung. “Mazedonische Menschenrechtsgruppen wollen von der griechischen Regierung die Anerkennung der Existenz einer mazedonischen Minderheit in Griechenland. Sie arbeiten daran, die Diskriminierung der Mazedonier in Griechenland auf den Gebieten des Bildungswesens und der Beschäftigung wie auch im gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben zu beseitigen. Sie wollen, dass Mazedonier in Griechenland das Recht haben, Gottesdienste auf Mazedonisch zu zelebrieren, ihre Bildung in der Primar- und Sekundarstufe mazedonisch zu absolvieren, Zeitungen auf Mazedonisch zu veröffentlichen und Radio und Fernsehsendungen auf Mazedonisch auszustrahlen. Sie wollen auch das Recht auf mazedonische Kulturorganisationen wie das Zentrum für mazedonische Kultur, das 1984 in Florina gegründet wurde. Vier Entscheidungen des griechischen Gerichts haben die Gewährung der gesetzlichen Anerkennung des Zentrums für mazedonische Kultur verweigert mit der Begründung, dass dessen Absicht darin liegt, den Gedanken der Existenz einer mazedonischen Minderheit in Griechenland zu verbreiten, was den nationalen Interessen Griechenlands entgegensteht und daher illegal ist.[59]

 

 

 

II.4 Griechenland als rückständiges kapitalistisches Land zwischen den beiden Weltkriegen

 

 

 

Die Periode zwischen den beiden Weltkriegen brachte einige wichtige Veränderungen für den griechischen Kapitalismus. Der Zustrom von 1,5 Millionen griechischen Flüchtlingen – in ein Land, das davor eine Gesamtbevölkerung von 5,5 Millionen hatte – hatte gewaltige Auswirkungen. Er verschaffte den griechischen Kapitalisten eine neue Quelle billiger Arbeit. Viele dieser Flüchtlinge waren gut ausgebildet, waren in Kleinasien und Ostthrakien, ihrer früheren Heimat, Akademiker, Händler, Industriearbeiter usw. gewesen.

 

Außerdem kamen viele Menschen vom Land in die Städte. Großathen (unter Einschluss der nahen Hafenstadt Piräus) wuchs von 453.000 (1920) auf 1.123.109 (1940) Einwohner. In derselben Zeit wuchs die Bevölkerung Thessalonikis von 174.390 auf 278.145 Einwohner.

 

Das Angebot billiger, ausgebildeter Arbeitskräfte und der Niedergang des traditionellen Handels regte die erste bedeutsame Kapitalakkumulation in der Produktion an. Investitionen in arbeitsintensive Bereiche wurden getätigt: Textil, Leder, Lebensmittelverarbeitung, Schiffsreparaturen, Druck. Gleichzeitig machte der Staat die ersten systematischen Versuche, die Produktion über Einführung protektionistischer Maßnahmen zu fördern (z.B. Einführung von Zollgebühren, Kontrolle der Handelstransaktionen). Folglich entstand ein kleines Industrieproletariat. 1928 waren 15% der Arbeitskräfte im Industriebereich beschäftigt. Alles in allem wuchs die industrielle Arbeiterklasse von 35.500 (1917) auf 140.000 (1938).

 

Die Regierung erstellte auch ein Programm der Agrarreform, das zu einer Neuverteilung von 35% des fruchtbaren Landes auf 305.000 Familien führte. Große Landbesitzer wurden enteignet und ihr Land aufgeteilt. Diese Großgrundbesitzer wurden vollständig entschädigt und dank dieser Zahlungen oftmals zu Kapitalisten. Ihre Entschädigung wurde zu 1/3 vom Staat und zu 2/3 von den Bauern, die dieses Land erhielten, bezahlt. Letztere mussten ihre Schulden den früheren Landbesitzenden binnen 30 Jahren abbezahlen – eine Summe, die ihre bereits vorhandenen hohen Schulden noch mehr erhöhten. Da ihre Grundstücke so klein waren, fristeten diese Bauernfamilien ein ärmliches Leben.

 

Trotz dieser Entwicklungen blieb Griechenland im Vergleich mit anderen europäischen kapitalistischen Ländern ein rückständiges Land. Landwirtschaft blieb der bei Weitem dominante Sektor hinsichtlich Ertrag, Beschäftigung und Export. 1928 waren immer noch 68% der Beschäftigten in der Landwirtschaft. Industriebetriebe waren meist klein, d.h. Handwerk und Kunstgewerbe. [60] 1930 beschäftigten 93,2% der Produktionsbetriebe weniger als fünf Personen. [61]

 

Griechenland war nicht im Stande, den Status eines vorwiegend abhängigen halbkolonialen Landes zu überwinden. Fremdkapital dominierte die griechische Ökonomie nicht nur über Darlehen, sondern auch direkt. 1929 waren von 131 Versicherungsgesellschaften nur 15 in griechischer Hand! 75-80% des griechischen Tabakhandels, eines der wichtigsten Exportgüter des Landes, wurden von ausländischen Kapitalisten kontrolliert. [62]

 

Das Land steckte in einer permanenten wirtschaftlichen Krise. Jahr um Jahr betrug das Handelsdefizit mindestens 50%. Ein Viertel des nationalen Einkommens wurde jährlich zur Begleichung dieser Schulden ausgegeben; weitere 20% gingen an das Militär und 14% wurden für die Aufrechterhaltung der Regierungsbürokratie verwendet. Die bereits hohen Steuern wurden massiv erhöht. Die Lebenshaltungskosten stiegen sprunghaft. Die Kapitalisten luden die volle Last von Militärdesastern, Auslandsdarlehen und die Erhaltung des riesigen Militärapparates auf die Schultern der bereits überlasteten und verarmten Massen. [63]

 

Die Massen blieben arm und die Arbeitslosigkeit sehr hoch. Wenig überraschend setzte sich die griechische Migration fort und mit Ende 1932 betrug die Gesamtzahl der Migranten aus Griechenland in die USA 445.122. [64] Die griechischen Behörden begünstigten Emigration als Mittel dafür, die Zahlungsbilanz der heimischen Ökonomie durch Überweisungen in die Heimat zu verbessern.

 

Das Wachstum eines Industrieproletariats, die Diskreditierung des Regimes nach der Niederlage in Kleinasien und das Beispiel der Sowjetunion führten zu einer Verschärfung des Klassenkampfs, zum Wachstum der Gewerkschaften und der Verbreitung kommunistischer Ideen. Etwa ein Viertel der ArbeiterInnen war Mitglied der Gewerkschaften und etwa 4/5 in solchen unter dem direkten Einfluss der Kommunistischen Partei.

 

Mit dem Bankrott der Megáli Idéa und der erreichten Vereinigung aller Griechen in einem einzigen Staat verlor der griechische Nationalismus jeden fortschrittlichen Gehalt. Im Licht der Annexion von Gebieten mit nicht-griechischen Minderheiten (hauptsächlich slawische Mazedonier und muslimische Türken) wurde Griechenland ein Land, das seine nationalen Minderheiten unterdrückte.

 

Das Ergebnis dieser wirtschaftlichen und politischen Widersprüche war ein fortwährender Status der politischen Krise. Zwischen 1920 und dem Metaxas-Regime 1936 löste ein politisches Regime das nächste ab. Die bürgerlichen Parteien waren unfähig, ihre Unterstützung in den Massen in bedeutsamem Ausmaß zu festigen. Als Ergebnis trat nun die griechische Armee als Regulator des politischen Lebens auf. Kaum ein Jahr verging ohne tatsächlichen oder drohenden Putsch.

 

Diese Periode endete mit den schwarzen Jahren der Diktatur Metaxa und der Besatzung durch den deutschen Imperialismus. Diese Jahre verursachten verheerende Zerstörungen für Griechenland, den Raub seines Vermögens durch die Nazis und den Verlust vieler Leben. (Etwa 550.000 Personen, 8% der griechischen Bevölkerung, starben in den Jahren der Besatzung zwischen 1940 und 1944). Die Industrieproduktion fiel auf 1/3 des Niveaus vor dem Krieg und die meisten Straßen und Schienenstrecken wurden zerstört. Am Ende der deutschen Besatzung waren die Reallöhne auf geschätzte 6% ihres Vorkriegswerts gefallen. [65]

 

Die Jahre des Bürgerkriegs von 1946-49, als die griechischen ArbeiterInnen und armen BäuerInnen der britischen Besatzung und dem Machtaufstieg der diskreditierten reaktionären Monarchie und der Militärkamarilla Widerstand leisteten, allerdings wegen des Verrats der stalinistischen Führung verloren, erschöpften das Land noch mehr. (Der Bürgerkrieg forderte weitere 158.000 Leben.)

 

Die Vierte Internationale fasste den Zustand Griechenlands genau zusammen: “Griechenland gehört zweifelsohne zu den rückständigsten und ärmsten Ländern Europas. Seit über einem Jahrhundert ist es zum Status einer Halbkolonie der europäischen Großmächte verdammt. Ausländische Könige wurden dem griechischen Volk auferlegt und sie haben ihre unterdrückerische Herrschaft zu Gunsten der ausländischen Banken und der kleinen Clique griechischer Kapitalisten und Landbesitzenden ausgeübt. Das griechische Volk wurde in schreckliche Armut getrieben. Das durchschnittliche griechische Pro-Kopf-Einkommen beträgt 17% des durchschnittlichen britischen Einkommens. Der Reichtum des Landes wurde von westlichen Banken und den griechischen Kapitalisten abgeschöpft. Für die Massen blieb wenig über.[66]

 

 

 

II.5 Der widersprüchliche Modernisierungsprozess nach dem Ende des Bürgerkriegs bis zum EU-Beitritt

 

 

 

Nach dem Ende des Bürgerkriegs war Griechenland nach fast einem Jahrzehnt Besatzung, Krieg und Herrschaft durch eine reaktionäre Clique korrupter Politiker um den diskreditierten König erschöpft. Das Land blieb vom westlichen Imperialismus massiv abhängig, obwohl jetzt die USA Britannien als dominante Macht abgelöst hatten. Das Land wurde zu einem Außenposten gegen den Sowjetblock und in die NATO integriert.

 

Angesichts der konterrevolutionären Übereinkunft durch das Abkommen des westlichen Imperialismus und der Sowjetbürokratie (das sogenannte Yalta-Abkommen), das die revolutionären Entwicklungen von 1943-48 befriedete und liquidierte, erfuhr der Weltkapitalismus eine lange Boomperiode, die bis in die späten 1960er und frühen 1970er Jahre anhielt. Vor diesem Hintergrund des globalen Wachstums der Produktivkräfte durchliefen fast alle Länder einen Industrialisierungs- und Modernisierungsprozess. So auch Griechenland.

 

Der Imperialismus hatte ein besonderes Interesse daran, das griechische Regime in dieser Periode zu stabilisieren, denn hier war einer seiner Außenposten im Kalten Krieg. Griechenland erhielt also riesige Summen aus den USA, die dem Regime erlaubten, seine Herrschaft zu stabilisieren. Laut dem griechischen Historiker Giannes Koliopoulos “betrug die amerikanische Hilfe zwischen 1947 und 1957 etwa die Hälfte der staatlichen Investitionsausgaben.”[67]

 

Die Fülle des US-Kapitals und die relative Stabilität des von einem pro-amerikanischen Regime geführten Griechenlands schufen die Vorbedingungen für einen Anstieg bei den Auslandsinvestitionen und in Verbindung damit für weitere Industrialisierung.

 

Griechenland erlebte daher in den 1950ern und 1960er Jahren eine Periode raschen Wachstums. Die durchschnittliche Wachstumsrate 1950-73 (6,21%) lag über der durchschnittlichen Rate für Westeuropa (4,08%), wie in Tabelle 7 ersichtlich ist.

 

Die Rolle der Industrie wuchs und so stellten 1961 die Industriearbeiter 17% der Beschäftigten.

 

Doch diese Industrieinvestitionen hatten ein paar besondere Merkmale. Erstens gab es lange Zeit relativ wenige Investition in den Kernbereich der kapitalistischen Wertschöpfung – die Produktion. Der griechische Soziologe Valia Aranitou schreibt:

 

Das Hauptbereich der erweiterten Reproduktion des Kleinbürgertums war ursprünglich der Baubereich. Bezeichnend dafür ist die Tatsache, dass der Großteil der Investitionen – phasenweise von bis zu 35% (v.a. in den 1950-60er Jahren) – in den Baubereich ging, während in derselben Zeit der Produktionsbereich nur 2,1% erreichte. Das ‘Wirtschaftswunder’ des Nachkriegsgriechenland fand hier statt.”[68]

 

Während die Investitionen in die Produktion später anstiegen – Mitte der 1960er ging fast ein Drittel der industriellen Neuinvestitionen in den Halbfertigprodukten- und Investitionsgütersektoren –, entwickelte sich anders als in anderen Teilen Südeuropas keine maschinelle Metallindustrie zur Vorantreibung der Vollindustrialisierung.

 

Zweitens führte Industrieinvestition nur in geringem Ausmaß zur Modernisierung des Rests der Wirtschaft. Große Industrieunternehmen blieben das, was Nicos Mouzelis damals “kapitalintensive Enklaven” in einem klassisch unterentwickelten Land nannte.

 

Drittens blieb die Gesamtproduktion kapitalistischer Wertschöpfung weiter stark abhängig vom ausländischen imperialistischen Kapital, wenngleich sich eine neue industrielle griechische Bourgeoisie bildete. Ausländische Kapitalinvestitionen waren der entscheidende Faktor des Wirtschaftswachstums im Boom der 1960er und frühen 1970er. Laut Nicos Poulantzas, einem griechischen eurokommunistischen Theoretiker, waren die griechischen Ableger der imperialistischen multinationalen Konzerne für etwa 45% des Wachstums in der Industrieproduktion verantwortlich. Seine Beschreibung dieses Prozesses als “abhängige Industrialisierung” ist daher ziemlich zutreffend. [69]

 

Bis 1966 machten Auslandsinvestitionen fast 50% der gesamten Industrieinvestition aus. Laut Efharis Skrevelis “repräsentierten 1978 Unternehmen unter ausschließlich ausländischer Führung oder mit einem überwiegenden Anteil ausländischen Kapitals weniger als 1% der Gesamtzahl der Unternehmen mit mehr als 25 MitarbeiterInnen. Doch sie repräsentierten 39,5% des Gesamtinvestitionsvolumens in diesen Branchen (Chemie, Petrochemie, Metall, Schiffsbau und Elektroartikel; Red.)”[70]

 

Es blieben trotz dieses Industrialisierungsprozesses große Bereiche der griechischen Wirtschaft rückständig und dominiert von kleinbürgerlicher oder klein-kapitalistischer Produktionsweise. Der zuvor erwähnte Wert für 1930 (93,2% der Produktionsbetriebe beschäftigten weniger als fünf Personen) hatte sich 1958 nur wenig verändert (84,9%). [71] 1980 waren die meisten als “Industriebetrieb” registrierten Unternehmen immer noch Familienbetriebe, oft Handwerksbetriebe, in denen Besitzer und Familienmitglieder selbstständig arbeiteten. Von 128.000 Unternehmen beschäftigten 109.000 bis zu vier Personen (85,2%) und weitere 10.500 beschäftigen bis zu zehn Personen (d.h. 93,4% aller Industrieunternehmen beschäftigten bis zu zehn Personen). [72] 1976 gab es nur 80 Unternehmen, die mehr als 500 Beschäftigte hatten.

 

Viele dieser Industriebetriebe waren eigentlich nicht “industriell” im engeren Sinne, sondern eher Handwerksbetriebe. 1963 nutzten nur 41,7% der Industriebetriebe Maschinen in irgendeiner Form! [73]

 

Analog waren 1961 85,5% aller Agrareinheiten kleiner als 10 Hektar (dieser Wert enthüllt nebenbei den extrem langsamen Prozess der Kapitalkonzentration in Griechenlands Landwirtschaft - 1929 waren 95,4% aller Agrareinheiten kleiner als 10 Hektar). [74] 1961 waren immer noch 56% aller Arbeitskräfte insgesamt in der Landwirtschaft beschäftigt. Alles in allem hatte Griechenland die ausgeprägteste Landaufsplitterung in kleine Güter in ganz Europa. [75]

 

Ein weiteres Anzeichen für die Rückständigkeit des Landes, nun auf gesellschaftlicher Ebene, war das Fortbestehen des Analphabetismus. 1971 konnten 14,8% der Bevölkerung über 10 Jahren nicht lesen und schreiben. [76]

 

Seit Mitte der 1970er spielten Industrieinvestitionen keine dynamische Rolle mehr in der griechischen Wirtschaft und durchliefen sogar einen ständigen und fortschreitenden Abstieg.

 

Griechenlands chronische Rückständigkeit wie auch die politische Unterdrückung nach der Niederschlagung der Kommunisten im Bürgerkrieg (1945-49) sowie die Periode der Militärdiktatur (1967-74) setzten eine neue massive Migrationswelle in Gang. Diese Welle dauerte fast zwanzig Jahre lang, mit Beginn in den 1950er Jahren bis in die Mitte der 1970er Jahre. Schätzungsweise 1,2 Millionen verließen Griechenland und gingen nach Nordamerika, Australien und Westeuropa. Laut offiziellen Statistiken migrierten zwischen 1955 und 1973 603.000 Griechen nach Deutschland, 170.700 nach Australien, 124.000 in die Vereinigten Staaten und 80.200 nach Kanada. [77]

 

Die folgende Beobachtung des sozialistischen Theoretikers James Petras kann daher nur bestätigt werden: “Wenn sich die Form der griechischen Wirtschaft und Gesellschaft nichtsdestotrotz dennoch in den späten 1950ern und 1960ern zu ändern begann, so kam der Anstoß dazu in überwältigendem Ausmaß aus den industriellen Kernländern Westeuropas. Einerseits stellten Dörfer und Städte mit ihren Arbeitslosen und Unterbeschäftigten bis zu einem Zehntel der Bevölkerung – und beträchtlich mehr unter jenen im Erwerbsalter -, sodass sich viele Griechen den Türken und Jugoslawen im Migrationszug nach München und darüber hinaus anschlossen und mit ihren Überweisungen dazu beitrug, in Griechenland selbst Nachfrage nach den Exportprodukten vom Fließband im Norden zu schaffen. Andererseits initiierte das Auslandskapital eine bedeutsame Verlagerung weg von der traditionellen Industrie hin zum kapitalintensiven Chemie- und Metallsektor herbei.” [78]

 

Der aufgeblasene Staatsapparat spielte weiterhin eine zentrale Rolle für den griechischen Kapitalismus der Nachkriegszeit. In den Jahren 1954-63 wurden 33,4% der Bruttokapitalinvestitionen vom Staat geleistet. [79] Außerdem spielte der Staat eine vorherrschende Rolle im Bankensektor. Auch steigerte sich der Anteil der Investitionen durch öffentliche Betriebe an der Bruttoanlagekapitalbildung von 27,7% (1975) auf 42,6% (1985).

 

Ein weiterer Grund für die Aufblähung des Staatsapparats war die Notwendigkeit der herrschenden Klasse, eine große stehende Armee von 160.000 Mann aufrechtzuerhalten, sowohl um die heimische ArbeiterInnenklasse unter Kontrolle zu halten wie auch Griechenlands Verpflichtungen als NATO-Mitglied zu erfüllen.

 

Das Ergebnis dieser Entwicklungen war, dass nach Nicos Mouzelis “eine sehr enge Kollaboration zwischen dem griechischen Staat und dem Auslandskapital (bestand, Red.), eine Partnerschaft, in der das Auslandskapital die dominante Position einnahm.[80]

 

In diesem Zusammenhang ist es wichtig daran zu erinnern, dass in dieser Periode wichtige Veränderungen innerhalb des imperialistischen Lagers stattgefunden haben. Während die USA die hegemoniale imperialistische Macht blieb, sank ihr Einfluss, während jener der westeuropäischen imperialistischen Mächte entsprechend wuchs und sich dem der USA im Lauf der Bildung dessen, was später die Europäische Union genannt werden sollte, annäherte. Das brachte die griechische Regierung dazu, die Mitgliedschaft in der EG/EU anzustreben, ein Prozess, der 1981 abgeschlossen wurde.

 

Alles in allem war Griechenland auch in dieser Periode nicht im Stande, seine grundlegenden strukturellen Schwächen zu überwinden und blieb eine abhängige entwickelte Halbkolonie. Nicos Mouzelis streicht die Ähnlichkeiten zwischen der Entwicklung des griechischen Kapitalismus und den entwickelten Halbkolonien in Lateinamerika (wie Argentinien oder Chile) pointiert heraus. Er fasst dies folgenderweise zusammen:

 

Trotz seiner beeindruckenden Wachstumsraten während der 1960er und 1970er Jahre ähnelt das griechische Modell der Kapitalakkumulation sehr dem der lateinamerikanischen Länder, die zur selben Zeit eine auslandskapitalgesteuerte Form der Industrialisierung erlebten. In dieser Hinsicht sollen folgende Punkte festgehalten werden.

 

1) Griechenland erlebte in den 1960er Jahren hauptsächlich aufgrund von Auslandskapital (das sich auf Schlüsselbereiche der Wirtschaft wie Metallurgie und Chemie orientierte) ein beachtliches Industriewachstum. Das zeigte sich nicht nur durch die rasche Ausweitung des Produktionssektors, sondern auch durch eine eindeutige Verlagerung von der Produktion leichter Verbrauchsgüter hin zu Kapitalgütern und Gebrauchsgütern sowie einen deutlichen Anstieg der Industrieexporte.

 

2) Wie in vielen anderen Ländern an den kapitalistischen Randgebieten interagierte diese ‘späte’, auslandskapitalgesteuerte Industrialisierung mit dem Rest der Wirtschaft in der Art, dass ernsthafte Störungen und Engpässe entstanden. Sowohl in Industrie wie in der Landwirtschaft setzt sich die Kleinwarenproduktion in bedeutenden Bereichen durch, deren Verbindungen mit dem ‘modernen’ Industriesektor eindeutig negativ sind. Eines der offensichtlichsten Merkmale der griechischen Industrie ist das Bestehen der kleinen, wenig produktiven Einheiten, Seite an Seite mit großen kapitalistischen Firmen, die den Markt dominieren. Diese kleinen Einheiten bleiben im Ganzen gesehen unspezialisiert, höchst ineffizient und ständig an der Grenze zwischen nacktem Überleben und Bankrott.”[81]

 

Zusammenfassend erfuhr Griechenland in den Nachkriegsjahren bis in die 1970er Jahre einen Prozess der Modernisierung und Industrialisierung. Zum ersten Mal entstand eine beachtliche heimische Industrie. Griechische Schiffsmagnaten, eine kosmopolitische Schicht, die oft im Ausland lebt und nur bis zu einem bestimmten Grad Teil der nationalen herrschenden Klasse ist, lenkten einiges an Investitionen in die griechische Industrie. Doch Griechenland blieb wirtschaftlich und politisch vom westlichen Imperialismus abhängig. Seine Wirtschaft wurde weiterhin von kleinen Unternehmen dominiert, unter den Großbetrieben spielten ausländische Gesellschaften eine entscheidende Rolle und ein beträchtlicher Teil der öffentlichen Ausgaben wurde durch Auslandsdarlehen finanziert. Griechenland war von Anfang an NATO-Mitglied und seine Regime, v.a. seine Armee, war de facto Kuli des US-Imperialismus.

 

 

 

II.6 Exkurs: die griechischen Schiffseigentümer – eine halbe Diaspora-Bourgeoisie

 

 

 

In diesem Abschnitt soll die Auseinandersetzung mit den besonderen Merkmalen eines Schlüsselbereichs der griechischen Bourgeoisie erfolgen, den Schiffsmagnaten. Ihre bedeutsame Rolle in der griechischen Bourgeoisie wird durch die Tatsache unterstrichen, dass die Schifffahrt heute 7% zum griechischen BIP beiträgt. [82]

 

Wie bereits oben erwähnt begann die griechische Bourgeoisie als handel-betreibende kapitalistische Klasse und blieb das für lange Zeit. Diese Händlerklasse lebte in großem Ausmaß außerhalb des griechischen Staats. Das bedeutete nicht, dass sie von Griechenland abgetrennt war oder dass sie nicht bedeutenden Einfluss gehabt hätte. Wie Nicos Mouzelis schreibt:

 

Natürlich stimmt es, dass im 19. Jahrhundert die autochthone Handelsklasse recht schwach war. Doch ihr Äquivalent im Ausland, die griechischen Händler und Schiffseigentümer in der Diaspora, mit ihrer beachtlichen Finanzkraft, beeinflusste die Bildung der meisten Institutionen im Griechenland des 19. Jahrhunderts. Tatsächlich ist es keine Übertreibung zu sagen, dass das Wesen und die Entwicklung der griechischen Gesellschaft nicht zu verstehen sind ohne die Handelsgemeinden, die sowohl in den Kolonialzentren (Alexandria, Kairo, Khartum etc.), in den größeren Hauptstädten des Europas des 19. Jahrhunderts wie auch in Konstantinopel und Kleinasien blühten. Zum Beispiel kann das ‘aufgeblasene’ Bildungssystem Griechenlands nicht verstanden werden (Griechenland hat im Verhältnis zu seiner Bevölkerung eine der höchsten Akademikerraten weltweit) ohne Bezug auf die Bourgeoisie in der Diaspora.”[83]

 

In vergangenen Jahrhunderten spielten die griechischen Schiffseigentümer eine zentrale Rolle im internationalen Seefahrtswesen. Während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden sie zur dominanten Kraft in dieser globalen Branche und haben ihre Position bis heute gehalten. Ihr Anteil weltweit, der 1947 bei kaum 1% lag, explodiert bis 1970 auf 12% und stieg 2000 auf 17,4% an. [84] Der Aufstieg der griechischen Schiffseigentümer kann auch in Abbildung 1 gesehen werden, die zeigt, wie sie im Vergleich zu ihren Hauptkonkurrenten Japan, Britannien und Norwegen an die Spitze gelangten.

 

 

 

Abbildung 1: Wachstum der größten Flotten, 1949–93 [85]

 

 

 

 

 

 

 

Wie erwähnt sind die griechischen Schiffseigentümer ein wichtiger, aber eigentümlicher Sektor der griechischen Bourgeoisie. Historisch waren sie eine kosmopolitische Schicht, die oft im Ausland lebte – im 20. Jahrhundert meist in New York und London. Sie waren Händler, investierten aber kaum in die Produktion. Wie es der griechische sozialistische Ökonom Mihalis Malios treffend formulierte: “Griechische Magnaten sind als große Reeder bekannt, nicht als große Industrielle.”

 

Folglich sind die Hauptquartiere der griechischen Schifffahrtsunternehmen – v.a. der größeren Konzerne – oft nicht in Griechenland beheimatet, sondern in diesen Städten im Ausland. In Tabelle 3 ist ersichtlich, dass 1914 62% der griechischen Reedereien ihren Standort in Griechenland (Piräus) hatten und der Rest im Ausland lag. Während der griechische Anteil 1938 auf 96% stieg, fiel er 1958 auf nur 18%. Zu dieser Zeit waren 45% der Hauptstandorte in London und weitere 73% in New York. 1975 befanden sich nur noch 34% der Standorte in Piräus, doch 1990 wuchs ihr Anteil auf 66%.

 

 

 

Tabelle 3: Hauptstandorte griechischer Reedereien 1914-90 (Prozentsatz der Schiffstonnage) [86]

 

Hauptstandorte                                    1914                      1938                      1958                      1975                      1990

 

Piräus                                                  62%                       96%                       18%                       34%                       66%

 

London                                                9%                          1%                          45%                       39%                       22%

 

Konstantinopel                                 14%                                                                                                          

 

NewYork                                                                                                    37%                       18%                       7%

 

Andere                                                 15%                       3%                                                      9%                         5%

 

 

 

Es war und ist typisch für griechische Schiffseigentümer, einen großen Anteil ihrer Schiffe unter billiger Flagge, d.h. unter ausländischer Flagge, fahren zu lassen. Während der zweiten Hälfte der 1940er und 1950er Jahre wurden 80-90% der liberischen Flotte und 45% der panamaischen Flotte von Griechen geführt. Auch heute fährt die große Mehrheit der griechischen Schiffe weiterhin unter ausländischer Flagge (siehe Abbildungen 2 und 3)

 

 

 

Abbildung 2: Griechische Schiffsflotte unter griechischer und nicht-griechischer Flagge, 1972-2000 (in Bruttotonnage [Millionen]) [87]

 


 

 

 

Abbildung 3: Griechische Schiffsflotte unter griechischer und nicht-griechischer Flagge, 1996-2006 [88]

 

 

 


 

 

 

Im griechischen Schifffahrtswesen hat es einige Veränderungen gegeben, als eine Reihe der Reeder des Landes seit den 1970ern aufgrund des in diesem Jahrzehnt einsetzenden Abflauens der Weltwirtschaft wichtige Bereiche ihres Geschäfts nach Griechenland verlagerten. Der griechische sozialistische Akademiker Michalis Spourdalakis schrieb: “Das griechische Reedereikapital, das in der Nachkriegszeit eine herausragende Position in der weltweiten Seetransportindustrie genoss, erreichte seine Grenzen, sowohl wegen des entstehenden Protektionismus wie auch wegen der Weltwirtschaftsrezession. Daher lag eine Politik, die eine stärker wettbewerbs- und exportorientierte Ressourcen- und Produktionsindustrie in Griechenland förderte, in seinem Interesse. Eine derartige Wirtschaftsausrichtung würde zumindest eine Basis für die Kompensation der im Ausland verlorenen Märkte hervorbringen wie auch neue Gelegenheiten für die Anhäufung der Gewinne eröffnen.” [89]

 

Doch bestimmte grundlegende Züge der griechischen Reedereien als Kernbereich der Bourgeoisie sind gleich geblieben.

 

Erstens lebten wie erwähnt viele griechische Reedereifamilien im Ausland. Zu einem gewissen Grad hat sich das verändert. Ioannis Theotokas und Gelina Harlaftis berichten in einer Studie, die sie über griechische Reedereifamilien geführt haben:

 

Wenn in der ersten Periode das Unternehmertum der griechischen Schiffseigentümer im internationalen Umfeld der Faktor für den griechischen Erfolg war, so ist in der letzten Periode das Umfeld, das sich in Piräus für die Reederei entwickelt hat, der Antrieb für Erneuerung und Aufstieg. Wo in den ersten drei Jahrzehnten nach dem Krieg die ‘traditionellen’ Reedereifamilien wegzogen und im Ausland lebten, sammelte sich in den letzten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts das griechische Business in Piräus und das maritime Unternehmertum wurde erneuert und expandiert, die Standorte sind nun fest in Griechenland verankert.”

 

Nichtsdestotrotz bleiben die Schiffseigentümer zu einem hohen Grad ein Sektor der Bourgeoisie, dessen Verbindungen mit der nationalen griechischen Wirtschaft begrenzt sind: “Griechische Schiffseigentümer sind bis heute ein Beispiel für die Kontinuität der griechischen unternehmerischen Diaspora, die abhängig von den Notwendigkeiten des Seehandels und der Schifffahrt operierte. Viele Familien lebten nie in Griechenland. Und doch halten sie nach zwei oder drei Generationen, die sie in London oder New York lebten, an ihrer griechischen Identität fest und betrachten ihren Wohnort als temporär, stets bereit fortzugehen und sich im nächsten Wirtschaftszentrum anzusiedeln, wenn der Familienbetrieb es erfordert. [90]

 

So bleiben die griechischen Schiffseigentümer eine halbe Diaspora-Bourgeoisie und sind nur bis zu einem bestimmten Grad (oder auf besondere Weise) Teil der nationalen herrschenden Klasse.

 

Zweitens, wie bereits erwähnt, sind die griechischen Schiffseigentümer eine handelnde und keine produzierende Klasse. Griechenland hat lange Zeit keine bedeutsame Rolle im Schiffsbau gespielt und nahezu keine Schiffe im letzten Jahrzehnt produziert.

 

Der heutige Schiffsbaumarkt wird völlig von China, Südkorea und Japan dominiert. Bei der Untersuchung der Statistiken zum weltweiten Schiffsbau in den Jahren 2003-2014 erweist sich Griechenlands Anteil in allen relevanten Kategorien (“Neubestellungen”, “Fertigstellungen” und “Auftragsbuch am Jahresende”) als buchstäblich bei 0% liegend![91]

 

Es ist nur logisch, dass George Gratsos, Präsident der Hellenischen Reedereikammer, über den Mangel im Schiffsbau in Griechenland klagt. Kürzlich meinte er: “Der Schiffsbau ist heute sehr eingeschränkt. Nur kleine Betriebsstätten bauen für lokale Zwecke. Frachtschiffe können in Griechenland nicht ökonomisch hergestellt werden. (…) Griechenland muss wieder in den Schiffsbau und die Schiffsreparatur mit einem neuen, wettbewerbsfähigen gesetzlichen und betriebswirtschaftlichen Rahmenwerk einsteigen.” [92]

 

Drittens zeigt sich Griechenlands Schwäche als kapitalistisches Land wie auch der kosmopolitische Semi-Diaspora-Charakter bedeutender Teile der griechischen Bourgeoisie in der traditionellen Abhängigkeit der Reedereien von Auslandsdarlehen. In der gesamten Geschichte des modernen griechischen Reedereiwesens war das so. Zu den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg berichten Ioannis Theotokas und Gelina Harlaftis:

 

Die amerikanische Regierung unterstützte mittels ihrer Finanzinstitutionen explizit die steigende Verwendung der Billigflaggen in der unmittelbaren Nachkriegszeit; die meisten griechischen Reedereien, die Schiffe auf Kredit von amerikanischen Banken kauften, wurden ‘gedrängt’, unter Billigflagge zu fahren (…) Die ökonomischen und politischen Strukturen Griechenlands bedeuteten, dass die Regierungen nach 1951 die Macht der griechischen Seefahrergewerkschaften schwächen, aber keine finanzielle Unterstützung für die stetig wachsende Handelsflotte bereitstellen konnten. Auf diese Weise wurde der Gebrauch der Billigflagge durch griechische Handelsflotten sichergestellt. [93]

 

Heute ist das griechische Kapital noch immer nicht in der Lage, die von den Reedereien benötigten Mittel bereit zu stellen. 2005 konnten griechische Banken nur etwa 1/5 der Darlehen für die griechische Schiffereiindustrie finanzieren, während 4/5 von ausländischen Banken kamen (s. Abbildung 4)

 

 

 

Abbildung 4: Bankdarlehen für griechische Reedereien 2001-05 [94]

 

 

 


 

 

 

Gleichzeitig sind die griechischen Schiffseigentümer hoch verschuldet. Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts betrugen ihre Schulden zusammengenommen etwa 50 Milliarden US-Dollar. [95]

 

Viertens waren griechische Reedereien angesichts des Wesens des Seehandels immer abhängig von der Sicherheit, die die Großmächte gewähren konnten. Aus all diesen Gründen waren auch die griechischen Schiffseigentümer – der wirtschaftlich potenteste Teil der griechischen Bourgeoisie – immer eng an die imperialistische Bourgeoisie der Großmächte (v.a. Britannien und die USA; seit Neuerem auch und zunehmend China) gebunden. Die griechische Bourgeoisie als Ganzes hat einen besonders stark unterwürfigen Charakter, d.h. sie vermeidet jede Konfrontation mit dem Imperialismus und dient loyal den Großmächten als lokaler Handlanger.

 

Der Erfolg der griechischen Reedereien nach dem Zweiten Weltkrieg beruhte vollkommen darauf, auf den US-Imperialismus, der ihre Dienste in Anspruch nehmen würde, vorbereitet gewesen zu sein. Wieder Ioannis Theotokas und Gelina Harlaftis:

 

Die hohen Arbeitskosten, die die US-Schiffe nicht wettbewerbsfähig sein ließen, und die Notwendigkeit, aus strategischen und politischen Gründen Kontrolle über einen großen Teil der weltweiten Handelsflotte zu haben, führte die US-Politik im Schifffahrtsbereich dazu, den Gebrauch von Billigflaggen zu unterstützen. Die Annahme solcher Flaggen durch US-kontrollierte Ölgesellschaften und unabhängige Eigentümer bedeutete, dass mächtige Lobbys errichtet wurden, um den fortgesetzten Gebrauch sicherzustellen. Während der späteren 1940er und der 1950er Jahre wurden 80-90% der liberischen Flotte und 45% der panamaischen Flotte von Griechen geführt (…) Ein Teil des Erfolgs der griechischen Schiffseigentümer in den unmittelbaren Nachkriegsjahren beruhte auf ihrer Entscheidung, die USA, die weltführende Wirtschaftsmacht (doch eine schwache Kraft auf See), zu ihrem Haupthandelspartner zu machen, wie sie es früher in kleinerem Maßstab mit Großbritannien gehandhabt hatten. Das war der Vorteil der nicht ortsfesten Händler und herumziehenden Eigentümer: indem sie eher dem internationalen Handel als den Bedürfnissen einer einzelnen Nation dienten, konnten sie sich Veränderungen in den internationalen Gegebenheiten anpassen. Für ihren Teil dienten die griechischen Eigentümer den USA sehr gut: Amerika brauchte eine billige Flotte, die sie kontrollieren konnte, etwas das sie mit den Griechen über Kredite und Billigflaggen erreichten. Die Tatsache, dass Griechenland die einzige traditionelle europäische Seenation war, die derart umfassenden Vorteil aus den Billigflaggen während der Nachkriegszeit zog, mag nicht nur den Entscheidungen der US-Politik zugeschrieben werden, sondern auch den inneren Strukturen des Landes. (…) Abgesehen von der finanziellen Unterstützung ermöglichten die USA Zugang zu größeren Ölgesellschaften und Zutritt zum Tankermarkt.” [96]

 

Das besondere und widersprüchliche Wesen der griechischen Reedereien als wichtiger Sektor der griechischen Bourgeoisie verwirrt viele SozialistInnen, für die die dominante Position der griechischen Schiffseigentümer im weltweiten Seehandel ein Argument für den imperialistischen Klassencharakter der griechischen Bourgeoisie und damit Griechenlands insgesamt zu sein scheint. [97] Wir glauben, dass solch eine Annahme völlig fehlgeleitet ist. Erstens, wie schon herausgearbeitet, haben die griechischen Schiffseigentümer als Kernsektor in der griechischen Bourgeoisie historisch einen Charakterzug der Semi-Diaspora. Das bedeutet, dass, neben vielen anderen Dingen, sie immer ausreichend starke Bindungen an den griechischen Staat hatten, um seine Politik zu beeinflussen, seine Politiker zu korrumpieren etc. Andererseits waren die Verbindungen mit Griechenland nicht ausreichend stark, als sie gewesen wären, wenn sie ihr Vermögen in bedeutendem Ausmaß in Kapitalakkumulation innerhalb des Landes investiert hätten. Als Ergebnis war die griechische Wirtschaft immer schwach, rückständig und abhängig. Daher konnte die wirtschaftliche Macht der griechischen Reedereien, ungeachtet aller nötigen Beschränkungen dieser Macht, die wir herausgearbeitet haben, nicht in eine allgemeine ökonomische Macht für Griechenland als Ganzes transformiert werden. Folglich konnte Griechenland für sich keinen imperialistischen Charakter bilden.

 

Diese besondere Diaspora-Natur der griechischen Bourgeoisie ist auch der zentrale Grund, warum der griechische Staatsapparat immer so überproportional groß in der griechischen Gesellschaft und Wirtschaft war, wie Nicos Mouzelis beobachtete. [98]

 

Wie erwähnt gab es seit den 1970er Jahren einige Veränderungen und manche der griechischen Reedereien haben ihre Standorte nach Griechenland verlegt. Das führt zur Frage, ob diese Entwicklungen Auswirkung auf den Klassencharakter Griechenlands haben und ob es in den letzten drei Jahrzehnten eine kleinere imperialistische Macht wurde. Wir glauben, dass das nicht der Fall ist. Es bestätigt vielmehr unsere Thesen über den halbkolonialen Charakter Griechenlands, wie weiter unten dargelegt wird.

 

Wie in dieser Schrift erläutert, begann der Niedergang der griechischen Wirtschaft Ende der 1970er Jahre – nach einer Periode raschen Wachstums in den 1950ern und 1960er Jahren. Ihre Kapitalakkumulation im Industriebereich stagnierte mit dem Ergebnis, dass heute die Kluft zwischen Griechenland und der Europäischen Union hinsichtlich Produktivität und Lebensstandard keineswegs kleiner ist als zuvor. Trotz aller Bemühungen der Bourgeoisie konnte Griechenland nicht aus seiner Position am Ende der Liste der alten kapitalistischen Länder Europas ausbrechen. Das zeigt klar, dass die griechischen Reedereien keine ausreichend mächtige Klasse waren, um den Status Griechenlands der Abhängigkeit abzuschütteln, auch wenn sie einen bedeutenden Anteil ihres Kapitals in die heimische Wirtschaft lenkten. Weiters zeigt es, dass die griechischen Schiffseigentümer eine wohlhabende, aber parasitäre Handelsklasse sind, keine imperialistische monopolkapitalistische Klasse.

 

Wir wollen auch festhalten, dass es nicht überraschend wäre, wenn heute in Reaktion auf den wirtschaftlichen Zusammenbruch “ihres” Landes bedeutende Teile der griechischen Bourgeoisie das Land wieder verlassen und sich in London und New York ansiedeln würden. Das würde am deutlichsten den “patriotischen” Charakter der Bourgeoisie enthüllen!

 

Zusammenfassend sind die griechischen Schiffseigentümer zweifelsohne ein mächtiger Sektor in dieser globalen Branche und ein Kernbereich der griechischen Bourgeoisie. Gerade die Tatsache, dass dieser Bereich die mächtigste Fraktion der griechischen Bourgeoisie ist, zeigt das abhängige und halbkoloniale Wesen Griechenlands. Die Schiffseigentümer können ihr Geschäft nicht mit den Mitteln der heimischen Finanzressourcen finanzieren, sondern müssen hauptsächlich auf Auslandsdarlehen zurückgreifen. Zu bedeutenden Teilen leben sie im Ausland. Sie beschränken ihre Aktivitäten auf den Handel und können keine Schiffe bauen, d.h. ihr Geschäft ist höchst abhängig von den imperialistischen Monopolen, für die sie die Waren transportieren. Schließlich sind sie von den Großmächten abhängig, die die maritimen Handelsrouten sichern. Kurz, sie sind die Bourgeoisie eines halbkolonialen Landes, nicht eines imperialistischen.

 

 


III. Griechenlands gescheiterter Versuch, eine imperialistische Regionalmacht zu werden

 

 

 

Bisher wurde geschildert, wie Griechenland seit Erlangung seiner Unabhängigkeit ein kapitalistisch rückständiges Land war, wirtschaftlich und politisch vollkommen abhängig von imperialistischen Mächten – mit einigen speziellen Merkmalen wie den griechischen Reederei-Kapitalisten in der Diaspora. Deshalb charakterisieren wir Griechenland als entwickelte Halbkolonie mit besonderen Merkmalen.

 

Zwischen dem Beginn und dem Ende der 1980er Jahre fanden zwei wichtige Ereignisse historischen Ausmaßes für die griechische Bourgeoisie statt: der Beitritt zur EU und der Niedergang des Stalinismus am Balkan. Diese Ereignisse schufen eine historische Gelegenheit für die griechische Bourgeoisie, ihren abhängigen halbkolonialen Status zu überwinden und eine imperialistische Regionalmacht zu werden.

 

 

 

III.1 EU-Beitritt und die 1980er Jahre

 

 

 

Griechenland trat der Europäischen Union im Jahr 1981 bei. Das war das Ergebnis der wachsenden Rolle des westeuropäischen Imperialismus und des relativen Abstiegs der USA. Die griechische Bourgeoisie hatte gehofft, dass mit dem EU-Beitritt der abhängige Status des Landes überwunden und es in eine kleinere imperialistische Macht umgewandelt werden könnte. Die griechischen marxistischen Intellektuellen Stavros Mavroudeas und Dimitris Paitaridis bezeichneten dieses Projekt treffend als die neue Megáli Idéa der griechischen kapitalistischen Klasse. [99]

 

Griechenlands Beitritt zur EU beschleunigte den Modernisierungsprozess ein wenig, gleichzeitig erhöhte er die Abhängigkeit des Landes vom imperialistischen Monopolkapital und erweiterte noch mehr die Kluft in der Entwicklung der Produktivkräfte zwischen sich und den imperialistischen Ländern der EU.

 

Das zeigt sich in vielen Kennzahlen. Wie in Tabelle 4 ersichtlich wuchs Griechenlands BIP in den 1980er Jahren nur um 0,7% verglichen mit 2,4% vor der Zeit der EU-12. [100] Sein BIP pro Kopf sank sogar durchschnittlich um 0,3% verglichen mit einem durchschnittlichen Wachstum von 1,7% vor der Beitritt zur EU. Und auch die industrielle Produktion wuchs weniger (1,0%) als zuvor (1,6%).

 

 

 

Tabelle 4: Griechenlands Wirtschaft verglichen mit den EU-12, 1981-1990 (jährliche Durchschnittswerte) [101]

 

                                                                                                                                              Griechenland                      EU-12

 

Bruttoinlandsprodukt zum Marktpreis des Jahres 2000                                                  0.7                          2.4

 

Bruttoinlandsprodukt zum Marktpreis des Jahres 2000 je beschäftigter Person     -0.3                        1.7

 

Industrieproduktion; Bauwesen ausgenommen                                                                 1.0                          1.6

 

 

 

Die Produktion als Anteil des BIP sank von 25,3% (1973) auf 20,1% (1983) und 16,8% (1993). Diese Entwicklung wurde durch das Fehlen von Kapitalakkumulation verursacht, weil die Kapitalisten des Landes nicht genügend Profit im Bereich der Wertproduktion machten.

 

Es ist gerade die Entwicklung der Profitrate, die für unser Verständnis der längerfristigen Entwicklung der Wirtschaft eines Landes wie auch der Weltwirtschaft wesentlich ist. Als MarxistInnen suchen wir die zugrundeliegende Ursache für die Entwicklung des Kapitalismus weder im Finanz- oder Spekulationsbereich noch beim Konsum oder im Handel, sondern im Produktionsbereich, d.h. in jenem Bereich, in dem kapitalistischer Wert geschaffen wird. Wie bereits wiederholt in dieser Broschüre betont zeichnete sich aus historischen Gründen der griechische Kapitalismus traditionell durch eine chronische strukturelle Schwäche in der Kapitalakkumulation aus, die in eine entstellte Industrialisierung und Abhängigkeit von imperialistischen Monopolen mündete. Die grundlegende Ursache der kapitalistischen Krise wurzelt im inneren Widerspruch der abhängigen Produktion Griechenlands, sprich der Dynamik der Mehrwertrate im Verhältnis zum investierten Gesamtkapital, d.h. in der Entwicklung der Profitrate.

 

Wie Marx im Kapital Band III herausgearbeitet hat, heißt das grundlegend, dass auf lange Sicht der Anteil des Mehrwerts kleiner wird im Verhältnis zur Gesamtheit des in die Produktion investierten Kapitals (Maschinen, Rohmaterial usw. wie auch die den ArbeiterInnen gezahlten Löhne). Daher wird der Mehrwert, der potenziell zur Kapitalvermehrung verwendet werden kann, immer weniger. Das führt unausweichlich zu Störungen und Krisen, wie wir es seit den frühen 1970er Jahren und besonders seit dem Beginn der historischen Periode mit dem Ausbruch der kapitalistischen Krise 2008 erleben. Eine Reihe marxistischer Ökonomen haben zur historischen Tendenz des Falls der Profitrate gearbeitet und in einer Menge Publikationen gezeigt, dass dies die Ursache des Niedergangs der Weltwirtschaft ist.[102]

 

Das gilt auch für Griechenland. Der griechische marxistische Ökonom Dimitri Papadimitriou berechnete, dass die Profitrate zwischen 1958 und 1977 um fast 30% fiel, während sowohl die Mehrwertrate als auch die organische Zusammensetzung des Kapitals anstiegen. [103] (siehe Abbildung 5)

 

 

 

Abbildung 5: Griechenland: Mehrwertrate (RSV), Organische Zusammensetzung des Kapitals (OCC) und Profitrate (r) 1958-1977 [104]

 

 

 

 

 

 

 

So fiel das Nettoanlagekapital, ein Gradmesser dafür, wie viel Anlagevermögen nach Abzug des Wertverlusts bestehender Posten in die Wirtschaft investiert wurde, in den 1980er Jahren jährlich durchschnittlich um 0,17%, während es in den 1970ern durchschnittlich um 16% gewachsen war. Mit anderen Worten gab es in den 1980ern einfach keine größere Kapitalvermehrung in Griechenland.

 

Diese Entwicklung ging Hand in Hand mit einem bedeutenden Anstieg der Arbeitslosigkeit und einem Sinken der Reallöhne der ArbeiterInnenklasse. Die Arbeitslosigkeit stieg von 2,7% 1980 auf 6,7% 1989. 1993 stand sie bereits bei 10%. 1980 lag der durchschnittliche Lebensstandard in Griechenland um 7% unter dem ihrer europäischen KollegInnen; 1989 hatte sich der Unterschied auf 24% erhöht! [105]

 

In den 1980er Jahren musste die griechische Regierung, geführt von der bürgerlichen linkspopulistischen PASOK wiederholt mit staatskapitalistischen Maßnahmen wie Verstaatlichung bankrotter Unternehmen intervenieren, um politische und soziale Unruhen zu verhindern. [106]

 

Die Staatsschulden erhöhten sich daher von 22,3% des BIP in den 1980ern auf 64,2% 1989. Gegen diesen Rückschlag musste die griechische Regierung noch mehr Darlehen von den imperialistischen Banken aufnehmen. In nur fünf Jahren, zwischen 1981 und 1986, stiegen Griechenlands Auslandsschulden um mehr als das Doppelte von 7,9 Milliarden Dollar auf 17 Milliarden. Folglich betrugen diese 45% des BIP und die Zinszahlungen machten fast ein Viertel der Exporterträge aus. [107]

 

Stavros D. Mavroudeas, ein griechischer sozialistischer Ökonom, fasst die Auswirkungen von Griechenlands EU-Beitritt wie folgt zusammen:

 

Eine der ernsthaftesten Auswirkungen der Krise war die Schwächung der griechischen Industrie, was einen nachhaltig negativen Einfluss auf Griechenlands Position in der internationalen Arbeitsteilung und seine Zahlungsbilanz hatte. Sie hatte auch langfristig negative Effekte auf die innere Struktur des griechischen Kapitalismus. Die Öffnung der Wirtschaft verschlechterte auf mehreren Gebieten die Position des griechischen Kapitals. Es ist bezeichnend, dass 85% der Verschlechterung der Wettbewerbsposition in den Schlüsselbereichen der griechischen Industrie auf die Konkurrenzschwächung gegenüber der EU und nur zu 15% auf jene gegen andere Länder zurückzuführen ist. (…) Es wurde gezeigt, dass es seit 1985 einen Anstieg in den tatsächlichen Arbeitszeiten gibt, der sich immer mehr erhöhte. Dies - gepaart mit den Reallohnerhöhungen, die hinter der Produktivität zurückstanden – verstärkt den Prozess der Auspressung des absoluten Mehrwerts gerade im Fall Griechenlands. Das wird durch die Tatsache bekräftigt, dass – wie von Carchedi betont – die europäische Integration die weniger entwickelten Länder zwingt, die Auspressung des absoluten Mehrwerts zu steigern.”[108]

 

Er schlussfolgert: “Zusammenfassend demontierte der Anschluss des griechischen Kapitalismus an die europäische Integration seine bis dahin zusammenhängende und konkurrenzfähige Produktionsstruktur, ohne sie durch eine ebenso gute oder erfolgreichere zu ersetzen. Im Gegenteil wurde die griechische Wirtschaft in hohem Ausmaß ein Anhängsel seiner nordeuropäischen Partner. [109]

 

Kurz, der griechische EU-Beitritt förderte eine abhängige und verzerrte Form der Modernisierung, die den halbkolonialen Status Griechenlands eher noch steigerte.

 

 

 

III.2 Kapitalistische Restauration am Balkan nach 1989 und griechische Kapitalexpansion

 

 

 

Die griechische Bourgeoisie erhielt noch eine weitere Chance, ihren rückständigen und untergeordneten Status zu überwinden. Der Sturz der stalinistischen Bürokratie im früheren Sowjetblock und die folgende Restauration des Kapitalismus bot eine unglaubliche Gelegenheit für griechische Kapitalisten. Sie eröffnete ihnen Ökonomien, die noch rückständiger und ärmer waren als ihre eigene und in denen daher griechische Kapitalisten eine hegemoniale Rolle spielen konnten. Außerdem konnte die griechische Bourgeoisie von der Migrationswelle aus den Balkanländern nach Griechenland profitieren, denn sie konnte die MigrantInnen als billige Arbeitskräfte ausbeuten. Diese Entwicklungen werden hier im Detail untersucht.

 

Traditionell tätigte Griechenland kaum Investitionen ins Ausland. Laut einer Studie von drei griechischen Akademikern “gab es bis zur Öffnung der Wirtschaften des Balkans Anfang der 1990er weniger als 10 griechische Unternehmen, die ins Ausland investierten.” [110]

 

An diesem Punkt ist auch festzuhalten, dass Griechenland im internationalen Vergleich nur eine kleine Rolle im globalen Monopolkapital innehatte. Noch im Jahr 1990 erhielt Griechenland verglichen mit anderen europäischen Ländern relativ wenige Investitionen aus dem Ausland. Laut einer Studie über Auslandsinvestitionen in Europa um 1990 erhielt Griechenland nur 1% aller Auslandsinvestitionen, die kamen aus Deutschland und den Niederlanden. In allen anderen größeren imperialistischen Ländern lag Griechenlands Anteil an deren Auslandsinvestitionen bei 0%! [111]

 

Mit der kapitalistischen Restauration begann jedenfalls Griechenlands Bourgeoisie, ihren Handel mit den Balkanländern zu steigern und wurde bald ein wichtiger Handelspartner für diese Länder. Außerdem begann sie ins Ausland zu investieren, v.a. in die benachbarten Balkanländer. In den 1990er Jahren wurden eher kleine Summen ins Ausland investiert. [112] Das ist auch an Abbildung 6 und 7 ersichtlich, in denen die Summe der griechischen Direktinvestitionen ins Ausland mit den Auslandsinvestitionen, die in Griechenland investiert wurden, verglichen wird. Griechenlands Auslandsinvestitionen waren im Vergleich zu Auslandsinvestitionen, die ins Land getätigt wurden, vernachlässigbar.

 

 

 

Abbildung 6: Auslandsdirektinvestitionen, 1990, 1995 und 2000 (Milliarden Dollars) [113]

 

 

 


 

 

 

Abbildung 7: Auslandsdirektinvestitionen als Prozentsatz des BIP, 1990-2000 [114]

 

 

 

 

 

 

 

Griechenland konnte dennoch zu einem dominanten Faktor in kleinen und armen Balkanländern wie Albanien und Mazedonien werden. 1999 war Griechenland in Mazedonien mit 34,5% Anteil an den gesamten ins Land getätigten Auslandsdirektinvestitionen bereits der größte Auslandsinvestor. [115]

 

In größeren Balkanländern wie Bulgarien blieben griechische Kapitalisten in den 1990ern eher kleine Auslandsinvestoren. Dort war Griechenland 1995 nur der achtgrößte Investor mit einem Anteil von 3,6% und 1999 der neuntgrößte mit 3,13%. [116]

 

Mit dem neuen Jahrtausend tätigten jedoch die griechischen Kapitalisten größere Auslandsinvestitionen. Mit der Zeit wurden sie in verschiedenen südlichen Balkanländern wichtige und sogar hegemoniale Auslandsinvestoren. Gemäß offiziellen Quellen wurden vor dem Beginn der Großen Rezession 2008 griechische Auslandsdirektinvestitionen in die Balkanländern auf ca. 7,2 Milliarden Dollar geschätzt. Davon wurde ein Drittel in Serbien investiert, ein Drittel in Rumänien und das verbleibende Drittel in Bulgarien, Albanien und die Republik Mazedonien. [117]

 

Griechenland war um 2000 herum der erste unter den Auslandsinvestoren in Albanien, der Republik Mazedonien und in Serbien, der drittgrößte in Rumänien und der viertgrößte in Bulgarien:

 

In Albanien ist Griechenland verantwortlich für 40% des investierten Auslandskapitals, was fast 550 Millionen Euro ausmacht und es wird geschätzt, dass fast 270 Unternehmen mit griechischer Beteiligung im Land ihren Sitz haben. In der Republik Mazedonien war Griechenland immer der Hauptinvestor mit einem Gesamtinvestitionskapital von über einer Milliarde Euro. Griechenland ist gegenwärtig (2009) auch Hauptinvestor in Serbien, da griechische Unternehmen fast 2,5 Milliarden Euro über 120 Firmen in ausschließlich griechischer Hand und über weitere 150 Joint-Ventures investiert haben. Griechenland ist auch der drittgrößte Investor in Rumänien mit 4.500 griechischen Firmen und einem Investitionskapital von insgesamt 3,1 Milliarden Euro. In Bulgarien nimmt Griechenland mit investiertem Kapital in Höhe von fast 2,2 Milliarden Euro den vierten Platz ein. Außerdem halten griechische Banken 26% des Gesamtvermögens des bulgarischen Bankensektors.”[118]

 

Ein anderer Autor übermittelt davon leicht abweichende Zahlen. Er meint, dass im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts Griechenland “der zweitgrößte Auslandsinvestor in Albanien und der drittgrößte in Bulgarien war. Griechenland ist der wichtigste Handelspartner der Republik Mazedonien. Es gehört zu den wichtigsten Investoren sowohl hinsichtlich des investierten Kapitals wie auch der Anzahl der investierenden Gruppen. In Rumänien lag Griechenland an achter Stelle hinsichtlich des investierten Kapitals und an vierter hinsichtlich der gegründeten Unternehmen.”[119]

 

2009 war Griechenland für 6% aller Auslandsdirektinvestitionen in die Balkanländer (außer Albanien) verantwortlich. Die höchsten Anteile lagen in Mazedonien (13%) und Serbien (10%). Griechische Auslandsdirektinvestitionen machten 41% der Gesamtinvestitionssumme nach Albanien aus. Das zeigt, dass Griechenland ein wichtiger Auslandsinvestor ist, doch der Anteil an den Auslandsdirektinvestitionen in die Balkanländer insgesamt beträgt weniger als 1/3 von dem Österreichs (der 19% ausmacht). (Siehe auch Abbildung 8)

 

Das griechische Kapital spielt trotzdem eine wichtige Rolle im Bankenbereich: “Von den griechischen Auslandszweiggesellschaften gehören vier zu den zehn Top-Banken in Bulgarien, drei zu den zehn Top-Banken in Serbien und zwei zu den zehn Top-Banken in Rumänien. Griechische Banken vereinen etwa 28% des Bankvermögens in Bulgarien auf sich, in Mazedonien etwa ein Viertel und in Rumänien und in Serbien jeweils etwa ein Sechstel.” [120]

 

Laut OECD waren Griechenlands Banken in der Wirtschaftskrise in Osteuropa seit 2008 schwer betroffen. “Darlehen aus Griechenland an diese Länder, hauptsächlich über die Zweigniederlassungen, liegen bei etwa 53 Milliarden Euro, d.h. 13% ihres Vermögens. Mit 17% des BIP ist das mit vielen anderen Ländern sehr vergleichbar, wenngleich wesentlich niedriger als in Österreich oder Belgien. Etwa 85% dieser Darlehen konzentrieren sich auf Bulgarien, Rumänien und die Türkei. Während griechische Banken in der Türkei einen relativ geringen Marktanteil haben (weniger als 5% des Vermögens), gehören sie in Rumänien und Bulgarien zu den größten ausländischen Kreditgebern. [121] (Siehe auch Abbildung 8)

 

 

 

Abbildung 8: Niederlassung des Bankenbereichs in Mittel und Südosteuropa [122]

 

 

 

 

 

Damit ist klar, dass das griechische Kapital in den 1990er Jahren und Anfang des 21. Jahrhunderts in einigen südlichen Balkanländern eine bedeutendere Rolle bei den Auslandsinvestitionen erlangen konnte. Daraus konnte es beträchtliche Extraprofite erziehlen.

 

Mit Beginn der Krise 2008 geriet das griechische Kapital unter massiven Druck. Es wurde für griechische Unternehmer immer schwieriger, neue Darlehen zu erhalten und folglich sanken auch ihre Auslandsinvestitionen.

 

Zum Beispiel flossen allein in den ersten neun Monaten des Jahres 2009 über 70 Millionen Euro griechischen Kapitals aus Mazedonien ab, gemeinsam mit ihren griechischen Besitzern der Kommunikationsunternehmen, die das Land verließen.“[123]

 

Griechenlands Anteil an den Auslandsdirektinvestitionen in Albanien halbierte sich: „Makroanalysen ergeben, dass die griechische Krise sich in niedrigeren Auslandsdirektinvestitionen in Albanien als üblich auswirkten – sie fielen von 53% des Gesamt-BIP 2006 auf 27% im Jahr 2011 - , was sich angesichts der gegenwärtigen Ereignisse in Griechenland noch verschlechtern wird. (…) Außerdem ging der Handel zwischen Albanien und Griechenland in den letzten Jahren drastisch zurück.“ [124]

 

Ebenso verlor Griechenland seine dominante Position als Handelspartner. Beispielsweise war Griechenland viele Jahre Albaniens zweitgrößter Exportmarkt, heute nimmt es nur noch den fünften Platz ein.

 

Eine ähnliche Entwicklung fand in Bulgarien statt. Zwischen 2008 und 2014 schrumpften bulgarische Exporte nach Griechenland um 1,9%, doch in dieser Periode stiegen Bulgariens Exporte in die EU insgesamt um 50%. Das griechische Auslandsinvestment in Bulgarien sank zwischen 2008 und 2014 um 7,6%. [125] Mit 2010 war Griechenland nur der drittgrößte Auslandsinvestor in Bulgarien und in Serbien, wo es davor eine Zeit lang die Nummer eins gewesen war. [126]

 

Gemäß aktueller Daten hat Griechenland, das in Mazedonien lange Zeit der größte Auslandsinvestor gewesen war, auch hier seine Führungsposition verloren und ist nun hinter den Niederlanden und Österreich mit einem Anteil von 11,64% die Nummer drei. [127]

 

Seit Beginn der Krise haben griechische Banken begonnen, ihre Auslandsfilialen an ausländische oder lokale Banken zu verkaufen. “Zum Beispiel verkündete die ATE Bank Pläne, ihre Mehrheitsanteile an der ATE Bank Rumänien mit Ende 2012 zu verkaufen und den rumänischen Markt zu verlassen.”[128]

 

Zusammenfassend nutzte das griechische Kapital mit einer gewissen Verspätung die Gelegenheiten, die die kapitalistische Restauration nach 1989 in den Balkanländern bot. Es wurde ein wichtiger Auslandsinvestor in Albanien, Mazedonien, Serbien, Bulgarien und Rumänien und konnte bedeutende Extraprofite aus diesen Ländern abziehen. Doch Griechenlands Auslandsinvestition blieb viel kleiner als die von anderen Ländern in Griechenland getätigten Investitionen. Mit dem Beginn der Krise 2008 gingen Griechenlands Auslandsinvestitionen stark zurück. Später werden wir diskutieren, wie diese Entwicklungen im Lichte der Frage, ob Griechenland ein imperialistisches oder halbkoloniales Land ist, zu bewerten sind.

 

 

 

III.3 Steigende Migration nach 1989

 

 

 

Eine weitere wichtige Entwicklung seit dem Zusammenbruch des Stalinismus war die steigende Migration nach Griechenland. Davor gab es wenige MigrantInnen in Griechenland: 1991 waren 167.276 MigrantInnen in Griechenland. [129] Wie im ersten Kapitel im Zusammenhang mit unserer Diskussion zu theoretischen Aspekten geschildert gehören MigrantInnen in ihrer überwiegenden Mehrheit zu den unteren Schichten der ArbeiterInnenklasse. Sie werden national unterdrückt und wirtschaftlich überausgebeutet.

 

Nach Schätzungen stieg der Anteil der – legal wie illegal lebenden – MigrantInnen bis zum Jahr 2001 auf 7,3% der Gesamtbevölkerung. Gegen Ende des ersten Jahrzehnts in diesem Jahrhundert wird diese Zahl mit mehr als einer Million oder 9-10% der Bevölkerung angenommen. Der Anteil der MigrantInnen an der ArbeiterInnenklasse ist noch bedeutend höher als der an der Gesamtbevölkerung – er beträgt 20% der Arbeitskräfte. MigrantInnen aus Albanien machen mehr als die Hälfte aller MigrantInnen in Griechenland aus (57,5%). Die zweitgrößte Gruppe ist aus Bulgarien, gefolgt von Einwandern aus Georgien, Rumänien und Russland. [130]

 

In unserer Studie zur Migration haben wir gezeigt, dass MigrantInnen üblicherweise weniger als die einheimischen Werktätigen verdienen, auch bei gleicher Qualifikation. Das ist auch in Griechenland der Fall, wie in Tabelle 5 ersichtlich.

 

 

 

Tabelle 5: Griechenland: Löhne nach Kategorien der Werktätigen [131]

 

                                               Lohn                                     Sozialversicherungs-                       Auszahlungsmodus

 

                                                                                              beiträge

 

                                               täglich  monatlich            täglich  monatlich                            täglich  monatlich

 

Facharbeiter

 

Griechisch                          5.0          153.0                     1.8          52.0                                       -              10.0

 

Hilfsarbeiter

 

Griechisch                          4.3          112.3                     1.5          -                                              1.0          -

 

Legale Facharbeiter

 

Migranten                           4.6          137.5                     1.2          30.0                                       1.5          45.0

 

Legale Hilfsarbeiter

 

Migranten                           -              109.5                     -              -                                              2.0          62.5

 

Illegale Facharbeiter

 

Migranten                                           2.5          99.2                       -               -                                              1.5          40.0

 

Illegale Hilfsarbeiter

 

Migranten                                           3.5          125.0                     -               -                                              1.1          45.0

 

Quelle: Lianos et al (1996), CIDER Survey Phase I

 

 

 

In einer Studie 2005 schätzte die OECD, dass MigrantInnen wesentlich mehr Steuern und Sozialversicherungsbeiträge einzahlen, als sie in Form von Sozialleistungen etc. erhalten (ca. 1% des BIP). [132] Diese Entwicklung gleicht anderen Ländern wie Britannien oder Österreich, wie wir an anderer Stelle gezeigt haben. [133]

 

Ein weiterer Ausdruck der nationalen Unterdrückung von MigrantInnen – wie auch in anderen Ländern – ist die enorme Überrepräsentation von MigrantInnen unter den Gefängnisinsassen. Aufgrund von Griechenlands institutionalisiertem Rassismus sind MigrantInnen ein Ziel staatlicher Repression. Zwei griechische Akademiker, Leonidas K. Cheliotis und Sappho Xenakis, haben eine interessante Studie zu den Folgen der neoliberalen sozialen Katastrophe in Griechenland veröffentlicht und berichten Folgendes:

 

Zur Nationalität der verurteilten Gefangenen gibt es erst seit 1996 Aufzeichnungen. Von da an bis 2006 stiegen die jährlichen Fallzahlen nicht-griechischer Verurteilter um 140,5%, von 2.253 (oder 404 je 100.000 nicht-griechischer Einwohnern) auf 5.420 (oder 559 je 100.000 nicht-griechischer Einwohnern). Entsprechend stieg der Anteil von Nicht- Griechen an der Gesamtfallzahl der Verurteilten von 25,3% auf 41,1% - viermal höher als der geschätzte Anteil von Nicht- Griechen in der allgemeinen Landesbevölkerung. Hinsichtlich Niveau und Art der kriminellen Beteiligung von Nicht- Griechen bleibt vieles unbeantwortet, was die treibenden Kräfte hinter ihrer Überrepräsentation in der Gesamtfallzahl der verurteilten Gefangenen angeht. Zwischen 2000 und 2006 zum Beispiel lag die von der Polizei erfasste Rate nicht-griechischer Straftäter 1,6fach höher als die der Griechen, doch die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung zu Haft war für Nicht- Griechen 7,9mal höher als für Griechen. Im gleichen Zeitraum repräsentierten Nicht- Griechen durchschnittlich 43,2% der Gesamtfallzahl der wegen eines Drogendelikts verurteilten Straftäter, doch eine weitere Analyse der Polizeidaten zeigt, dass der Durchschnittsanteil von Nicht- Griechen bei den Drogendelikten nur bei 10,9% lag. Umgelegt auf eine Population von 100.000 lag im Verhältnis die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit von Nicht- Griechen, wegen eines Drogendelikts in Haft zu kommen, 9,4mal höher als für Griechen, doch die Polizeiberichte wiesen den Anteil nicht-griechischer Straftäter bei Drogendelikten nur um 1,5mal höher aus als bei Griechen.”[134]

 

Zusammenfassend gelang es dem griechischen Kapitalismus, eine beträchtliche Schicht von MigrantInnen anzuziehen, die den Unternehmern als überausgebeutete, untere Schicht der ArbeiterInnenklasse dient. Diese Schicht wurde durch die letzte Krise nicht reduziert und das wird auch kaum passieren, da die Kriege und Katastrophen im Nahen Osten sicherstellen, dass noch mehr Flüchtlinge aus Ländern mit noch schlechteren Lebensbedingungen kommen werden.

 

Damit zusammenhängend muss auch die wachsende Anzahl der in Griechenland ankommenden Flüchtlinge gesehen werden. Die meisten von ihnen fliehen vor schrecklichen Bürgerkriegen in Syrien, im Irak und in Afghanistan. Wenn sie in Griechenland ankommen, werden sie gewöhnlich in Abschiebelagern und Registrierzentren zusammengepfercht, wo sie unter entsetzlichen Bedingungen leben. Der griechische Staat und die EU-Bürokraten leisten nur wenig finanzielle Hilfe an die lokalen Behörden. Die Faschisten, die zu einer starken Kraft in Griechenland geworden sind, wie die wiederholten Erfolge der Nazi-Partei Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte) zeigen und die bei den letzten Wahlen die drittstärkste Liste wurde, greifen MigrantInnen und Flüchtlinge systematisch an (und töten sie immer wieder).

 

Schließlich gibt es nicht nur MigrantInnen, die nach Griechenland kommen, sondern auch – wie oben erwähnt – das seit Langem bestehende Phänomen der im Ausland lebenden griechischen MigrantInnen. Die Zahl der griechischen Diaspora schwankt zwischen drei und sieben Millionen Menschen.

 

Die Geldüberweisungen der MigrantInnen – die meisten von ihnen leben in den USA, Deutschland und Australien – nach Hause an die Familien bilden immer noch einen wesentlichen Beitrag zu Griechenlands Einkommen. Während die Überweisungen in den frühen 1970ern fast 4% betrugen, liegt die Summe 2001 immer noch bei 2,5% (siehe Abbildung 9).

 

 

 

Abbildung 9: Überweisungen der im Ausland lebenden griechischen Migranten als Prozentsatz des BIP [135]

 

 

 

 

 

 

 

Wie viele andere wirtschaftlich rückständige Länder hat auch Griechenland viele gut ausgebildete SpezialistInnen, wie etwa Ärzte, verloren, die ins Ausland gehen, um dort zu arbeiten. In Abbildung 10 ist zu sehen, dass Griechenland eine der höchsten Immigrations- und Auswanderungsraten unter den Ärzten aller OECD-Länder aufweist.

 

 

 

Abbildung 10: Immigrations- und Auswanderungsraten der Ärzte [136]

 

Prozent der Gesamtanzahl der Ärzte um 2000

 

 

 


 

 

 

III.4 Scheitern bei der Überwindung der Rückständigkeit und die Steigerung der Schulden an die imperialistischen Mächte

 

 

 

Versuchen wir nun eine allgemeine Einschätzung der Entwicklung des griechischen Kapitalismus zu geben sowie eine Analyse, ob es Griechenland gelungen ist, eine kleine imperialistische Regionalmacht zu werden. Es lässt sich dabei nicht vermeiden, auf einige Entwicklungen einzugehen, die in der nach 2008 begonnenen Periode der historischen Krise des griechischen Kapitalismus stattfanden. Doch alle Elemente, die zum Zusammenbruch des griechischen Kapitalismus zu diesem Zeitpunkt geführt haben, waren schon davor vorhanden und sind nicht plötzlich aus dem Nichts heraus entstanden.

 

In den vorangegangenen Kapiteln wurde dargelegt, dass Griechenland immer das ärmste der alten kapitalistischen Länder Europas war und immer noch ist – vielleicht mit Ausnahme Portugals (und unter Auslassung der ex-stalinistischen Staaten Osteuropas). In Tabelle 6 ist die historische Entwicklung von Griechenlands BIP pro Kopf zwischen 1820 und 1998 zu sehen – als Indikator für die Entwicklung der Produktivkräfte – im Vergleich zum Durchschnitt der westeuropäischen Staaten. Griechenland ist das ärmste Land mit einem Pro-Kopf-BIP von US$ 11.268 – weniger als Portugal, Spanien und Irland und etwa 63% des durchschnittlichen westeuropäischen Niveaus.

 

 

 

Tabelle 6: BIP pro Kopf (1990 international $) [137]

 

                                                               1820      1870      1913      1950       1973      1990      1998

 

Griechenland                                    666         913         1,592     1,915      7,655     9,984     11,268

 

Irland                                                   -              -              -              3,446      6,867     11,825   18,183

 

Portugal                                              963         997         1,244     2,069      7,343     10,852   12,929

 

Spanien                                               1,063     1,376     2,255     2,397      8,739     12,210   14,227

 

Gesamtwesteuropa                        1,232     1,974     3,473     4,594      11,534   15,988   17,921

 

 

 

Wie oben angemerkt wuchs Griechenland in der Zeit von 1950-73 rascher, aber im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts langsamer als andere europäische Länder (siehe Tabelle 7)

 

 

 

Tabelle 7: BIP pro Kopf Wachstumsraten (in Prozent) [138]

 

                                                1820–70                1870–1913          1913–50                1950–73                1973–98

 

Griechenland                     0.63                       1.30                       0.50                        6.21                       1.56

 

Irland                                    -                              -                              -                              3.04                       3.97

 

Portugal                               0.07                       0.52                       1.39                        5.66                       2.29

 

Spanien                               0.52                       1.15                       0.17                        5.79                       1.97

 

Gesamtwesteuropa        0.95                       1.32                       0.76                        4.08                       1.78

 

 

 

Griechenlands Lebensstandard – im Vergleich zur Europäischen Union – fiel seit den späten 1970er Jahren dramatisch. Während Griechenland 1978 einen durchschnittlichen Lebensstandard von 83% des EU-Niveaus aufwies, war er um 2000 auf etwa 65% gefallen (siehe Abbildung 11)[139]

 

 

 

Abbildung 11: Griechenlands Lebensstandard im Vergleich zur Europäischen Union [140]

 


 

 

 

Dieser Trend hat sich bis heute fortgesetzt. 2013 war Griechenland immer noch das am wenigsten entwickelte Land unter den alten kapitalistischen Ländern Europas mit einem Produktivitätsniveau von gerade 66,9% des Durchschnitts der EU-15 (siehe Tabelle 8)

 

 

 

Tabelle 8: BIP zu aktuellen Marktpreisen pro Kopf 2013 [141]

 

                                                                               (EU-15 = 100)

 

Griechenland                                                    66.9

 

Irland                                                                   118.9

 

Portugal                                                              71.7

 

Spanien                                                               86.3

 

 

 

Einige bürgerliche Ökonomen haben betont, dass Griechenland in den 1990er Jahren einen Boom erlebt hat und dass das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts mit seinen Wachstumsraten über EU-Durchschnitt lag. Doch, wie der griechische marxistische Wissenschaftler Stavros D. Mavroudeas und andere hervorheben, war dieser “Boom” höchst künstlich und basierte auf billigen Krediten (hauptsächlich von ausländischen Kreditgebern) und Finanzspekulation.

 

Der griechische Kapitalismus versuchte, seine Position innerhalb der internationalen Arbeitsteilung zu stärken, indem er in den oberen Reihen der europäischen Integration teilnahm. Doch diese strategische Wahl war riskant, denn die schweren Auflagen für die nationale Währungs-, Industrie- und Handelspolitik schwächten die griechische Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Euroländern, die sich durch produktive Überlegenheit auszeichneten, noch mehr. Zu Beginn verbesserten sich diese Probleme, weil – dank Euro – billige Kredite, die für künstliches Wachstum sorgen, gesichert werden konnten. Das wurde noch verstärkt durch die Organisation der Olympischen Spiele in Athen 2004, deren maßlose und überteuerte Arbeiten die Profitabilität der griechischen (und westlichen) Kapitalisten steigerte, aber gleichzeitig das fiskalische Defizit erhöhten. Wann immer die Kapitalakkumulation stockte, sprang Griechenland – direkt oder indirekt - ein und subventionierte. Die sich aufblasenden Auslandsschulden waren aufgrund der billigen Auslandskredite und der relativ hohen Wachstumsraten der griechischen Wirtschaft handhabbar. An der Spitze dieses griechischen Kapitalismus folgte in dieser Periode der internationale Trend aggressiver Kreditvergabe und fingierter Kapitalexpansion. Billige Kredite wurden wegen der niedrigen Zinsraten im Euro gefördert. Der Börsenmarkt wurde für kurze Zeit eine größere Quelle (doch nie die dominante) zur Unternehmensfinanzierung, wo seine Rolle und Größe üblicherweise minimal waren. Durch die künstliche (durch Abkommen von Regierungspolitik und Bankkartellen) Zinssenkung auf Einlagen hin zu negativen Zinsraten wurde die große Mehrheit der traditionellen Mittelklassesparer mit Versprechen höherer Erträge in den Börsenmarkt gedrängt. Genau in dieser Periode kollabierte die herkömmliche Neigung der Nachkriegszeit und Mittelklasse zum Sparen. (…) Insgesamt gab es keine signifikante strukturelle langfristige Veränderung in der griechischen Ökonomie bei den Finanzierungen. Der einzige Effekt war ein künstlicher Anstieg der Kapitalakkumulation durch fiktives Kapital und lasche Währungspolitik. (…) All diese unhaltbaren und konjunkturellen Faktoren führten zu einer ‘künstlichen Boom-Periode’ mit Wachstumsraten über dem EU-Schnitt. Diese ‘künstliche Boom-Periode’ hatte noch ein verstecktes Handicap: es gab einen enormen Anstieg unproduktiver Aktivitäten (v.a. bei Finanz und Handel), die die Grundlagen der internationalen Profitabilität erschütterten. Zusammenfassend war die Periode 1985-2007 durch kapitalistische Restrukturierungswellen gezeichnet, die der fallenden Profitrate und der Überakkumulation des Kapitals entgegenzuwirken bestrebt waren. (…) Die Krise 2007/08 setzte dieser Euphorie ein jähes Ende. Der ‘künstliche Boom’ brach zusammen und die dahinter schlummernde Profitabilitätskrise trat wieder hervor.” [142]

 

Die Angriffe auf die ArbeiterInnenklasse führten – trotz eines Anstiegs der Anzahl der Lohnarbeiter – zu einem Niedergang des Lohnanteils am Nationaleinkommen, noch bevor die große Krise 2008 begann. Zwischen 1980 und 2007 sank der Lohnanteil von 66% auf 58%, während der Kapitalanteil eine gegenteilige Entwicklung aufwies und von 34% auf 42% anstieg. [143]

 

Abbildung 12 zeigt, dass dieses Sinken des Lohnanteils die Fortsetzung eines Langzeittrends ist, der bereits in den späten 1960er Jahren begann, wie es auch in anderen kapitalistischen Ländern der Fall war.

 

 

 

Abbildung 12: Lohnanteil an der Wertschöpfung, 1964-1995 [144]

 

 

 

 

 

 

 

Die kapitalistische Krise hat die ArbeiterInnenklasse ebenso wie die unteren Schichten des traditionellen Kleinbürgertums und die ländlichen Armen getroffen. Folglich fand eine bedeutende Verschiebung in der Klassenzusammensetzung der griechischen Gesellschaft seit den frühen 1990er Jahren statt. Laut einer Studie des griechischen Marxisten Eirini Gaitanou ist die ArbeiterInnenklasse in den letzten zwei Jahrzehnten enorm gewachsen.

 

Eine neue Landschaft erscheint hinsichtlich der Klassenstruktur, die gemäß Sakellaropoulos basierend auf den Daten des griechischen Statistikdiensts für das vierte Trimester 2011 im Vergleich zu jene von 1991 sich folgendermaßen zusammensetzt:

 

1) eine Zunahme der Bourgeoisie (3,4% ausgehend von 1,4%) und der reichen ländlichen Schichten (0,6% ausgehend von 0,3%),

 

2) ein gewaltiger Niedergang der traditionellen kleinbürgerlichen Klasse (10,2% ausgehend von 21,5%) und der mittleren ländlichen Schichten (2,2% ausgehend von 3%),

 

3) eine geringe Zunahme der neuen kleinbürgerlichen Klasse (15,2% ausgehend von 13,2%), aufgrund der steigenden Nachfrage nach ihren Kompetenzen bei Leistungen der Kapitalrentabilität, parallel zur Anstrengung ihrer Unterwerfung unter die direkteste Kapitalausbeutung und -herrschaft,

 

4) eine wesentliche Zunahme der ArbeiterInnenklasse (62,2% ausgehend von 47,5%), und

 

5) eine bedeutende Abnahme der ländlichen besitzlosen Schichten (6% ausgehend von 13,1%).

 

Jedenfalls ist die Tendenz zur Intensivierung der Klassenpolarisierung klar, die zur Ausbildung einer Sozialstruktur führt, die jener anderer europäischer Länder ähnlich ist (kleine Anzahl an Bauern und ein kleines traditionelles Kleinbürgertum, stabiles Vorhandensein der neuen kleinbürgerlichen Klasse als Vollzugsorgan des Produktionsprozesses, eine breitere Bourgeoisie und eine heterogene/uneinheitliche, aber zahlreiche ArbeiterInnenklasse). Dieses Gesamtbild ist von der Klassenstruktur der meisten entwickelten Länder noch immer etwas entfernt.” [145]

 

Weiters bleibt die ökonomische Struktur rückständig und von kleinen Wirtschaftseinheiten beherrscht. Etwa 70% der in Griechenlands Privatsektor Beschäftigten arbeiten in Unternehmen mit 1-9 Mitarbeitern (Zahlen von 2009). Gleichzeitig arbeiten nur etwa 15% in Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern. Das ist noch rückständiger als die wirtschaftliche Struktur anderer, ärmerer halbkolonialer Länder wie Bulgarien oder der Türkei (in diesen Ländern arbeiten nur etwa 25% in kleinen Unternehmen und ca. 25-30% in Großbetrieben; siehe Abbildung 13)

 

 

 

Abbildung 13: Aufschlüsselung der Beschäftigung gemessen an Betriebsgröße (gesamter privater Beschäftigungssektor in %) [146]

 

 

 

Aristos Doxiadis, ein liberaler griechischer Ökonom, schreibt: “Es gibt kein anderes europäisches Land und kein anderes OECD-Mitglied, das im Verhältnis zur Bevölkerung so viele selbstständig Erwerbstätige und so viele Mikro-Arbeitgeber hat wie Griechenland. In Griechenland sind 57% der Erwerbstätigen in ‘nicht-finanziellen Wirtschaftsbetrieben’ entweder selbstständig oder in Firmen mit weniger als 10 Angestellten beschäftigt. Der entsprechende Wert in den EU-27 liegt bei 30%. Italien liegt mit 47% an zweiter Stelle, Portugal mit 42% an dritter. Frankreich liegt bei 27%, Großbritannien bei 21%, Deutschland bei 18%. Unser neuestes Vorbild, Dänemark, liegt bei 20%. Die Landwirtschaft ist noch fragmentierter. In der Region Corinthia verfügt der durchschnittliche Erzeuger von Tafeltrauben für den Export über weniger als drei Hektar und der größte über 20 Hektar. Die Konkurrenten der Bauern in Murcia, Spanien, verfügen je über mehr als 100 Hektar. Dasselbe gilt für Kalifornien, Südafrika, Chile, Ägypten. In der Gesamtwirtschaft sind nicht mehr als 9% der Beschäftigten in mehr als 250 Betrieben tätig; und das schließt Banken und Energiedienstleister schon mit ein. [147]

 

Laut einer Studie zu den Selbstständigen in den EU-27 (d.h. einschließlich der osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten), die Daten aus 2007 nutzte, waren 35,7% aller Beschäftigten in Griechenland nicht festangestellt, ein ähnlich hohes Niveau wies nur Rumänien auf (33,7%). Der Durchschnitt der EU-27 lag bei 16,9%. Die Selbstständigen machten 21,2% aller Beschäftigen in Griechenland aus, am nächsten kam Rumänien mit 19,7% (bei einem EU-27-Durchschnitt von 10,5%). [148]

 

Ein weiterer Indikator der Rückständigkeit des griechischen Kapitals ist der geringe Investitionsgrad in wissensbasierte Unternehmen im Vergleich zu anderen OECD-Ländern. In einer Liste der OECD rangiert Griechenland an letzter Stelle (siehe Abbildung 14)

 

 

 

Abbildung 14: Investition in wissensbasiertes Kapital und Beschäftigungsverteilung im Produktionsbereich in Griechenland, Internationaler Vergleich, 2009 [149]

 


 

 

 

In Abbildung 15 ist ebenso das niedrige Technologieniveau der griechischen Ökonomie im Vergleich mit anderen fortgeschritten kapitalistischen Ländern ersichtlich.

 

 

 

Abbildung 15: Technologisches Kapital [150]

 

Verhältnis des Anteils von technologischem Kapital zum BIP, EUR in 1986 = 100

 

 

 


 

 

 

Diese anhaltende Rückständigkeit Griechenlands Wirtschaft ist der zentrale Grund, warum das Land verglichen mit anderen europäischen Ländern immer relativ wenig Auslandsinvestition erfahren hat. Imperialistische Monopole haben logischerweise kein Interesse, Kapital in Unternehmen mit 0-9 Beschäftigten zu investieren! (Siehe Abbildung 16)

 

 

 

Abbildung 16: Auslandsdirektinvestitionen in Griechenland, Internationaler Vergleich 2009 und 2012 [151]

 


 

In Tabelle 9 ist ersichtlich, wie sehr die Rolle der Industrie in der Kapitalakkumulation des Landes in den Jahren 2000-2008 zurückgegangen ist (von 13% auf 7,8%). Gleichzeitig nahm die Bedeutung der Landwirtschaft zu – im Gegensatz zum langjährigen globalen und historischen Trend – und der parasitäre Finanz- und Immobilienbereich wurde dominant.

 

 

 

Tabelle 9: Struktur der Bruttokapitalbildung in Griechenland, 2000-2007 (in %) [152]

 

Wirtschaftssektor                                            2000                      2004                      2007

 

Landwirtschaft                                                4,2                          4,2                          5,6

 

Industrie (inkl. Energie)                              13                           7,6                          7,8

 

Bauwesen                                                          1,3                          1,2                          2,2

 

Handel, Hotels, Transport                          20                           27,5                        24,1

 

Finanz und Immobilien                               37,5                       39,9                        43,1

 

Sonstiges                                                            23,8                       19,1                        16,9

 

 

 

Die Zunahme der Investitionen griechischer Kapitalisten im südlichen Balkan ist sicher eine wichtige Entwicklung, die das Potenzial des Landes aufzeigt, zu einer kleinen imperialistischen Macht zu werden. Doch derlei Phänomene müssen immer in ihrer Gesamtheit betrachtet werden, d.h. als “reiche Totalität von vielen Bestimmungen und Beziehungen. [153]

 

In diesem Lichte soll festgehalten werden, dass erstens seit dem Beginn der Krise 2008 Griechenlands Auslandsinvestitionen zurückgegangen sind. Es gibt hier ein statistisches Problem. Seit Beginn der Krise hat die Kapitalflucht in Griechenland stark zugenommen. Das verzerrt die Statistik enorm, denn Kapitalflucht wird oft als Auslandsinvestition maskiert. Doch auch wenn wir keine genauen Zahlen für diese maskierte Kapitalflucht haben, so gibt es doch eindeutige Angaben im kürzlich veröffentlichten Bericht vom Truth Committee on Public Debt (Wahrheitskomitee zu den Staatsschulden), das vom griechischen Parlament eingesetzt wurde. Nach diesem Bericht liegt der illegale Kapitalabfluss aus Griechenland zwischen 2003 und 2009 bei insgesamt €202,5 Milliarden (siehe Tabelle 10). Bemerkenswert ist die Tatsache, dass es sich hier bloß um die Summe der Kapitalflucht vor dem Beginn der Großen Rezession handelt!

 

 

 

Tabelle 10: Illegaler Kapitalabfluss aus Griechenland (€ Milliarden) [154]

 

2003      2004      2005       2006      2007      2008      2009      2003-2009

 

41.2        31.8        0.0          33.0        53.1        2.8          40.5        202.5

 

 

 

Sogar die kapitalistische Nachrichtenagentur Bloomberg wies darauf hin, dass die große Kapitalflucht schon lange bevor SYRIZA an die Macht kam begann. Abbildung 17 zeigt die geschätzten Kapitalflüsse zwischen Griechenland und der Euro-Region als Prozentsatz des griechischen BIP (positive Werte sind Kapitalflüsse nach Griechenland).

 

 

 

Abbildung 17: Kapitalflucht aus Griechenland, 2010-2014 [155]

 

 

 


 

Ein zweiter Faktor, der unsere Einschätzung von Griechenlands Auslandinvestitionen in ihrer Gesamtheit bestätigt, ist, dass sie im Verhältnis zur gesamten Kapitalakkumulation relativ gering sind. Das trifft besonders dann zu, wenn die akkumulierten Investitionen in die Balkanländer ($7,2 Milliarden) und die akkumulierte Summe illegaler Kapitalabflüsse (€202 Milliarden 2003-09) miteinander verglichen werden. Weiters sind die Investitionen ins Ausland üblicherweise wesentlich geringer als die nach Griechenland. Mit anderen Worten ist Griechenland eher ein Land, in das ausländische Monopole investieren um Extraprofite zu lukrieren als ein aktives Kapitalexportland in andere Länder mit demselben Ziel.

 

In Tabelle 11 ist ersichtlich, dass Investitionen ins Ausland in den 1990er Jahren nur einen kleinen Teil von Griechenlands Kapitalbildung ausmachten. Während dieser Anteil im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts anstieg, blieb er am Ende dieses Jahrzehnts eher gering und die Kapitalflucht hatte schon begonnen.

 

 

 

Tabelle 11: Griechenland: Investitionsflüsse als Prozentsatz der Bruttokapitalbildung, 1990-2012 [156]

 

1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012

 

Zuflüsse  4,9 5,3 5,1 4,9 5,0 4,6 4,1 3,9 0,3 1,9 3,9 5,4 0,1 2,7 4,0 1,3 8,6 2,9 6,0 4,0 0,7 2,7 9,5

 

Abflüsse 0,1 -0,1 0,2 -0,1 0,1 0,2 -0,1 0,6 -1,0 1,8 7,6 2,1 1,9 0,9 2,0 2,9 6,5 7,2 3,2 3,4 3,1 4,2 -0,1

 

 

 

Der niedrige Anteil der abfließenden Auslandsinvestitionen an der Kapitalakkumulation des Landes zeigt, dass Griechenlands Kapitalexport und damit die relativ geringen Extraprofite, die aus solchen Investitionen gewonnen werden können, eindeutig kein Argument dafür liefern, dass diesem Land ein imperialistischer Klassencharakter zugesprochen werden könnte.

 

Außerdem wiesen nach den Berechnungen der UNCTAD Griechenlands Investitionen ins Ausland als Anteil der Bruttokapitalbildung in fast allen Jahren zwischen 1990 und 2012 den niedrigsten Prozentanteil im Vergleich mit allen anderen alten kapitalistischen Ländern Europas auf. Auch das bestärkt unsere Einschätzung, dass Griechenland kein imperialistisches Land geworden ist.

 

Auch wenn griechische Kapitalisten als Klasse gewisse Summen ins Ausland investieren, sind sie in einem weitaus höheren Ausmaß gezwungen, neue Auslandsdarlehen aufzunehmen oder ihre Unternehmen an ausländische Kapitalisten zu verkaufen.

 

Das Ergebnis war eine Schuldenexplosion sowohl im öffentlichen wie im privaten Sektor. Die OECD stellt fest, dass seit 1995 griechische Kapitalisten zunehmend gezwungen sind, ausländische Darlehen aufzunehmen:

 

Die Kreditvergabe an den Privatsektor stieg rasch an, besonders seit 1995, was die Verschuldung steigerte, v.a. gegenüber den ausländischen Kreditgebern.”[157]

 

Die Konsequenzen der hohen Schulden waren nachhaltig. Laut dem griechischen Ökonomen Euclid Tsakalotos haben die Zinszahlungen 1994 ein Niveau von über 40% der Gesamteinnahmen erreicht. [158]

 

Die zunehmenden Auslandsaktivitäten der griechischen Kapitalisten gingen Hand in Hand mit einem dramatischen Anwachsen ihrer Schulden bei ausländischen Finanzinstitutionen. Die Auslandsschulden im privaten Sektor stiegen schneller als jene der Regierung. Wie in Abbildung 18 ersichtlich wuchsen die Auslandsschulden zwischen 2003 und 2010 insgesamt um mehr als 100% auf ca. 185% des BIP.[159]

 

 

 

Abbildung 18: Bruttoauslandsschulden nach Sektor 2003 und 2010 (als Prozentsatz des BIP) [160]

 

 

 

 

 

Abbildung 19: Wirtschaft und Schulden Griechenlands[161]

 

 

 

Folglich musste Griechenland Mitte des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts die höchste Schuldendienstquote aller alten kapitalistischen Länder Europas begleichen. 2005 standen die Nettozinszahlungen als Prozentsatz der laufenden Einnahmen bei 11% (siehe Abbildung 20).

 

 

 

Abbildung 20: Schuldendienstquoten: Nettozinszahlungen als Prozentsatz der laufenden Einnahmen (exkl. Zinseinnahmen), 2005 [162]

 

 

 


 

 

 

Dies galt für die gesamte sogenannte “Boom”-Periode der griechischen Wirtschaft, während der das Land einen enormen Anteil seiner jährlichen Produktion als Zinsen an meist ausländische imperialistische Kreditgeber zahlen musste – mehr als jeder andere europäische Staat. Der griechische marxistische Wissenschaftler Thanasis Maniatis schreibt: “Griechenland liegt in allem über dem europäischen Durchschnitt, weil es einen beträchtlichen Betrag (fast das Doppelte des europäischen Durchschnitts) seines Produkts (6,9% des BIP) an seine (meist ausländischen) Kreditgeber in Form von Zinsen zahlt. Interessant ist, dass in der gesamten Periode die Zinszahlungen fast genauso hoch waren wie das Budgetdefizit, was heißt, dass das Primärbudget in all den Jahren im Durchschnitt ausgeglichen war.” [163]

 

Im Allgemeinen konnte das “griechische Modell” der Kapitalakkumulation nur mittels eines endlosen Anstiegs seiner Auslandsschulden funktionieren, weil die heimischen Rücklagen dauernd unter dem Investitionsniveau lagen (siehe Abbildung 21)[164]

 

 

 

Abbildung 21: Anteil der Rücklagen und Investitionen am BIP in Griechenland 1995 (Q1) bis 2008 (Q4) [165]

 

 

 


 

 

 

Als Ergebnis dieses Modells der kapitalistischen Akkumulation mussten Griechenlands Schulden natürlich fortwährend ansteigen. Bereits 1991 waren Griechenlands Staatsschulden unter den höchsten in Europa mit 70,4% des BIP. 2001 hatten nur Belgien und Italien höhere Schulden als Griechenland (100,1%) und seit 2007 hat es alle europäischen Länder überholt. [166]

 

Gleichzeitig nahm das Auslandskapital eine immer dominantere Stellung in der griechischen Wirtschaft ein. Auslandsinvestitionen wurden selten dazu verwendet, neue Unternehmen zu gründen (von bürgerlichen Ökonomen “Greenfield”-Investitionen genannt), sondern bestanden fast ausschließlich aus Fusionen mit und Übernahmen bestehender griechischer Firmen. Außerdem fließen diese fast gänzlich in nicht-exportierenden Branchen, wie Banken, Zementwerke und Dienstleistungen. [167]

 

In den wenigen Jahren von 2000 bis 2008 verdoppelten ausländische Monopole ihren Anteil im Bankensektor von 20% auf 40% (siehe Abbildung 22). Andere Quellen behaupten, dass der Auslandsanteil an größeren griechischen Banken bis 2007 auf fast 50% anstieg. [168]

 

 

 

Abbildung 22: Anteil an Bankkapital, 2000 und 2008 (in %) [169]

 

 

 

 

 

Mit anderen Worten wurden die griechischen Banken, während sie immer mehr Auslandsaktivitäten tätigten, selbst immer weniger “griechisch”, weil ausländische Monopole immer größere Anteile ihres Bestands aufkauften.

 

Ausländische Konzerne machen auch 27% der Beschäftigung in Betrieben mit mehr als 250 Angestellten, 33% der bezahlten Körperschaftssteuer und die große Mehrheit der Firmengewinne aus. 2009 entfielen 86% (!) der Nettoprofite der Großbetriebe (mehr als 250 Beschäftigte) auf Betriebe unter ausländischer Kontrolle. Seither ist dieser Anteil sicherlich noch weiter gestiegen. Das zeigt, dass das Kapital in Griechenland – außerhalb der rückständigen, kleinen Bourgeoisie – völlig vom ausländischen Monopolkapital beherrscht wird. [170]

 

Phänomene in ihrer Gesamtheit zu betrachten heißt, dass wir Griechenlands steigende Investitionen ins Ausland mit den steigenden Investitionen des Auslands in Griechenland vergleichen müssen wie auch die wachsenden Auslandsschulden des Landes. Abbildung 23 zeigt, dass Griechenlands Nettoauslandsvermögen (d.h. sein Gesamtvermögen minus der Gesamtbelastungen) immer negativ war und dass dies seit 2000 noch mehr zugenommen hat. Griechenland nimmt in dieser Hinsicht die schlechteste Position unter den westlichen kapitalistischen Ökonomien ein, mit Ausnahme Portugals.

 

 

 

Abbildung 23: Nettoauslandsvermögen Griechenlands und anderer OECD-Staaten [171]

 

 

 

 

 

Die hier gezeigten OECD-Angaben gelten für das Jahr 2010. Es ist daher anzunehmen, dass die Situation sich angesichts des dramatischen Absturzes der griechischen Wirtschaft in den letzten fünf Jahren noch weiter verschlechtert hat. Zwar liegen keine Zahlen vor, die mit diesen OECD-Zahlen verglichen werden können, doch nach Angaben der Statistikabteilung der Bank of Greece lag Griechenlands langfristige Bruttoauslandsverschuldung im Juli 2015 bei €226,8 Milliarden in Krediten und weiteren €36,1 Milliarden in Schuldensicherheiten.

 

Noch ein Zeichen dieser Entwicklung ist das rapide Wachstum von Griechenlands Zahlungsbilanzdefizit. Am Ende des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts erreichte es bereits 15% des BIP, schlechter als Irland, Portugal oder Spanien (siehe Abbildung 24).

 

 

 

Abbildung 24: Zahlungsbilanz (in % BIP) [172]

 

 

 

 

 

 

 

Schließlich ist es wichtig, die Entwicklung eines Landes unter einem historischen Gesichtspunkt zu bewerten. Griechenland war immer ein abhängiges, halbkoloniales Land, wenngleich mit einigen besonderen Kennzeichen, die das Gesamtbild etwas abmilderten (d.h. die griechischen Reedereien). In den 1990er Jahren und im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts ging Griechenland daran, sich zu einer kleinen imperialistischen Regionalmacht aufzuschwingen, indem es Kapital in einige südliche Balkanländer exportierte und gewaltige Mengen von MigrantInnen aufnahm. Doch Griechenlands Abhängigkeit von den imperialistischen Monopolen nahm in derselben Zeit genauso zu. Die globale kapitalistische Krise seit 2008 bildet außerdem einen historischen Maßstab, um den Klassencharakter Griechenlands als Ganzes zu beurteilen. Derartige historische Ereignisse sind immer bedeutsam für das Erkennen möglicher Veränderungen im Klassencharakter eines Landes.

 

Die Entwicklungen Griechenlands in den letzten sieben Jahren haben über jeden Zweifel hinaus gezeigt, dass das Land nicht stark genug war, der völligen Unterjochung durch die EU standzuhalten. Griechenland wurde gezwungen, seine Wirtschaft und sogar Teile seines Territoriums (einige Inseln) für den Ausverkauf an Auslandsinvestoren zu öffnen. Griechenland wurde von der EU-Troika seiner souveränen Rechte, eigenständige politische und ökonomische Entscheidungen zu treffen, selbst der Form nach beraubt.

 

Kurz, alle imperialistischen Vorstöße, die Griechenland von Beginn der 1990er Jahren bis 2009 gemacht hat, gingen nicht weit genug und fanden viel zu spät statt.

 

Schließlich muss hinzugefügt werden, dass die Physiognomie von Griechenlands Ökonomie immer stark auf die Bedürfnisse der imperialistischen Monopole ausgerichtet war, wie sich das in seinem Fokus auf den Handel, den Tourismus etc. zeigt. Auch war der griechische Staatsapparat immer ein williges Instrument für die Pläne der Großmächte, wie man z.B. sehen konnte, als Venizelos seine Armee gegen Sowjetrussland und die Türkei entsandte oder als griechische Truppen Britannien im griechischen Bürgerkrieg (1946-49) und später der NATO im Kalten Krieg gegen die UdSSR dienten.

 

Nicos Mouzelis merkte zutreffend an: “Und natürlich kann man ähnlich argumentieren, wenn man das Verhältnis Abhängigkeit versus Dominanz zwischen Griechenland und weiter entwickelten kapitalistischen Ländern betrachtet. Wie Furtado betonte, bedeutet Ausbeutung und Vorherrschaft zentraler über periphere Länder nicht nur oder notwendigerweise gierige ausländische Betriebe, die dem Land mehr nehmen als geben oder eine lokale Kompradoren-Bourgoisie, die ihre Anordnungen direkt aus London oder New York erhält. Die Tatsache etwa, dass Griechenland Technologie- und Konsumformen übernommen hat, die eher den Entwicklungserfordernissen fortgeschrittener industrieller Gesellschaften entsprechen, beinhaltet eine Abhängigkeit und ‘Verrenkung’ der griechischen Ökonomie, die nicht nur dadurch überwunden werden kann, dass man sich hart gegenüber Unternehmen oder irgendwelchen Interessensgruppen zeigt.”[173]

 

In Anlehnung an die im ersten Kapitel angeführten Kategorien imperialistischer Unterdrückung und Überausbeutung kann Folgendes festgehalten werden: Die griechische Bourgeoisie agiert wie ein kleinerer “imperialistischer” Ausbeuter und nationaler Unterdrücker gegenüber einigen südlichen Balkanländern wie Mazedonien, Albanien etc. sowie auch innerhalb des Landes gegenüber seinen MigrantInnen. Es gelingt ihm daher, einige Extraprofite via Kapitalexport über die Grenzen wie auch via Werttransfer aus der Ausbeutung der MigrantInnen zu lukrieren. Gleichzeitig aber wird Griechenland von den imperialistischen Monopolen und Großmächten überausgebeutet und politisch unterdrückt. Historisch betrachtet fand die imperialistische Überausbeutung Griechenlands in Form von Extraprofiten, die aus imperialistischen Darlehen (d.h. Geldkapital) gewonnen wurden, statt sowie dem Werttransfer via Überausbeutung vieler griechischer MigrantInnen in Westeuropa, den USA und Australien. Mit den steigenden Auslandsdirektinvestitionen in Griechenland hat die imperialistische Überausbeutung auch die Form von Extraprofiten via Kapitalexport (d.h. produktives Kapital) angenommen.

 

Es kann keinen Zweifel geben, dass die Gewinne des griechischen Kapitalismus aus seiner Überausbeutung einiger südlicher Balkanländer und der MigrantInnen im eigenen Land viel geringer und bedeutungsloser sind als die riesigen Beträge an Extraprofiten, die die Imperialisten aus ihrer Überausbeutung Griechenlands erlangen. Griechenland ist wie ein Kleinbauer, der einen Knecht und eine Magd ausbeutet, doch selbst wird er von den Banken, denen er sein Leben lang den Großteil seines Einkommens zahlen muss, noch viel mehr ausgebeutet.

 

Wir halten daher noch einmal fest, dass Griechenland im Wesentlichen ein entwickeltes halbkoloniales Land ist, beherrscht und abhängig vom ausländischen imperialistischen Monopolkapital.

 

In Kapitel V werden wir diskutieren, dass diese verschiedenen Unterdrückungsformen wichtige Konsequenzen für das revolutionäre Programm in Griechenland haben. MarxistInnen müssen gegen die Unterdrückung der Balkanländer und der MigrantInnen durch griechische Kapitalisten kämpfen, während sie gleichzeitig das Land gegen die imperialistischen Monopole verteidigen.


IV. Die historische Krise des griechischen Kapitalismus 2008 bis heute

 

 

 

Wie im letzten Kapitel beschrieben lagen die Gründe für die historische Krise des griechischen Kapitalismus seit 2008 – abgesehen von den sich verschärfenden Widersprüchen der kapitalistischen Weltwirtschaft [174] - im Versagen der griechischen Bourgeoisie, ihre strukturelle Schwäche in der Periode, die dem Ausbruch der Krise folgte, zu überwinden. Ihre Fortschritte, zu einer kleineren imperialistischen Bourgeoisie geworden zu sein – basierend auf Kapital, das sie in die südlichen Balkanländer exportierte sowie einem Migrationszustrom nach Griechenland –, wurden von der steigenden Dominanz der imperialistischen Monopole und der unverändert chronischen Rückständigkeit des griechischen Kapitalismus deutlich übertroffen.

 

In diesem Kapital soll im Detail analysiert werden, wie der Zusammenbruch nach 2008-10 die halbkolonialen Merkmale Griechenlands wieder verstärkte. Wir zeigen auf, dass die Fortschritte, die die griechische Bourgeoisie in den zwei vorausgegangenen Jahrzehnten gemacht hatte, nicht ausreichend waren, um ihren abhängigen, untergeordneten Status zu überwinden.

 

 

 

IV.1 Zerstörung der griechischen Ökonomie durch die imperialistischen Monopole und Großmächte

 

 

 

Wie bekannt hatte die Krise verheerende Folgen für Griechenland allgemein und für die griechische ArbeiterInnenklasse im Besonderen. Während dieser Austeritätsjahre fiel die Wirtschaftsleistung um 26% (siehe Abbildung 25). Zwischen 2009 und 2013 sank das BIP pro Kopf um 22%. [175]

 

 

 

Abbildung 25: Griechenland: Sinken des BIP während der Großen Rezession, 2007-2015 [176]

 

 

 


 

 

 

Ein solch steiles Absinken ist für Europa einzigartig und kann nur mit der Periode der Großen Rezession der 1930er verglichen werden, als die US-Wirtschaft etwa gleich stark zurückging: um 26% zwischen 1929 und 1933. [177]

 

Wie bereits oben angemerkt kann die grundlegende Ursache für den aktuellen Abschwung weder im Bereich der Finanz oder Spekulation noch in Konsum oder Handel gefunden werden, sondern in der Produktion, d.h. in dem Bereich, in dem kapitalistischer Wert geschaffen wird. Wie in Kapitel III.1 gezeigt kann der tendenzielle Fall der Profitrate auch in Griechenland festgestellt werden. Der Abschwung resultierte nicht aus plötzlichen Veränderungen im Finanzwesen oder durch politische Entscheidungen, sondern hat seine Ursache vielmehr im gescheiterten Versuch, die Profitrate in den 1980er und 1990er Jahren nach dem vorhergehenden dramatischen Rückgang wieder zu heben.

 

Dank einiger marxistischer Ökonomen besitzen wir ein klares Bild über die Entwicklung der Profitrate in Griechenland. Der marxistische Ökonom Michael Roberts liefert ein paar nützliche Statistiken zu diesem Thema, die den Fall der griechischen Profitrate seit 2006 demonstrieren (siehe Abbildung 26).

 

 

 

Abbildung 26: Griechenland: Nettokapitalerträge, 1999-2015 [178]

 

 

 

 

 

 

 

Die griechischen marxistischen Wissenschaftler Thanasis Maniatis und Costas Passas veröffentlichten vor Kurzem eine äußerst interessante Studie über die Langzeitentwicklung der griechischen Kapitalakkumulation seit 1958. Sie zeigen, dass trotz verschiedener neoliberaler Maßnahmen wie etwa der Steigerung privater und öffentlicher Schulden das griechische Kapital den Fall der Profitrate nicht in relevantem Ausmaß umkehren konnte (siehe Abbildung 27). Sie schließen daraus:

 

In der Analyse der Entwicklung der griechischen Nachkriegswirtschaft und der Verfolgung der Wurzeln der gegenwärtigen Krise ist die Untersuchung des Verhaltens der Profitrate und anderer Marxscher Variablen von äußerster Wichtigkeit. Diese Studie untersucht diese Variablen. Die unterschiedlichen Phasen des Kapitalakkumulationsprozesses werden entlang der Bewegung der Profitrate unterschieden und analysiert. Dem ‘Goldenen Zeitalter’ von 1958-74 mit hoher Profitabilität und starkem Wachstum folgte die Stagflationskrise der 1970er und frühen 1980er Jahre. Nach 1985 und vor allem nach 1991 resultierte die ‘neoliberale’ Lösung der Krise in einer bescheidenen Erholung der Profitabilität, Kapitalakkumulation und Leistungswachstum ausschließlich auf Grundlage der enormen Zunahme der Ausbeutungsrate der Arbeitskraft. Als der Stimulus auf die Gesamtnachfrage durch Privatkonsum auf Basis von Schulden und ‘Wohlstandseffekten’ und staatliche Defizitfinanzierung aufgehoben wurde, zeigte sich die zugrunde liegende strukturelle Krise in der Realwirtschaft seit 2009 bis heute in vollem Ausmaß. So scheint die unzureichende Erholung der Profitabilität während der neoliberalen Ära den Kern der wirtschaftlichen Probleme, denen gegenwärtig die griechische Ökonomie ausgesetzt ist, zu bilden. [179]

 

 

 

Abbildung 27: Griechenland: Profitrate, 1958-2011 [180]

 

 

 


 

 

 

2012 erlitten die griechischen ArbeiterInnen Reallohneinbußen von 23,2%. Die Regierung strich 150.000 Arbeitsplätze im öffentlichen Sektor. Die Arbeitslosenrate stieg von etwa 8% im Jahr 2008 auf 28% Mitte 2013. Heute liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei 58,3% und die Gesamtarbeitslosigkeit beträgt offiziell 27,5%. Und das sind noch bürokratisch geschönte Zahlen, denn die Beschäftigungsrate der wirtschaftlich aktiven Bevölkerung (d.h. jene der 25-64jährigen mit Job) fiel von 61,9% (2008) auf 49,4% (2014), d.h. weniger als die Hälfte der arbeitsfähigen Bevölkerung! (Übrigens: die Vergleichszahl für Britannien liegt bei 71,9% und für Portugal bei 61,7%)

 

Unter dem Diktat der imperialistischen Mächte musste die griechische Regierung die Sozial- und Gesundheitssysteme des Landes zerstören. Diese Angriffe auf die ArbeiterInnenklasse gingen Hand in Hand mit der Zerstörung großer Teile des städtischen Kleinbürgertums.

 

Die griechische Ökonomin Valia Aranitou berichtet: “Das traditionelle Kleinbürgertum schrumpfte um mehr als 40%, während weitere 40% nicht im Stande sind, ihre Verpflichtungen zu begleichen, denn abgesehen von sinkender Nachfrage gab es auch seitens der Banken keinerlei Liquidität. Die Probleme für das Kleingewerbe zeigen sich unter anderem in mehr als 3.000 bestätigten Selbstmorden aufgrund der Verschuldung. [181]

 

Laut demselben Autor sank die Zahl der Selbstständigen und Arbeitgeber aus dem Kleingewerbe dramatisch. Kleine Unternehmen gehen stark zurück. 2006 (das Jahr, in dem der letzte offizielle Zensus durchgeführt wurde) gab es 923.000 griechische Klein- und Mittelunternehmen in allen Bereichen. Nach Schätzungen lag 2013 die Anzahl bei 531.059, weniger als 58% des Werts von sieben Jahre zuvor (siehe Tabelle 12)

 

 

 

Tabelle 12: Entwicklung der Anzahl der Klein- und Mittelbetriebe in Griechenland (KMUs), 2006-2013 [182]

 

Griechenland                     2006                      2010                      2011                      2012                      2013

 

Anzahl KMUs                    923,000                745,677                727,883                578,534                 531,059

 

 

 

Im selben Zeitraum stieg der Anteil der faulen Kredite am Gesamtvolumen der vergebenen Kredite auf 33,8% im ersten Quartal 2014 verglichen mit nur 4,3% im Jahr 2008. Im Juni 2014 schätzte der IWF, dass die Performance von 40% aller Darlehen, die Ende 2013 durch griechische Banken vergeben wurden, nicht entsprechend war. [183]

 

Gleichzeitig sorgte der EU-Imperialismus dafür, dass die griechische Regierung der Privatisierung der verbliebenen öffentlichen Betriebe zustimmte und sogar Teile seines Territoriums verkaufte (bis zu 100 von Griechenlands unberührten Inseln). Es ist nur logisch, dass das die Dominanz der ausländischen Monopole über die griechische Wirtschaft noch verstärken wird.

 

 

 

IV.2 Schuldenexplosion und die nahezu totale Abhängigkeit Griechenlands von den imperialistischen Mächten

 

 

 

Wie bereits festgestellt verstärkt die Krisenperiode seit 2008 die finanzielle Unterjochung Griechenlands unter die imperialistischen Monopole und die EU noch weiter. In Abbildung 28 ist das massive Ansteigen von Griechenlands Defizit zwischen 1980 und 2014 zu sehen.

 

 

 

Abbildung 28: Akkumuliertes Defizit Griechenlands 1980–2014 [184]

 

 

 

 

 

Griechenlands Staatsschulden stiegen dramatisch von 113% des BIP im Jahr 2009, vor dem Beginn der Krise des Landes, auf über 175% seines BIP oder €317 Milliarden im Jahr 2014. Als Ergebnis ist Griechenlands Schuldenstand der zweithöchste der Welt.

 

Laut dem fortschrittlichen Ökonomen Eric Toussaint lagen 2009 etwa 80% der griechischen Staatsschulden in Händen von Privatbanken in sieben EU-Ländern. 50% davon fielen auf französische und deutsche Banken.

 

Die Intervention der EU gewährleistete, dass diese Privatbanken gerettet wurden und dass Finanzinstitutionen, vor allem die europäischen, Griechenlands Schulden übernahmen. Das wird in Abbildungen 29 und 30 ersichtlich.

 

 

 

Abbildung 29: Griechische Schulden, Oktober 2011: 350 Milliarden Euro [185]

 


 

 

 

Abbildung 30: Griechische Schulden—Ende 2014—321,7 Milliarden Euro [186]

 


 

 

 

Somit liegen zumindest 56% der Gesamtstaatsschulden des Landes in den Händen ausländischer imperialistischer Institutionen. [187]

 

Dasselbe Bild zeigt sich beim Blick auf die Entwicklung des Besitzes von Staatsanleihen in heimischer und ausländischer Hand. Seit Mitte des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts lag der Anteil ausländischer Besitzes gewöhnlich zwischen 60% und 77% (siehe Abbildung 31).

 

 

Abbildung 31: Griechenland: Besitz von Staatsanleihen durch inländische und ausländische Banken als Prozentsatz des Gesamtkapitals des Monetären Finanzinstitute (MFI) [188]

 

 

 


 

 

 

Ein kurzer historischer Rückblick zeigt, dass eine solche Dominanz von ausländischen Inhabern der Staatsschulden für imperialistische Staaten atypisch ist und vielmehr halbkoloniale Länder auszeichnet. Ein Team von Ökonomen des IWF präsentierte eine historische Studie, in der diese die nationale Zusammensetzung der Staatsschulden der “fortgeschrittenen Länder” (d.h. der imperialistischen Länder) untersuchten. Sie schlussfolgern:

 

Die Daten bestätigen, dass der Großteil der Schulden der fortgeschrittenen Ökonomien in lokaler Währung geführt wird, abgesehen von einigen wenigen Perioden und Ländern. Schuldenzeichnung in Fremdwährung machte vor dem Ersten Weltkrieg weniger als 5% der Staatsschulden aus. Das erhöhte sich auf 17% mit Ende der Konsolidierungsperiode nach dem Ersten Weltkrieg – als die USA Darlehen an ihre europäischen Alliierten vergaben, um Hilfs- und Wiederaufbaumaßnahmen zu finanzieren. Während der Großen Depression ging das zurück, was teilweise die Abschreibung von US-Krediten im Jahr 1934 und den Zweiten Weltkrieg, passend zum Ende der ersten Globalisierungswelle, widerspiegelt. Es gibt einen letzten Gipfelpunkt im Anteil der Fremdwährungsschulden in der unmittelbaren Periode nach dem zweiten Weltkrieg, v.a. in Deutschland, doch dieser Anteil sinkt von etwa 8% in den späten 1950ern auf ein vernachlässigbares Niveau heute. [189]

 

Abbildung 32 zeigt eine detaillierte Darstellung der Schlussfolgerungen der Autoren.

 

 

 

Abbildung 32: Anteil an Fremdwährungsschulden an den Staatsschulden, 1900-2011 [190]

 

 

 

 

 

Yannis Ioannides, ein anderer griechischer Ökonom, präsentiert Daten, die nahelegen, dass in der Zeit von 2007-2011 schon 2/3 bis ¾ der griechischen Staatsschulden in Händen von ausländischen Kreditgeber waren (Siehe Abbildung 33).

 

 

 

Abbildung 33: Wer hält die griechischen Staatsschulden? (2007-2011) [191]

 


 

In Abbildung 34 sieht man, wie sehr die imperialistischen Banken von der Gefahr der Zahlungsunfähigkeit Griechenlands betroffen waren ebenso wie den imperialistischen Banken die Hauptlast des Risikos dank der Intervention der EU-Troika in den letzten Jahren genommen wurde.

 

 

 

Abbildung 34: Auslandsansprüche an Griechenland [192]

 

Konsolidierte Auslandsansprüche der Banken an Griechenland (ultimative Risikobasis, Milliarden €)

 

 

 

 

 

 

Kurz, Griechenlands Schulden sind extrem hoch und das Land ist finanziell völlig von ausländischen imperialistischen Kreditgebern abhängig. Griechenlands Charakter als halbkoloniales Land war noch nie so deutlich.

 

Außerdem ziehen Auslandsmonopole Vorteile aus der gegenwärtigen Lage, indem sie sich billig griechische Betriebe und öffentliche nationale Bestände einverleiben. Das hat zu der Situation geführt, dass zusätzlich zu den traditionell dominanten US- und EU-Konzernen auch zunehmend chinesische Monopole in Griechenland investieren. Im November 2008 tätigte die chinesische staatliche Gesellschaft China Ocean Shipping Company COSCO eine der größten Investitionen, die jemals in Griechenland gemacht wurden, als sie einen Lizenzvertrag für den Betrieb und die Entwicklung der Piers II und III am Hafen von Piräus unterzeichnete. Die wachsende Rolle des chinesischen Imperialismus wird auch durch die engen Beziehungen, die griechische Schiffsmagnaten im letzten Jahrzehnt mit Peking gepflegt hatten, unterstrichen. [193]

 

Zuletzt sei die Tatsache erwähnt, dass das sogenannte “Rettungspaket” der EU, EZB und des IWF fast vollständig in die Taschen der Privatbanken und Spekulanten geflossen ist. Jubilee Debt Campaign berichtet:

 

Nicht das Volk von Griechenland hat von den Rettungskrediten des IWF, der EU und der Europäischen Zentralbank profitiert, sondern die europäischen und griechischen Banken, die dem griechischen Staat zuerst Geld geliehen hatten. Als die Rettungsaktionen von IWF, EU und EZB 2010 begannen, wurden der griechischen Regierung von sorglosen Banken und dem weiteren europäischen Finanzsektor €310 Milliarden geliehen. Seither vergab die Troika aus IWF, EU und Europäischer Zentralbank €252 Milliarden an die griechische Regierung. Davon wurden €34,5 Milliarden für verschiedene ‘Zuckerl’ verwendet, um den Privatsektor dazu zu bringen, die Schuldenumstrukturierung 2012 zu akzeptieren. €48,2 wurden zur Rettung griechischer Banken genutzt, die sich der Umstrukturierung anschlossen, die nicht zwischen griechischen und ausländischen Kreditgeber unterschied. €149,2 Milliarden wurden für die Bezahlung der eigentlichen Schulden und Zinsen an die Geldgeber ausgegeben. Das heißt, dass weniger als 10% des Gelds das Volk von Griechenland erreicht hat. Heute liegen die Schulden Griechenlands noch immer bei €317 Milliarden. €247,8 Milliarden – 78% der Schulden – gehören der Troika aus IWF, Europäischer Union und Europäischer Zentralbank, d.h. öffentlichen Institutionen in der EU, aber auch auf der Welt. Die Rettungsaktion kam dem europäischen Finanzsektor zu Gute, indem die Schulden des Privatsektors auf den öffentlichen Sektor übertragen wurden. [194]

 

 

 

IV.3 Die EU-Troika: Griechenland als De-Facto-Kolonie des EU-Imperialismus

 

 

 

In den letzten Jahren wurde Griechenland durch den EU-Imperialismus gezwungen, immer größere Teile seiner Souveränität aufzugeben. In Abbildung 35 ist ersichtlich, dass etwa €237 von €320 Milliarden in Händen der europäischen imperialistischen staatlichen Finanzinstitutionen und der EZB liegen.

 

 

 

Abbildung 35: Wer besitzt Griechenlands Staatsschulden? (Stand: Ende 2014) [195]

 

 

 

 

 

Mit dem Dritten Memorandum, unterzeichnet von der linksreformistischen SYRIZA-Regierung im Sommer 2015, erreichte diese Neokolonisierung Griechenlands einen neuen Höhepunkt. Gleich auf Seite 1 des Dritten Memorandums wird klargestellt:

 

Die Regierung verpflichtet sich, die Europäische Kommission, die Europäische Zentralbank und den Internationalen Währungsfond bezüglich aller Aktionen, die für die Erreichung der Ziele des Memorandums relevant sind, hinzuzuziehen und mit ihnen abzustimmen, bevor sie abgeschlossen und gesetzlich beschlossen werden (…) Die Bedingtheiten werden quartalsweise aktualisiert. [196]

 

Kurz, die griechische Regierung ist verpflichtet, die Zustimmung der EU-Troika abzuwarten, bevor sie zu einer Abstimmung im Parlament über relevante ökonomische und soziale Maßnahmen, die gesetzlich verankert werden sollen, aufrufen kann! Mehr als sonst etwas zeigt diese Verfügung die politische Unterwerfung Griechenlands unter das Diktat der imperialistischen EU, die es unwiderleglich zu einem halbkolonialen Land macht.

 

Das Dritte Memorandum diktiert der griechischen Regierung auch, dass sie die Mehrwertsteuer auf 23% erhöhen, Löhne und Vergünstigungen im öffentlichen Sektor kürzen, das Pensionsalter auf 67 hinaufsetzen, massive Privatisierungen durchführen und einen neuen Fonds zum Management des Ausverkaufs des staatseigenen Vermögens errichten muss. Dieser Fonds wird technisch von der griechischen Regierung geführt, tatsächlich wird er von den “relevanten europäischen Institutionen beaufsichtigt”.

 

Als Teil dieses Programms war die griechische Regierung zum Beispiel gezwungen, dem deutschen Monopol Fraport 14 Flughäfen bis ins Jahr 2055 zu verpachten, einschließlich jenen von Thessaloniki wie auch jene der für den Tourismus wichtigen Inseln wie Rhodos, Korfu und Kos. [197]

 

 

 

IV.4 Exkurs: Die KKE und der Klassencharakter Griechenlands

 

 

 

Es folgt nun eine kurze Auseinandersetzung mit einigen Argumenten der griechischen Linken – vor allem der stalinistischen KKE, die eine reformistische Massenpartei der ArbeiterInnenbewegung ist. Natürlich weist die RCIT die Position der KKE-Führung, die vor Kurzem eine Kehrtwendung in ihrer Analyse vollzogen hat und jetzt behauptet, dass Griechenland ein normales imperialistisches Land ist, zurück. Wie bekannt, waren die griechischen StalinistInnen bis vor wenigen Jahren “linke” Patrioten, die das Land als Kolonie der USA und des EU-Imperialismus sahen und sich an den griechischen Chauvinismus anpassten.

 

Heute behauptet die KKE-Führung genau das Gegenteil. In ihrem neuen Programm von 2013 schreibt die KKE: “Der Kapitalismus in Griechenland ist im imperialistischen Stadium seiner Entwicklung, in einer Zwischenposition im internationalen imperialistischen System, mit starken ungleichen Abhängigkeiten von den USA und der EU (…) Die Teilnahme Griechenlands in der NATO, die ökonomisch-politischen und politisch-militärischen Abhängigkeiten von der EU und den USA begrenzen den Raum der griechischen Bourgeoisie zu unabhängigen Bewegungen, denn alle Bündnisbeziehungen des Kapitals werden von Konkurrenz, Ungleichheit und folglich dem Vorrecht des Stärksten beherrscht; es sind Wechselbeziehungen der ungleichen Abhängigkeit.” [198]

 

Kurz, die KKE behauptet, dass Griechenland ein kleinerer imperialistischer Staat ist. Die KKE-Führung verteidigte diese Position in verschiedenen Artikeln. Aleka Parariga, bis vor Kurzen KKE Generalsekretär, schrieb:

 

Die Grundposition des Opportunismus in Griechenland ist, dass das Land unter deutscher Besatzung steht, dass es sich zu einer Kolonie wandelt oder gewandelt hat und vor allem von Fr. Merkel und den Gläubigern geplündert wird. Die Triade der Vertretung der EU, der Europäischen Zentralbank und des IWF, die das Management der In- und Auslandsschulden, die Finanzdefizite überwacht und entscheidet, wird neben Deutschland selbst als Hauptfeind gesehen. Sie beschuldigen die bürgerliche Klasse des Landes und die Regierungsparteien des Verrats, nennen sie unpatriotisch, unterwürfig und dienstbar für deutsche Gläubiger und Banken.

 

Wer von Unterwürfigkeit und Besatzung spricht, anerkennt nicht den Kapitalexport Griechenlands (ein typisches Kennzeichen des Kapitalismus im imperialistischen Stadium), der vor der Krise bedeutend war und während der Krise unvermindert anhält. Der Kapitalexport wird als Vermögensanlage in andere Länder und natürlich zu europäischen Banken durchgeführt, bis die Bedingungen so liegen, dass sie in den Prozess der Gewährleistung des höchstmöglichen Profit wieder eintreten können. Sie sehen eine Kapitalknappheit und keine Überakkumulation.

 

Sie sehen die Überakkumulation nicht, weil sie gezwungen werden, den Charakter der kapitalistischen Wirtschaftskrise zuzugeben, was ihre im Dienste der Monopole stehenden politischen Projekte verblasen lassen würden. Die bürgerlichen Parteien ebenso wie die Opportunisten unterstützen trotz ihrer diversen Differenzen die Rettung der Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Monopole, die unausweichlich reaktionäre Restrukturierungen mit sich bringt, die billigere Arbeitskräfte, Verstärkung der staatlichen Einschüchterung, Unterdrückung und Antikommunismus gewährleisten sollen und gleichzeitig fokussieren sie sich auf die Expansion des griechischen Kapitals in der Region (Balkan, Ostmittelmeerländer, Schwarzmeergebiete). Das ist ein Teufelskreis, der zu einem neuen und tieferen Krisenzyklus führt.

 

Lenin und seine Arbeiten zum Imperialismus zeigen, dass der Vergleich nicht zwischen entwickelten kapitalistischen Ländern und rückständigen kapitalistischen Ländern gezogen wird, sondern zwischen Kapitalexporten, etwas was das Opportunisten überall nicht gern haben und nicht anerkennen, weil ihre Sicht, die Besatzung Griechenlands, dass Griechenland eine Kolonie ist, allein durch dieses Kriterium entkräftet wird. (…)

 

Die Position der KKE, dass Griechenland zum imperialistischen System gehört, organisch ihm verbunden ist und eine aktive Rolle im Krieg als Verbündete der führenden Kräfte spielt, ist damit folglich absolut bestätigt. Es ist die Entscheidung im Interesse der Bourgeoisie, die zweimal den britischen und US-Imperialismus eingeladen hat, das bewaffnete Volk mit militärischen Mitteln, Waffen und offenen Militäroperationen zu zerschlagen. [199]

 

Ein anderer KKE-Führer will Griechenlands Abhängigkeit von den imperialistischen Monopolen herunterspielen, indem er die banale Wahrheit, dass im Zeitalter des Imperialismus alle Länder voneinander abhängig sind (“interdependent”), bemüht. So schrieb das Mitglied des KKE-Politbüros Stefanos Loukas:

 

Wir beziehen uns auf das Thema der Abhängigkeit als eine wechselseitige der kapitalistischen Staaten und ihr dialektisches Verhältnis zur ökonomischen Basis des Kapitalismus. Auf einer politischen Ebene und umso mehr in internationalen Beziehungen ist es falsch, die Ursachen bekannter Probleme der “Abhängigkeit” zuzuschreiben oder von der Möglichkeit ihrer Abschwächung zu sprechen, falls es keine “Abhängigkeit” gäbe (sogar außerhalb zwischenstaatlicher Vereinigungen werden bilaterale Beziehungen durch die “Macht” der Monopole bestimmt), ohne die Erstursache, die die kapitalistischen Produktionsverhältnisse sind, aufzuzeigen.”[200]

 

Und ein weiteres KKE-Mitglied spricht die Dinge unmissverständlich aus: “Griechenland ist ökonomisch und politisch ein vollentwickeltes monopolkapitalistisches Land. (…) Griechenland ist ein monopolkapitalistisches Land, weil sich die wichtigsten konzentrierten Produktionsmittel und die zentralsten Machtstrukturen in den Händen des Finanz- oder auch allgemeiner Großkapitals befinden. Auch wenn einigen der Grad der Monopolisierung verhältnismäßig klein erscheinen mag, ist die politische Herrschaft mindestens genauso eindeutig wie in jedem anderen entwickelten imperialistischen Land.(…) . Eine andere Tatsache ist, dass die strategischen Interessen des griechischen Großkapitals mit der EU und den USA verbunden sind. [201]

 

Es gibt auch diverse ZentristInnen, die meinen, dass Griechenland ein kleineres imperialistisches oder “sub-imperialistisches” Land sei. [202] Wir glauben, dass eine Reihe griechischer SozialistInnen ihr Land als “imperialistisch” bezeichnen als Resultat ihres Wunsches, sich dem griechischen Chauvinismus wie auch der erbärmlichen Volksfrontpolitik, die sich auf eine phantomhafte nationale Bourgeoisie hin orientiert, entgegenzustellen. Während wir diesen Wunsch, sich den politischen und wirtschaftlichen Interessen der griechischen Bourgeoisie zu widersetzen, teilen, denken wir, dass es aus marxistischer Sicht wissenschaftlich falsch ist, Griechenland als imperialistischen oder sub-imperialistischen Staat zu betrachten. Das öffnet die Tür zu einer Reihe von taktischen Fehlern im Klassenkampf.

 

Im Fall der KKE war der Schwenk nicht von neuen Erkenntnissen oder einer prinzipiellen Opposition gegen den griechischen Chauvinismus motiviert. Ihre Geschichte zeichnet sich durch den Wunsch aus, mit “demokratischen”, “antifaschistischen” oder “nationalen” Teilen der Bourgeoisie zusammenzuarbeiten – eine Jagd nach einem Phantom mit zerstörerischen Folgen für die griechische ArbeiterInnenklasse. Die verheerendsten Folgen waren der Verrat des Widerstandskampfs 1944-46 und der Eintritt in Koalitionsregierungen mit der konservativen ND sowie auch einer mit der ND und der PASOK in der Periode 1989-90. Die wahre Motivation der KKE-Führung für den Schwenk ist eher ihr bürokratisches Bedürfnis, ihre Zurückweisung jeder Einheitsfronttaktik gegenüber der SYRIZA (deren Ideologen die traditionelle These von Griechenland als einem abhängigen Land geteilt haben) zu rechtfertigen.

 

Wie in dieser Publikation gezeigt, hat die griechische Bourgeoisie tatsächlich einige “imperialistische” Merkmale (ihre Stärke in der Handelsschifffahrt, ihren Kapitalexport in die Balkanländer, die bedeutende Anzahl der MigrantInnen in Griechenland). Doch diese Faktoren werden von Griechenlands jahrhundertealter Beherrschung durch imperialistische Monopole und Großmächte stark überschattet – und diese wurden im letzten Jahrzehnt noch verstärkt. Ja, griechische Kapitalisten haben Kapital ins Ausland exportiert, doch gleichzeitig kaufen ausländische Kapitalisten griechische Unternehmen in weit höherem Ausmaß auf. Griechenland wird außerdem wegen seiner extrem hohen Auslandsschulden von imperialistische Banken überausgebeutet. Als Folge dessen hat Griechenland den schlechtesten Negativwert an Auslandsvermögen in Europa (gemeinsam mit Portugal).

 

Die bizarre Position der KKE steht in krassen Widerspruch zu ihrer eigenen Einschätzung im vorhergehenden Programm von 1996. Damals sah die KKE Griechenland noch als “abhängiges Land”, das “vom internationalen Monopolkapital kontrolliert” wurde:

 

Griechenland ist in einer mittleren und abhängigen Position im weltimperialistischen System. Es gibt historische Gründe dafür: der langsame und schwierige Beginn des Kapitalismus in Griechenland, der unter der direkten wirtschaftlichen, politischen und militärischen Beteiligung mächtiger kapitalistischer Staaten und unter Bedingungen der Abhängigkeit von Auslandskapital stattfand. Der Monopolkapitalismus erschien in Griechenland später als in den entwickelten kapitalistischen Ländern und nachdem das internationale imperialistische System bereits geschaffen war, mit dem Ergebnis, dass er auf relativ niedriger materieller und technischer Basis stand. In den Jahren nach der Diktatur entwickelte sich der staatliche Monopolkapitalismus weiter, die Abhängigkeit vom ausländischen Monopolkapital und dem internationalen Imperialismus wuchs. (…) Das internationale Monopolkapital kontrolliert die griechische Wirtschaft und ihre Hauptaktivitätsbereiche. (…) Das griechische Volk wird von den Fesseln und Auswirkungen der kapitalistischen Ausbeutung und imperialistischen Unterdrückung und Abhängigkeit frei werden, wenn die ArbeiterInnenklasse und ihre Verbündeten die sozialistische Revolution herbeiführen und den Aufbau des Sozialismus und Kommunismus vorantreiben.”[203]

 

Es ist äußerst absurd, dass die KKE 2013 eine 180°-Wendung ihrer Position zum griechischen Klassencharakter vollzog – zu einer Zeit, in der Griechenland viel mehr vom internationalen Finanzkapital und der EU-Troika unterworfen war als im Jahre 1996!

 

Folglich hat die KKE-Führung auch ihre taktische Position zur Mitgliedschaft in der EU und der Eurozone geändert. Während sie in der Vergangenheit für einen Austritt aus der EU und der Eurozone eintrat, erklärt sie heute, dass sie einen Austritt aus der Eurozone als “katastrophal” betrachtet: “… obwohl ihre Partei im Allgemeinen für eine Loslösung von der EU ist, wäre eine Lösung außerhalb des Euro und eine Rückkehr zur Drachme unter den gegenwärtigen Umständen katastrophal.” (Aleka Papariga in der KKE-Zeitung “Rizospastis”, 31.5.2011, S.6) [204]

 

Trotz all ihrer hysterischen Denunziationen der SYRIZA als eine Partei, die den europäischen Imperialisten dient, scheut die KKE-Führung selbst – während sie “prinzipiell” gegen die EU ist - heute vor dem Aufruf zum Austritt Griechenlands aus der EU und der Eurozone zurück! Sie trat auch im Programm von 2013 nicht für einen solchen Austritt ein.


V. Programmatische Schlussfolgerungen

 

 

 

Kommen wir nun zu den programmatischen Schlussfolgerungen unserer Analyse von Griechenland als fortgeschrittene Halbkolonie mit besonderen Kennzeichen. Hier ist nicht der Platz für ein volles Aktionsprogramm für Griechenland, was tatsächlich eine wichtige Aufgabe in der gegenwärtigen Periode ist. An diesem Punkt liegt der Fokus nur auf einigen besonderen Aspekten, die direkt mit den auf den Klassencharakter Griechenlands abgestimmten Taktiken verbunden sind. [205]

 

Vor der Behandlung spezieller taktischer Fragen muss noch einmal betont werden, dass im Gegensatz zu den Linksreformisten – sei es die KKE, LAE oder andere – die RCIT die Strategie einer Volksfront, d.h. die Orientierung auf eine Klassenkollaboration mit einem “patriotischen” oder “demokratischen” Sektor der griechischen Bourgeoisie ablehnt. Die historische Erfahrung sowohl Griechenlands wie auch international zeigt überzeugend, dass ein solcher Sektor der Bourgeoisie ein Phantom ist, d.h. er existiert nur in der Fantasie von politischen Wirrköpfen oder willigen Handlangern. Die einzig wahre Heimat der Kapitalisten ist kein einzelnes Land, sondern ihr Profit. Sie werden “ihr” Land immer dem Interesse ihrer persönlichen Geschäftsaktivitäten unterordnen. In Fällen, in denen sie zeitweilig ihr Land “verteidigen”, tun sie das auf eine Weise, die die ArbeiterInnenklasse ihrem Diktat unterordnet und die Profite nicht schmälert.

 

Die illusionären Hoffnungen der LAE und anderer auf eine Allianz mit dem “nationalen” Sektor der griechischen Bourgeoisie sind besonders in einem Land wie Griechenland absurd. Die griechische Bourgeoisie hat einen extrem kosmopolitischen Charakter und sie hat in ihrer gesamten Geschichte dem Imperialismus loyal als lokaler Handlager gedient.

 

Im Gegensatz zu einer solch reformistischen Sackgasse muss die ArbeiterInnenklasse in Griechenland, die multinational ist und viele MigrantInnen in ihren Reihen aufweist, unabhängig für ihre Befreiung kämpfen. Sie muss ihren Kampf gegen die imperialistischen Herrscher Griechenlands einschließlich ihrer Lakaien – die griechische Bourgeoisie – richten. Das Proletariat muss danach streben, das städtische besitzlose Kleinbürgertum wie auch die Kleinbauern in den Kampf für demokratische und antikapitalistische Forderungen um sich zu sammeln. Die ArbeiterInnenklasse muss sich weiters im Kampf mit ihren Klassenbrüdern und –schwestern in der Region vereinigen – d.h. mit den europäischen ArbeiterInnen und Besitzlosen wie auch mit jenen im Nahen Osten. Letztere können eine dynamische Rolle spielen angesichts der neuen Erfahrung der Arabischen Revolution, die im Dezember 2010 begann. [206]

 

 

 

V.1 Die taktische Losung des Austritt Griechenlands aus der EU

 

 

 

Die RCIT betrachtet die Losung des Austritts aus der EU als einen notwendigen und unerlässlichen Teil eines revolutionären Aktionsprogramms für Griechenland heute. Griechenland war immer ein abhängiges und untergeordnetes Land in der EU. Im Gegensatz zu reformistischen Illusionen der SYRIZA und ihrer Freunde in der ex-stalinistischen Partei der europäischen Linken ist die EU ihrem Wesen nach eine imperialistische Institution, dominiert von Deutschland und Frankreich. Dieser Charakter kann nicht reformiert oder verändert werden. [207] Jedwede substanzielle Veränderung in Griechenlands Wirtschaft und Sozialpolitik ist innerhalb der imperialistischen EU unmöglich. Jedweder Versuch einer griechischen Regierung – auch einer reformistischen – würde von Brüssel sofort mit einem Veto belegt werden. Das war zu sehen, als der damalige Premierminister Papandreou (PASOK) es wagte, eine Volksbefragung zu einem EU-Memorandum 2010 in Betracht zu ziehen. Er musste nach massivem Druck aus Brüssel sofort zurücktreten. Als das griechische Volk Anfang 2015 SYRIZA wählte, um die Regierung auf Grundlage einer gegen ein Sparpaket gerichteten Plattform anzuführen oder als es im Juli des gleichen Jahres mit OXI gegen das Dritte Memorandum stimmte, zwang die imperialistische EU die Regierung, den Volkswillen niederzutrampeln. Lenins Einschätzung der imperialistischen Einigung Europas gilt noch immer: Vom Standpunkt der ökonomischen Bedingungen des Imperialismus, d. h. des Kapitalexports und der Aufteilung der Welt durch die ‚fortgeschrittenen’ und ‚zivilisierten’ Kolonialmächte, sind die Vereinigten Staaten von Europa unter kapitalistischen Verhältnissen entweder unmöglich oder reaktionär. [208]

 

Natürlich begründet die Losung für Griechenlands Austritt aus der EU für sich genommen noch kein unabhängiges Programm noch ist sie ein strategisches Ziel. Sie ist nicht mehr und nicht weniger als eine unerlässliche Taktik als Teil einer breiteren Strategie: um Griechenland aus der imperialistischen Unterwerfung zu befreien und für eine wahrhaftige ArbeiterInnenregierung zu kämpfen, welche die Enteignung der imperialistischen und heimischen Bourgeoisie anstrebt und die Wegbereitung zum Sozialismus eröffnet. Die RCIT weist das national-reformistische Programm à la Costas Lapavitsas und der LAE-Führung zurück. [209] Nein, der national-kapitalistische Weg ist eine Sackgasse. Lapavitsas & Co verstehen nicht, dass von dem Moment an, in dem eine fortschrittliche Regierung in Athen mit der Verstaatlichung der Banken beginnt und ernsthafte Kapitalkontrolle ausübt oder sobald eine solche Regierung Schritte unternimmt, Kernbereiche der Wirtschaft zu verstaatlichen und sie zur Wiederbelebung der Wirtschaft zu nutzen, die Kapitalisten beginnen würden, ihren Reichtum zu verstecken und ins Ausland zu schicken. Gleichzeitig würde die Bourgeoisie alles in ihrer Macht Stehende versuchen, eine solche Regierung mit einer bösartigen Medienkampagne gegen sie zu sabotieren und nötigenfalls das Armeeoberkommando in Position für einen Putsch zu bringen (wie sie es schon viele Male in Griechenlands Geschichte getan hat).

 

Mit anderen Worten, jedwede ernsthafte Intervention für eine radikale Veränderung der Sozial- und Wirtschaftspolitik wird unmittelbar in die Konfrontation mit der herrschenden Klasse münden: entweder sie oder wir. Entweder ist eine solch fortschrittliche Regierung bereit, die Bourgeoisie voll zu enteignen und ihren Staatsapparat zu zerschlagen – oder die herrschende Klasse wird die fortschrittliche Regierung stürzen.

 

Die Losung für den Austritt Griechenlands aus der EU muss daher in Verbindung mit Losungen für die Enteignung der Monopolkapitalisten in Griechenland gestellt werden. Diese Losungen sollen zu einer ArbeiterInnen- und Volksregierung in Griechenland aufrufen und für eine sozialistische Revolution für den Aufbau einer ArbeiterInnenrepublik mobilisieren: Für ein unabhängiges und sozialistisches Griechenland!

 

Die Losung muss auch mit der Perspektive des internationalen Klassenkampfs der europäischen und arabischen ArbeiterInnenklasse verknüpft sein. Griechische SozialistInnen sollen an die ArbeiterInnensolidarität ihrer europäischen Brüder und Schwestern appellieren. Letztere erhalten keine Vergünstigungen aus der Erpressung des griechischen Volks durch die EU-Troika. Ganz im Gegenteil leiden die Werktätigen im Rest Europas ähnlich unter der reaktionären Austeritätspolitik der herrschenden Klasse in der EU. Eine solch internationalistische Strategie würde also den Kampf für ein unabhängiges sozialistisches Griechenland mit dem Kampf für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa verbinden.

 

Es gibt SozialistInnen in Griechenland und international, die unsere Position der Unreformierbarkeit der EU wie auch der Zurückweisung eines national-kapitalistischen Wegs teilen. Sie unterstützen jedoch nicht unsere Taktik des Austritts Griechenlands aus der EU, denn sie glauben, dass das die Aufmerksamkeit der griechischen ArbeiterInnen von der Notwendigkeit des Kampfs um eine internationalistische europäische Perspektive abziehen würde.

 

Wir glauben, dass diese GenossInnen falsch liegen. Erstens sind sich die GenossInnen oft nicht völlig im Klaren bezüglich des Klassencharakters Griechenlands und weisen entweder unsere Position zu Griechenland als Halbkolonie zurück oder lassen die Frage unbeantwortet. Doch die ist entscheidend, denn MarxistInnen müssen ihre Taktiken in Verbindung mit der Analyse des Klassencharakters einer Landes – ob sie es mit einem imperialistischen oder einem halbkolonialen Land zu tun haben – entwickeln. Wir unterstützen den Widerstand unterdrückter Völker gegen ihre Unterdrücker und daher verteidigen wir halbkoloniale Länder gegen imperialistische Staaten (oder imperialistische Bündnisse wie die EU); wir ergreifen keine Partei in Konflikten zwischen zwei imperialistischen Ländern oder Lagern. Konkret heißt das, dass die RCIT ihre taktische Position zum Verbleib in der EU differenziert: wir rufen halbkoloniale Länder dazu auf, aus der EU auszutreten, doch im Fall imperialistischer Länder nehmen wir eine defätistische Position ein und rufen weder für Verbleib in noch für Austritt aus der EU auf. Diese Differenzierung zeigt übrigens, warum wissenschaftliche Klarheit für MarxistInnen so wichtig ist um Klarheit zu haben, wenn es um die Ableitung von Taktiken für den Klassenkampf geht. [210]

 

Zweitens unterstützen solche GenossInnen implizit ein ökonomistisches Verständnis der demokratischen Frage. Der Kampf um demokratische Rechte – um nationale Befreiung, gleiche Rechte für MigrantInnen, Frauen etc. – lenkt die ArbeiterInnenklasse niemals vom strategischen Ziel ihrer Befreiung ab, sofern er auf korrekte Weise dargelegt wird, d.h. als Teil eines Übergangsprogramms, das auf ArbeiterInnenmacht abzielt. Wir erinnern diese GenossInnen daran, dass der Kampf für Vereinigte Sozialistische Staaten von Europa unter keinen Umständen über die Institutionen der imperialistischen EU vorangetrieben wird. Er kann und wird nur über die Zerstörung der EU als Teil des Kampfs für die sozialistische Revolution in jedem europäischen Land und quer über den ganzen Kontinent fortschreiten.

 

Diese GenossInnen betonen, dass ein Austritt Griechenlands aus der EU ohne sozialistische Revolution das kapitalistische Elend des griechischen Volks nicht beseitigen würde. Darauf antworten wir, dass das bei vielen Minimal- und demokratischen Forderungen so ist. Wie oft ist es geschehen, dass ArbeiterInnen höhere Löhne erkämpft haben und die Kapitalisten das ausgleichen, indem sie die Preise oder die Arbeitsintensität erhöhen? Italienische Lohnabhängige erfuhren das in den 1970er Jahren viele Male! Ist es nicht so, dass afrikanische Länder die Fortsetzung des Elends erleben, nachdem sie die Unabhängigkeit von den Kolonialmächten erlangt haben? Ist es nicht so, dass die Unterdrückung der Frauen weiter geht, obwohl sie das Wahlrecht ausüben dürfen? Unsere Kritiker werden darin übereinstimmen, dass nur ein ultralinker Dummkopf aus diesen Tatsachen schließen kann, dass SozialistInnen nicht um höhere Löhne, Unabhängigkeit der Kolonien oder Wahlrecht für Frauen kämpfen sollen! Es ist die Aufgabe für SozialistInnen, solch minimale und demokratische Forderungen derart zu erheben, dass sie die ArbeiterInnenklasse darin unterstützen, ihre Kräfte zu mobilisieren und die Massen um sie zu sammeln, den imperialistischen Feind und die herrschende Klasse zu schwächen und den Weg zur sozialistischen Revolution zu weisen. Das gleiche gilt auch für die Losung des Austritts Griechenlands aus der EU.

 

 

 

V.2 Das Programm für die völlige Gleichberechtigung der MigrantInnen

 

 

 

Der Kampf gegen Griechenlands Unterwerfung unter die imperialistische EU darf den Fokus der SozialistInnen nicht vom Kampf gegen alle Formen des reaktionären griechischen Chauvinismus ablenken. Solcher Chauvinismus zeigt sich vor allem in zweierlei Weise: Unterdrückung und Rassismus gegen MigrantInnen und anti-mazedonischer Nationalismus. Die RCIT betrachtet die nationale Unterdrückung und Überausbeutung von etwa einer Million MigrantInnen in Griechenland als wesentliches Thema für SozialistInnen und die gesamte ArbeiterInnenklasse.

 

SozialistInnen in Griechenland müssen für volle Gleichheit der MigrantInnen eintreten. Solche Gleichheit schließt volle StaatsbürgerInnenrechte, gleichen Lohn für gleiche Arbeit, vollen Zugang zu Sozialleistungen usw. mit in. Ein weiterer wichtiger Aspekt des Programms für revolutionäre Gleichheit ist der Kampf für die Abschaffung der offiziellen Staatssprache. Alle Sprachen sollen gleich behandelt werden. MigrantInnen wie auch andere nationale Minderheiten in Griechenland sollen die Möglichkeit haben, Ausbildung an Schulen und Universitäten in ihrer Muttersprache zu erhalten. Dieselben Regeln sollen für Gerichte, öffentliche Verwaltung und die Medien gelten.

 

Gegen die wachsende Bedrohung faschistischer Gewalt ist es wesentlich, bewaffnete Selbstverteidigungseinheiten, bestehend sowohl aus MigrantInnen und den Organisationen der ArbeiterInnenbewegung, aufzubauen.

 

SozialistInnen sollen von der Führung der SYRIZA, der KKE und allen Gewerkschaften fordern, die Werktätigen für den Kampf zur Umsetzung dieser Forderungen zu mobilisieren. Es ist wichtig, die Bildung einer revolutionären MigrantInnenbewegung zu unterstützen. Die Gewerkschaften müssen gleichfalls in eine multinationale militante Kraft umgewandelt werden, die auch die Interessen der ArbeiterInnen mit Migrationshintergrund wirklich repräsentiert.

 

Ebenso sollen sich SozialistInnen an ernsthafter Solidaritätsarbeit mit Flüchtlingen als Teil der internationalen Massensolidaritätsbewegung, die sich kürzlich bildete, engagieren. Sie sollen sich gegen das imperialistische Grenzregime der EU (Frontex usw.) aussprechen und offene Grenzen für alle MigrantInnen und Flüchtlinge fordern. Sie sollen das Recht haben, durchs Land zu reisen oder mit allen demokratischen Rechten zu bleiben, solange sie wollen. SozialistInnen sollen sich gegen Abschiebungen wenden und für die Auflösung der Abschiebelager und Aufnahmezentren eintreten.[211]

 

Gleichzeitig sind SozialistInnen gegen die Diskriminierung der griechischen Lohnabhängigen im Ausland und kämpfen für ein ebensolches Programm für Gleichheit.

 

 

 

V.3 Der Kampf gegen den griechischen Chauvinismus: Die mazedonische Frage

 

 

 

Ein weiteres wichtiges Thema für griechische SozialistInnen ist ihre Haltung zur mazedonischen Frage. Unserer Meinung nach ist es Pflicht von SozialistInnen, sich dem reaktionären griechischen Chauvinismus, der gegen die Mazedonier wie auch gegen die muslimische Minderheit in Thrakien gerichtet ist, entgegenzustellen. Es stimmt natürlich, dass die mazedonische Minderheit wie auch die einheimische muslimische Minderheit in Griechenland relativ klein sind (50.000 und 110.000 Menschen). Die zentrale Bedeutung der Einnahme eines prinzipienfesten, d.h. eines proletarisch-internationalistischen Standpunkts zu dieser Frage ist, dass RevolutionärInnen nur dann griechische ArbeiterInnen von den ideologischen Ketten ihrer Bourgeoisie wegbrechen können, wenn sie dem traditionellen Chauvinismus gegen die nationalen Minderheiten offen entgegentreten.

 

Leo Trotzki erklärte in einer Diskussion mit griechischen Unterstützern im Jahr 1932, als er erkannte, dass Letztere für das Recht der Mazedonier auf Selbstbestimmung nicht entschieden eintraten:

 

Ich möchte noch einmal die Frage von Makedonien und Epirus aufwerfen. So weit ich verstehe, wurde dieser Frage bisher nicht viel Bedeutung gegeben. Jedoch ist diese Frage für die Erziehung der griechischen Arbeiter sehr bedeutend, um sie von nationalen Vorurteilen zu befreien, um ihr Verständnis der internationalen Lage auf dem Balkan und allgemein zu verbessern. [212]

 

Wir können ohne Übertreibung sagen, dass die mazedonische Frage für den griechischen Chauvinismus dieselbe Wichtigkeit hat wie die Kosovofrage für den serbischen. Beide sind zentraler Teil der politischen DNA des bürgerlichen Staats und seiner nationalen Ideologie. Beide müssen kompromisslos als Teil des Kampfes für die Befreiung der ArbeiterInnenklasse und der Unterdrückten in diesen Ländern bekämpft werden.

 

Griechische SozialistInnen müssen einen scharfen ideologischen Kampf gegen die reaktionären Mythen über die angeblichen historischen Grundlagen für die Behauptung, dass Mazedonien zu Griechenland gehört, führen. Wie oben gezeigt hatte das ägäische Mazedonien in Wahrheit eine nicht-griechische Mehrheit, als es von Griechenland 1913 annektiert wurde. Es wurde zu einer überwiegend von Griechen bewohnten Region erst, nachdem die darauffolgenden Regierungen systematisch den Großteil der einheimischen Bevölkerung vertrieben und an ihrer Stelle Griechen ansiedelten (viele davon selbst Flüchtlinge aus Kleinasien).

 

Der Kampf für die mazedonische Minderheit muss eine Reihe wesentlicher Forderungen beinhalten. Zuerst und vor allem muss er die mazedonische Forderung unterstützen, als nationale Minderheit anerkannt zu werden. Er muss für vollständige Gleichstellung eintreten, was die bedingungslose Unterstützung der Forderung nach Verwendung der eigenen Sprache im Bildungswesen wie in der öffentlichen Verwaltung, nach gleichem Zugang zu den Medien (in ihrer Muttersprache, wenn gewünscht) usw. umfasst. Zusätzlich sollen SozialistInnen von der griechischen Regierung adäquate Kompensation für die Nachfahren der vertriebenen slawisch-mazedonischen Familien, die heute Großteils in der Republik Mazedonien und Bulgarien leben, fordern. Außerdem müssen griechische SozialistInnen die offizielle Anerkennung der Republik Mazedonien mit diesem Namen (statt der lächerlichen Bezeichnung FYROM o.ä.) fordern. SozialistInnen müssen ebenso für alle demokratischen Rechte für die muslimische Minderheit in Thrakien eintreten.

 

SozialistInnen sollen für Autonomie und lokale Selbstverwaltung dieser Regionen und Gebiete mit einer starken mazedonischen Bevölkerung kämpfen wie auch für das Recht der nationalen Selbstbestimmung der verbleibenden Minderheit der slawischen MazedonierInnen (einschließlich des Rechts auf Abspaltung). Natürlich wäre es heute reaktionär, für die Vertreibung der Griechen, die seit Generationen im ägäischen Mazedonien leben, einzutreten. Das historische Verbrechen der Vertreibung des mazedonischen Volks aus dem ägäischen Mazedonien kann nicht ungeschehen gemacht werden. Aber SozialistInnen dürfen sicher nicht die “territoriale Integrität” Griechenlands gegen seine unterdrückten nationalen Minderheiten verteidigen. Wenn die MazedonierInnen, die hauptsächlich in Nordgriechenland nahe der Grenze zur Republik Mazedonien leben, die Abspaltung wünschen, müssen griechische SozialistInnen dies bedingungslos unterstützen.

 

Solch bedingungslose Unterstützung für das Recht auf Selbstbestimmung der unterdrückten Nationen war auch der Zugang, den Trotzki den griechischen MarxistInnen in Bezug auf die mazedonische Frage geraten hat:

 

Wir sagen bloß, daß, wenn es die Makedonier wollen, wir uns dann auf ihre Seite stellen werden, damit ihnen erlaubt werden soll zu entscheiden, und wir werden auch ihre Entscheidung unterstützen. Was mich beunruhigt ist nicht so sehr die Frage der makedonischen Bauern, sondern mehr, ob es nicht einen Zug chauvinistischer Vergiftung unter den griechischen Arbeitern gibt. Das ist sehr gefährlich. Für uns, die für eine Balkanföderation von Sowjetstaaten sind, ist es das Gleiche, ob Makedonien zu dieser Föderation als ein autonomes Ganzes oder Teil eines anderen Staates gehört. Wie auch immer, wenn die Makedonier von der bürgerlichen Regierung unterdrückt werden, oder fühlen, daß sie unterdrückt werden, müssen wir sie unterstützen.” [213]

 

Leider war das nur der Zugang von wenigen griechischen MarxistInnen. Vor allem ist es eine Schande, dass Synaspismos, die sich 1991 von der KKE abgespalten hat und die Vorgängerorganisation der SYRIZA war, die chauvinistischen anti-mazedonischen Mobilisierungen in den frühen 1990er Jahren mitgetragen hat! [214]

 

Zu ihrer Ehrenrettung sei erwähnt, dass die KKE an diesen Demonstrationen nicht teilnahm. Doch das kann die Tatsache, dass die griechischen Stalinisten jahrzehntelang “Patrioten” waren und die Existenz einer mazedonischen Minderheit in Griechenland geleugnet haben, nicht ungeschehen machen. [215] Damit leistete die KKE sowohl der griechischen herrschenden Klasse wie auch der Moskauer stalinistischen Bürokratie loyale Dienste, denn Letztere unterstützte den anti-mazedonischen Standpunkt als Teil ihres Kampfs gegen Titos Jugoslawien. Nach dem Zusammenbruch Jugoslawiens wie auch der UdSSR kann die KKE nun die Existenz nicht näher genannter “Minderheiten” in Griechenland akzeptieren. Ihr reaktionärer Patriotismus hat sich aber im Wesentlichen nicht geändert. In den Programmen der KKE von 1996 und 2013 werden die mazedonische oder die muslimischen Minoritäten nicht einmal erwähnt. Es ist nur logisch, dass sie auch jedwede Unterstützung für das Recht dieser nationalen Minderheiten auf Selbstbestimmung verweigern. Folglich bekannte die KKE im Programm von 1996, “die territoriale Integrität des Landes gegen die neue imperialistische Weltordnung zu verteidigen” und plapperte damit die reaktionäre Propaganda, dass mazedonische Ansprüche auf das ägäische Mazedonien Teil einer “internationalen Verschwörung gegen die griechische Nation” wären, nach. [216]

 

Gegen die opportunistische Anpassung an den griechischen Chauvinismus sollten alle wirklichen griechischen RevolutionärInnen die exzellente Erklärung von Pantelis Pouzliopoulos, der erste Generalsekretär der KKE und historische Führer des griechischen Trotzkismus in den 1920er und 1930er Jahren, unterstützen:

 

Wer immer die bis heute ungelöste Existenz der nationalen Frage Mazedoniens im griechischen, bulgarischen oder serbischen Mazedonien anfechtet, ist zweifelsohne ein Schoßhund der Bourgeoisie. Wer immer die historische Befreiungsbewegung der Mazedonier anfechtet, ist entweder unwissend und muss die Geschichte dieser Bewegung und ihrer nationalen Helden lernen oder ist wiederum ein Schoßhund einer der drei unterdrückenden Bourgeoisien. [217]

 

 

 

* * * * *

 

 

 

Wie bereits festgehalten, müssen all diese Forderungen und Taktiken als Teil eines revolutionären Aktionsprogrammes angewendet werden. Das bedeutet ein Programm für die sozialistische Revolution, d.h. einen bewaffneten Aufstand der ArbeiterInnenklasse in Griechenland und ganz Europa. Bei der Verfolgung dieser oder jener Taktik müssen RevolutionärInnen immer für die Selbstorganisation der ArbeiterInnen und Unterdrückten agitieren, so dass sie nicht auf den bürokratischen Apparat angewiesen sind, der die Gewerkschaften und die bürgerlichen ArbeiterInnenparteien wie KKE oder SYRIZA kontrolliert. Es ist daher wesentlich, in allen Kämpfen für die Bildung von Aktionskomitees an allen Arbeitsplätzen, in der Nachbarschaft, in Schulen, auf Universitäten und in den Dörfern einzutreten.

 

Der Kampf für ein solches Programm wie auch für seine Umsetzung in den einzelnen Fragen ist hoffnungslos, wenn er nicht von einer organisierten Kraft wirklicher MarxistInnen durchgeführt wird. Deshalb betrachtet die RCIT die Bildung einer revolutionären Partei als die wichtigste Aufgabe im Kampf gegen die imperialistische Unterjochung Griechenlands wie auch für die Befreiung der ArbeiterInnenklasse und der Unterdrückten. Eine solche Partei muss in der Tradition Lenins und der bolschewistischen Partei wie auch Trotzkis und seiner Vierten Internationale bis zu ihrer Degeneration 1948-52 stehen. [218]

 

Eine solche Partei kann nicht mechanisch gegründet werden; sie wird aus dem Klassenkampf heraus entstehen. Doch es ist dringend nötig, so bald als möglich eine revolutionäre Aufbauorganisation, die AktivistInnen auf Basis eines wahrhaft marxistischen Programms vereint und die für die Gründung einer solchen Partei kämpft, zu schaffen. Die RCIT freut sich darauf, mit griechischen RevolutionärInnen zusammenzuarbeiten und sie bei der Erreichung ihrer Ziele zu unterstützen!

 

Wir hoffen, dass die vorliegende Broschüre ein nützlicher Beitrag zur Diskussion unter den RevolutiolnärInnen in Griechenland sein wird, um den Klassencharakter Griechenlands und die sich daraus ergebenden Aufgaben zu klären. Wir freuen uns auf die Rückmeldungen und Kritik unserer griechischen Kampfgefährten.


VI. Zusammenfassende Thesen

 

 

 

Am Ende dieses Buches fassen wir die wichtigsten Schlussfolgerungen in Form einiger Thesen zusammen.

 

1.            Die Herausbildung von Monopolen und Großmächten führte zunehmend zur Einteilung der ganzen Welt in verschiedene Einflusssphären für die rivalisierenden imperialistischen Staaten und zur Unterwerfung der meisten Länder unter diese wenigen Großmächte. Daraus folgt ein wesentliches Merkmal von Lenins (und Trotzkis) Analyse des Imperialismus: die Charakterisierung der Beziehung zwischen den imperialistischen Staaten und der großen Mehrheit der Menschen, die in den kapitalistisch weniger entwickelten Ländern leben, als eine Beziehung von Unterdrückung und Überausbeutung.

 

2.            Die Beziehung zwischen den Staaten muss in ihrer Gesamtheit – also auf wirtschaftlicher, politischer und militärischer Ebene – betrachtet werden. So darf ein bestimmter Staat nicht nur als separate Einheit betrachtet werden, sondern in erster Linie in seinem Verhältnis zu anderen Staaten und Nationen. Ein imperialistischer Staat tritt in der Regel in eine Beziehung mit anderen Staaten und Nationen, die er in dieser oder jener Form unterdrückt und überausbeutet – das heißt, er eignet sich einen Teil des von ihnen produzierten kapitalistischen Wertes an. Auch dies muss in seiner Gesamtheit betrachtet werden, das heißt, wenn ein Staat gewisse Profite aus seinen eigenen (in anderen Ländern getätigten) Auslandsinvestitionen gewinnt, aber viel mehr für Auslandsinvestitionen, Krediten usw. an andere Länder zu zahlen hat (Schuldendienst, Gewinnrückführung, etc.), kann dieser Staat in der Regel nicht als imperialistisch eingestuft werden.

 

3.            Zusammengefasst definieren wir einen imperialistischen Staat wie folgt: Ein imperialistischer Staat ist ein kapitalistischer Staat, dessen Monopole und Staatsapparat eine Position in der Weltordnung haben, wo sie in erster Linie andere Staaten und Nationen dominieren. Daraus ergibt sich, dass sie Extraprofite und andere wirtschaftliche, politische und/oder militärische Vorteile aus solchen auf Überausbeutung und Unterdrückung basierend Beziehungen erzielen.

 

4.            Ebenso muss man auch zwischen verschiedenen Arten von Halbkolonien unterscheiden. Offensichtlich gibt es heute große Unterschiede zwischen Peru und Argentinien oder Brasilien, Kongo und Ägypten, Pakistan und der Türkei, Nepal und Thailand, Kasachstan und Polen. Einige Länder sind industrialisierter als andere, einige haben einen gewissen politischen Spielraum errungen und andere nicht. Daher können wir zwischen entwickelten oder industrialisierten Halbkolonien wie zum Beispiel Argentinien, Brasilien, Ägypten, Türkei, Iran, Polen oder Thailand einerseits und den ärmeren oder halb-industrialisierten Halbkolonien wie Bolivien, Peru, die afrikanischen Länder der Subsahara (mit Ausnahme von Südafrika), Pakistan, Afghanistan, Indonesien usw. unterscheiden.

 

5.            Um unsere Charakterisierung von Halbkolonien zusammenzufassen schlagen wir die folgende Definition vor: Ein halbkoloniales Land ist ein kapitalistischer Staat, dessen Wirtschaft und Staatsapparat eine Position in der Weltordnung haben, wo sie in erster Linie von anderen Staaten und Nationen dominiert werden. Daraus ergibt sich, dass die imperialistischen Monopole und Staaten über diese auf Überausbeutung und Unterdrückung basierende Beziehung von den Halbkolonien Extra-Profite sowie weitere wirtschaftliche, politische und/oder militärische Vorteile herauspressen.

 

6.            Die Analyse und die Aufteilung der Länder in verschiedene Typen dürfen nicht auf eine dogmatische, mechanistische Weise, sondern marxistisch, das heißt dialektischen verstanden werden. Daher wäre es falsch, sich eine undurchdringliche chinesische Mauer zwischen den beiden Arten von Ländern – imperialistische und halbkoloniale Staaten – vorzustellen. Wie wir bereits mehrfach ausgeführt haben gab es mehrere Beispiele wo, unter besonderen Ausnahmebedingungen, aus sich ein abhängiges Land in einen imperialistischen Staat verwandelte oder umgekehrt.

 

7.            Wir lehnen die Theorie des "Sub-Imperialismus" ab. Sie ist nicht Teil des Arsenals der marxistischen Analyse. Im Kapitalismus kann sich keine Nation der Herausbildung immer engerer wirtschaftlicher und politischer Beziehungen mit den herrschenden imperialistischen Mächten entziehen. Solch enge Beziehungen erzeugen, ändern und reproduzieren unausweichlich Mechanismen der Ausbeutung und Überausbeutung. Mit anderen Worten, im Kapitalismus - und noch mehr unter dem Imperialismus - werden alle Nationen in den Prozess der Überausbeutung hineingezogen. Entweder sind sie stark genug und werden Teil der unterdrückenden Nationen, oder sie werden in das Lager der großen Mehrheit der Menschheit geschoben - der unterdrückten Völker. Es gibt kein "drittes Lager" dazwischen.

 

8.            Wir können die erste Periode der Existenz Griechenlands als unabhängiger Staat seit dem Krieg 1821-1829 wie folgt zusammenfassen: Der griechische Kampf um nationale Unabhängigkeit war sehr fortschrittlich. Allerdings endete er mit einer teilweisen Unabhängigkeit für nur einen kleinen Teil des griechischen Volkes. Von Anfang an war der neu geborene griechische Staat politisch und wirtschaftlich stark abhängig von den Großmächten Großbritannien, Frankreich und Russland. Die Großmächte zwangen dem griechischen Volk eine von ausländischen Königen geführte Monarchie auf. Das hohe Schuldenniveau des Landes führte zum Staatsbankrott und eine Internationale Finanzkommission übernahm die griechischen Finanzen in den 1890er Jahren. Darüber hinaus wurde die griechische Bourgeoisie von Händlern dominiert, die kein Gewicht auf die Entwicklung einer heimischen Industrie legte.

 

9.            Daher blieb das Land unterentwickelt: die Wirtschaft war von kleinbäuerlicher Agrarproduktion und Handel geprägt und von wenigen oligarchischen Familien beherrscht, die eng mit den Großmächten verbunden waren; das politische System war von einem monströsen Staatsapparat mit einer morschen Monarchie an ihrer Spitze geprägt.

 

10.          Die Venizelos-Zeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts gewährleistete eine gewisse Modernisierung, sowohl politisch als auch wirtschaftlich. Ebenso konnte Griechenland schrittweise sein Territorium vergrößern. Aber Griechenland blieb in seiner Abhängigkeit von den Großmächten und ausländischem Kapital gefangen. Und Venizelos' Abenteuer, seine Armee als Fußsoldaten für den britischen Imperialismus gegen die Sowjetunion und die Türkei anzubieten, führten 1922/23 in eine nationale Katastrophe. Die Niederlage gegen die Türkei verursachte einen Zufluss von über eineinhalb Millionen griechischen Flüchtlingen und der Staat hatte mehr Schulden als je zuvor.

 

11.          Der griechische Staat befreite das griechische Volk nicht nur davon unter ausländischer Herrschaft zu leben, er fungierte ab 1913 auch als nationaler Unterdrücker. Dies betraf insbesondere das slawisch-mazedonische Volk sowie die muslimischen Minderheiten in West-Thrakien. Die slawischen Mazedonier, die in der von Griechenland annektierten Region lebten, wurden in ihren nationalen Rechten stark unterdrückt. Die meisten von ihnen wurden aus ihrer Heimat vertrieben und in mehreren Wellen zwischen 1913 und dem Ende des Bürgerkriegs im Jahr 1949 aus Griechenland verjagt.

 

12.          Die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen endete mit den schwarzen Jahren der Metaxas-Diktatur und der Besetzung durch den deutschen Imperialismus. In diesen Jahren erlebte Griechenland verheerende Zerstörungen, Vermögensraub durch die Nazis in großem Maßstab und den Verlust vieler Menschenleben. Es folgten die Jahre des Bürgerkriegs von 1945 bis 1949, als die griechischen Arbeiter und armen Bauern die britische Besatzung und die Machtergreifung der diskreditierten reaktionären Monarchie und Militärkamarilla bekämpften. Die fortschrittlichen Kräfte verloren durch den Verrat der stalinistischen Führung, und diese Niederlage trug zur totalen Erschöpfung des Landes bei.

 

13.          Nach dem Ende des Bürgerkriegs erlebte Griechenland einen Prozess der Modernisierung und Industrialisierung bis in die 1970er Jahre. Zum ersten Mal entstand eine beachtliche heimische Industrie. Die griechischen Reeder tätigten einige Investitionen in die griechische Industrie. Allerdings blieb Griechenland wirtschaftlich und politisch vom westlichen Imperialismus abhängig. Die Wirtschaft war nach wie vor von Kleinunternehmen beherrscht; ausländische Monopole spielten eine entscheidende Rolle unter den Großunternehmen und ein erheblicher Teil der öffentlichen Ausgaben wurde durch ausländische Kredite finanziert. Griechenland war von Anfang an ein Mitglied der NATO und sein Regime, insbesondere seine Armee, waren Handlanger des US-Imperialismus.

 

14.          Die wichtige Gruppe der griechischen Reeder ist ein spezifischer, einzigartiger Sektor der griechischen Bourgeoisie. In den vergangenen Jahrhunderten spielte sie eine zentrale Rolle in der internationalen Schifffahrt. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war sie die dominierende Kraft in dieser globalen Branche geworden. Historisch gesehen sind die griechischen Reeder eine kosmopolitische Schicht gewesen, die oft im Ausland lebte – im 20. Jahrhundert war dies vor allem in New York und London. Dies änderte sich bis zu einem gewissen Grad mit den 1970ern und griechische Reeder haben wichtige Bereiche ihres Geschäftes nach Griechenland verlagert. Dieses spezifische sozio-ökonomische Wesen der griechischen Reeder hatte und hat mehrere wichtige Konsequenzen. Zuerst einmal machte sie dies zu einer Halb-Diasporabourgeoisie und damit nur bis zu einem gewissen Grad (oder in einer besonderen Art und Weise) Teil der nationalen herrschenden Klasse. Zweitens sind die griechischen Reeder eine handel-betreibende und nicht eine produzierende Klasse. Griechenland hat für eine lange Zeit keine nennenswerte Rolle im Schiffsbau gespielt und produzierte auch in den letzten zehn Jahren kaum Schiffe. Drittens waren griechische Reeder schon immer stark von ausländischen Krediten abhängig. In den 2000er Jahren stammten 4/5 ihrer Kredite von ausländischen Banken. Viertens sind, der Natur des Seehandels entsprechend, griechische Reeder immer abhängig von den Großmächten gewesen, denn nur diese können der Schifffahrt die militärische Absicherung gewähren. Aus all diesen Gründen waren auch die griechischen Reeder - der wirtschaftlich stärkste Sektor der griechischen Bourgeoisie – schon immer eng verbunden mit und in Abhängigkeit von der imperialistischen Bourgeoisie der Großmächte (vor allem Großbritannien und den USA, aber in letzter Zeit auch zunehmend von China). Die griechische Bourgeoisie als Ganzes hat einen besonders starken Kompradoren-Charakter, das heißt, sie vermeidet jede Konfrontation mit dem Imperialismus und dient den Großmächten als lokale Handlanger.

 

15.          Nach dem Zusammenbruch des Stalinismus im Jahr 1989 auf dem Balkan, ergriff das griechische Kapital nach einer gewissen Verzögerung die Gelegenheiten, die sich durch die kapitalistische Restauration ergaben. Es wurde zu einem wichtigen Investor in Albanien, Mazedonien, Serbien, Bulgarien und Rumänien und schaffte es erhebliche Extra-Profite zu gewinnen. Doch die Auslandsinvestitionen Griechenlands in andere Länder blieben viel kleiner als die ausländischen Investitionen in Griechenland. Mit dem Beginn der Krise im Jahr 2008 verringerten sich die griechischen Auslandsinvestitionen deutlich.

 

16.          Ebenso ist es dem griechischen Kapitalismus gelungen, eine bedeutende Schicht an Migranten (etwa eine Million Menschen) ins Land zu holen, die den Bossen als überausgebeutete, untere Schicht der Arbeiterklasse dient. Diese Schicht wurde durch die jüngste Krise nicht verkleinert und das wird auch aller Wahrscheinlichkeit nach so bleiben, weil die Kriege und Katastrophen im Nahen Osten es fast garantieren, dass es viele weitere Flüchtlinge geben wird.

 

17.          Zur gleichen Zeit ist Griechenland traditionell ein Land, aus dem viele Migranten stammen. Heute wohnen immer noch mehrere Millionen Griechen im Ausland und die Überweisungen, die sie zu ihren Familien schicken, bilden einen beträchtlichen Teil des griechischen Nationaleinkommens. (1970: 4% 2001: 2,5%)

 

18.          Es ist wichtig, die Entwicklung eines Landes historisch zu bewerten. Seitdem die Unabhängigkeit erreicht wurde, war Griechenland immer ein abhängiges, halbkolonialen Land, wenn auch mit spezifischen Eigenschaften (den griechischen Reedern als wirtschaftlich mächtige Halb-Diasporabourgeoisie). In den 1990er Jahren und bis zum Jahr 2008 machte sie einige Fortschritte darin eine kleine imperialistische Macht zu werden, durch den Export von Kapital in einige südliche Balkanländer und die Aufnahme von riesigen Schichten von Migranten. Aber im gleichen Zeitraum wurden diese Entwicklungen in beträchtlichem Ausmaß durch Griechenlands zunehmende Abhängigkeit von den Großmächten überschattet. Darüber hinaus erreichten die Auslandsschulden des Landes massive Ausmaße. Außerdem wurde und wird weiterhin die Volkswirtschaft zunehmend an ausländische Monopole ausverkauft.

 

19.          Die Krise, die im Jahr 2008 ausbrach, lieferte einen historischen Test für den Klassencharakter von Griechenland. Solche Tests sind immer entscheidend um mögliche Veränderungen im Klassencharakter eines Landes wahrzunehmen. Die Entwicklungen in Griechenland in den letzten 7 Jahren haben ohne Zweifel gezeigt, dass das Land nicht stark genug war um der kompletten Unterwerfung durch die EU zu widerstehen. Griechenland wurde gezwungen, seine Wirtschaft und sogar Teile seines Territoriums (mehrere Inseln) für den Verkauf an ausländische Investoren herzugeben. Es wurde sogar von der EU-Troika offiziell seiner Hoheitsrechte beraubt, seine eigenen politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen zu treffen.

 

20.          Kurz gesagt, Griechenlands imperialistische Vorstöße in den 1990er Jahren und bis zum Jahr 2008 kamen zu gering und zu spät. Daher wiederholen wir, dass Griechenland ein halbkoloniales Land war und ist, welches vom ausländischen imperialistischen Monopolkapital dominiert wird und abhängig ist.

 

21.          Die RCIT lehnt die Position der stalinistischen KKE ab, die nach ihrer jüngsten Kehrtwende behauptet, dass Griechenland jetzt ein normales imperialistisches Land sei. Wie allgemein bekannt ist, waren die griechischen Stalinisten in ihrer ganzen Geschichte bis vor ein paar Jahren "linke" Patrioten, die ihr Land als eine Kolonie des US- und EU-Imperialismus betrachteten. Sie passten sich an den griechischen Chauvinismus an. Die Kehrtwende der KKE in dieser Frage wurde nicht durch neue Erkenntnisse motiviert, sondern durch die bürokratische Notwendigkeit, ihre Ablehnung jeglicher Einheitsfronttaktik gegenüber SYRIZA zu rechtfertigen (deren Ideologen die These von Griechenland als abhängige Land traditionell gemeinsam hatten). Ebenso lehnen wir ganz klar die Position der KKE früher und der LAE und anderer heute ab, die auf der Grundlage einer richtigen Einschätzung der griechischen Abhängigkeit und Unterwerfung durch den Imperialismus, die Strategie der Volksfront vorschlagen – also die Orientierung auf eine Klassenzusammenarbeit mit einem "nationalen" oder "einheimischen" Sektor der griechischen Bourgeoisie. Eine solche Ausrichtung ist grundsätzlich falsch und besonders in einem Land wie Griechenland absurd, deren Bourgeoisie als Ganzes einen stark kosmopolitischen Charakter hat und die während ihrer gesamten Geschichte als lokaler Handlanger des Imperialismus diente.

 

22.          Die Arbeiterklasse, durch die vielen Migranten multinational in der Zusammensetzung, muss unabhängig gegen die imperialistischen Herrscher über Griechenland, einschließlich ihrer Lakaien – der griechischen Bourgeoisie – kämpfen. Sie muss versuchen, die städtischen Armen und Kleinbürger, sowie die arme Bauernschaft im Kampf um demokratische und antikapitalistische Forderungen zu sammeln. Außerdem muss die Arbeiterklasse danach streben mit ihren Klassenbrüdern und -schwestern der Region in ihrem Kampf zu einer Einheit zu werden – das heißt, mit den europäischen ArbeiterInnen und Armen sowie auch jene im Nahen Osten. Letztere können eine besonders dynamische Rolle spielen, angesichts der jüngsten Erfahrungen der im Dezember 2010 begonnen Arabischen Revolution.

 

23.          Ein revolutionäres Programm für Griechenland muss die Losung des Austritts des Landes aus der EU beinhalten. Griechenland war schon immer ein abhängiges und unterworfenes Land in der EU und durch das Wesen der von Deutschland und Frankreich dominierten EU wird dieser Zustand institutionalisiert. Irgendeine wesentliche Änderung in der Wirtschafts- und Sozialpolitik ist nicht möglich, solange das Land innerhalb der imperialistischen EU verbleibt.

 

24.          Natürlich stellt die Losung für Griechenlands Austritt aus der EU kein eigenständiges Programm dar, sondern ist nur eine Taktik als Teil einer umfassenderen Strategie – die Strategie für eine echte Arbeiterregierung die die Enteignung der imperialistischen und nationalen Bourgeoisie anstrebt und den Weg zum Sozialismus eröffnet. Die RCIT lehnt das national-reformistische Programm à la Costas Lapavitsas und der LAE-Führung ab. Der national-kapitalistische Weg ist eine illusionäre Sackgasse. Die Losung für Griechenlands EU-Austritt muss im Zusammenhang mit Losungen für die Enteignung der Monopolkapitalisten in Griechenland aufgestellt werden, damit diese ein unabhängiges Griechenland nicht wirtschaftlich sabotieren können. Ebenso muss diese Losung mit der Perspektive des internationalen Klassenkampfes mit der europäischen und arabischen Arbeiterklasse kombiniert werden. Der Kampf für ein unabhängiges und sozialistisches Griechenland muss Teil des Kampfes für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa sein.

 

25.          Der Kampf gegen die Unterwerfung Griechenlands durch die imperialistische EU darf Sozialisten nicht davon ablenken, alle Formen des reaktionären griechischen Chauvinismus abzulehnen. Solcher Chauvinismus manifestiert sich vor allem auf zwei Arten. Zunächst in der nationalen Unterdrückung und Überausbeutung von ungefähr einer Million Migranten in Griechenland. Sozialistinnen und Sozialisten in Griechenland müssen für die volle Gleichberechtigung von Migranten kämpfen. Dazu gehören gleicher Lohn für gleiche Arbeit, voller Zugang zu Sozialleistungen, das Wahlrecht sowie die Anerkennung ihrer Muttersprache als gleichberechtigt in Bildung, öffentlicher Verwaltung usw. Ebenso sollten Sozialistinnen und Sozialisten für offene Grenzen und für internationale Solidarität mit den Flüchtlingen kämpfen, die nach Europa kommen. Zugleich sind Sozialisten gegen die Benachteiligung von griechischen Arbeitern im Ausland.

 

26.          Griechische Sozialisten müssen sich auch dem reaktionären griechischen Chauvinismus gegen die slawischen Mazedonier sowie gegen die muslimische Minderheit in West-Thrakien widersetzen. Sozialisten lehnen den reaktionären chauvinistischen Mythos ab, nach dem angebliche eine historische Grundlagen für die Behauptung existiert, Mazedonien gehöre zu Griechenland. In Wirklichkeit hatte Ägäis-Mazedonien eine nicht-griechische Mehrheit, als es von Griechenland im Jahr 1913 annektiert wurde. Es wurde erst dann zu einer überwiegend griechisch besiedelte Region, nachdem die folgenden Regierungen systematisch den Großteil der einheimischen Bevölkerung vertrieben und stattdessen Griechen ansiedelten (viele von ihnen waren selbst Flüchtlinge aus Kleinasien). Es stimmt, heute wäre es natürlich reaktionär für die Vertreibung der Griechen zu sein, die seit Generationen in Ägäis-Mazedonien ihren Wohnsitz haben. Das historische Verbrechen der Vertreibung der mazedonischen Bevölkerung aus Ägäis-Mazedonien kann nicht rückgängig gemacht werden. Allerdings sollten Sozialisten für Autonomie und lokale Selbstverwaltung in den Regionen und Gebieten mit einer nennenswerten mazedonischen Bevölkerung kämpfen, sowie für das Recht auf nationale Selbstbestimmung für die verbleibende Minderheit der slawischen Mazedonier (einschließlich ihres Rechts auf Abspaltung). Der Kampf für die Rechte der mazedonischen Minderheit muss eine Reihe von wesentlichen Forderungen umfassen. In erster Linie müssen Sozialistinnen und Sozialisten die Forderung der Mazedonier nach Anerkennung als nationale Minderheit unterstützen. Sie müssen zur vollen Gleichberechtigung aufrufen, das umfasst die bedingungslose Unterstützung ihrer Forderung ihre Sprache in Bildung sowie öffentlicher Verwaltung zu verwenden, ihre mazedonisch-sprachigen Namen zu verwenden, wenn sie dies wünschen, ihre Religion sowie im allgemeinen ihre Kultur in ihrer Muttersprache auszuüben, gleichberechtigten Zugang zu den Medien zu haben (in ihrer Muttersprache, wenn sie dies wünschen), etc. Darüber hinaus sollten Sozialisten von der griechischen Regierung eine angemessene Entschädigung an die Nachkommen der vertriebenen slawisch-mazedonischen Familien zahlen, von denen heute die meisten in der Republik Mazedonien und Bulgarien leben. Außerdem müssen griechische Sozialisten die offizielle Anerkennung der Republik Mazedonien mit ihrem eigenen Namen (anstelle eines solch lächerlichen Namens wie F.Y.R.O.M.) fordern. Ebenso sollten Sozialisten für volle demokratische Rechte für die muslimische Minderheit, die in West-Thrakien lebt, kämpfen.

 

27.          Der Kampf für ein solches Programm als auch für ihre Anwendung in Einzelfragen ist hoffnungslos, wenn er nicht von einer organisierten Kraft authentischer Marxistinnen und Marxisten vorgenommen wird. Deshalb erachtet die RCIT die Bildung einer revolutionären Partei als die wichtigste Aufgabe im Kampf gegen die imperialistische Unterdrückung Griechenlands sowie für die Befreiung der Arbeiterklasse und der Unterdrückten.

 

28.          Eine solche Partei kann nicht künstlich gegründet werden; sie entsteht im Klassenkampf der vor uns liegt. Es ist jedoch dringend nötig so schnell wie möglich eine revolutionäre Parteiaufbauorganisation zu schaffen, die Aktivisten auf der Basis eines authentischen marxistischen Programms vereint und für die Bildung einer solchen Partei kämpft. Die RCIT hofft darauf mit griechischen Revolutionärinnen und Revolutionären zusammenzuarbeiten und sie beim Erreichen dieses Zieles zu unterstützen!

 

 

 



[1] Das einzige Unterkapitel, das für diese Ausgabe nicht übersetzt wurde, war der Exkurs „Nicos Poulantzas’ Analyse der griechischen Bourgeoisie als Rechtfertigung der Volksfrontstrategie“.

[2] Wir erarbeiteten unsere Analyse des griechischen Klassencharakters in einer Broschüre von Michael Pröbsting: Revolution in Griechenland. Möglichkeiten, Gefahren und Perspektiven, November 2011, http://www.thecommunists.net/home/deutsch/perspektiven-der-griechischen-revolution/

[3] Vierte Internationale: Civil War in Greece, February 1945, in: Fourth International, Volume VI, No. 2, https://www.marxists.org/subject/greek-civil-war/fourth-international/1945/02/x01.htm (Unsere Übersetzung)

[4] Wir verweisen auf die zahlreichen Statements und Artikel, in denen die RCIT ihre Analyse und Perspektiven für den griechischen Klassenkampf in den letzten Jahren dargelegt hat. Sie wurden in verschiedenen Ausgaben unseres internationalen Journals Revolutionary Communism veröffentlicht und sind in einem eigenen Unterabschnitt zu Griechenland auf unserer Website gesammelt einsehbar: http://www.thecommunists.net/worldwide/europe/articles-on-greece/

[5] Wir haben uns mit Lenins Imperialismustheorie in anderen Veröffentlichungen intensiv auseinandergesetzt. Siehe z.B. Michael Pröbsting: Lenin’s Theory of Imperialism and the Rise of Russia as a Great Power. On the Understanding and Misunderstanding of Today’s Inter-Imperialist Rivalry in the Light of Lenin’s Theory of Imperialism. Another Reply to Our Critics Who Deny Russia’s Imperialist Character, in: Revolutionary Communism No. 25, August 2014, http://www.thecommunists.net/theory/imperialism-theory-and-russia/; Michael Pröbsting: The Great Robbery of the South. Continuity and Changes in the Super-Exploitation of the Semi-Colonial World by Monopoly Capital Consequences for the Marxist Theory of Imperialism, 2013, http://www.great-robbery-of-the-south.net/; (Eine gekürzte deutsche Übersetzung wurde 2014 im PROMEDIA Verlag unter dem Titel Der Große Raub im Süden. Ausbeutung im Zeitalter der Globalisierung veröffentlicht.) Michael Pröbsting: Imperialism and the Decline of Capitalism (2008), in: Richard Brenner, Michael Pröbsting, Keith Spencer: The Credit Crunch – A Marxist Analysis (2008), http://www.thecommunists.net/theory/imperialism-and-globalization/ (in deutscher Sprache: Michael Pröbsting: Imperialismus, Globalisierung und der Niedergang des Kapitalismus; in: Revolutionärer Marxismus 39, 2009, http://www.thecommunists.net/theory/imperialismus-und-globalisierung/)

[6] In Der Imperialismus und die Spaltung des Sozialismus – sein umfassendster theoretischer Aufsatz zum Imperialismus – nannte Lenin folgende Definition des Imperialismus:

Wir müssen mit einer möglichst genauen und vollständigen Definition des Imperialismus beginnen. Der Imperialismus ist ein besonderes historisches Stadium des Kapitalismus. Diese Besonderheit ist eine dreifache:

der Imperialismus ist: 1. monopolistischer Kapitalismus; 2. parasitärer oder faulender Kapitalismus; 3. sterbender Kapitalismus. Die Ablösung der freien Konkurrenz durch das Monopol ist der ökonomische Grundzug, das Wesen des Imperialismus. Der Monopolismus tritt in fünf Hauptformen zutage: 1. Kartelle, Syndikate und Trusts - die Konzentration der Produktion hat eine solche Stufe erreicht, daß sie diese monopolistischen Kapitalistenverbände hervorgebracht hat; 2. die Monopolstellung der Großbanken: drei bis fünf Riesenbanken beherrschen das ganze Wirtschaftsleben Amerikas, Frankreichs, Deutschlands; 3. die Besitzergreifung der Rohstoffquellen durch die Trusts und die Finanzoligarchie (Finanzkapital ist das mit dem Bankkapital verschmolzene monopolistische Industriekapital); 4. die (ökonomische) Aufteilung der Welt durch internationale Kartelle hat begonnen. Solcher internationalen Kartelle, die den gesamten Weltmarkt beherrschen und ihn „gütlich" unter sich teilen — solange er durch den Krieg nicht neu verteilt wird - , gibt es schon über hundert! Der Kapitalexport, als besonders charakteristische Erscheinung zum Unterschied vom Warenexport im nichtmonopolistischen Kapitalismus, steht in engem Zusammenhang mit der wirtschaftlichen und der politisch-territorialen Aufteilung der Welt; 5. die territoriale Aufteilung der Welt (Kolonien) ist abgeschlossen.“ (W.I. Lenin: Der Imperialismus und die Spaltung des Sozialismus (1916); in: LW Bd. 23, S. 102f [Hervorhebung im Original])

[7] W.I.Lenin: Das revolutionäre Proletariat und das Selbstbestimmungsrecht der Nationen (1915); in: LW Bd 21, S. 416

[8] W.I.Lenin: Die sozialistische Revolution und das Selbstbestimmungsrecht der Nationen (1916); in: LW Bd 22, S. 149

[9] W.I.Lenin: Konspekt zu Hegels “Wissenschaft der Logik” (1914); in: LW 38, S. 213

[10] Neben der intensiven Analyse in unserem Buch Der große Raub des Südens (s.o.) verweisen wir auch auf unsere Broschüre zur Überausbeutung von MigrantInnen: Michael Pröbsting: Marxismus, Migration und revolutionäre Integration (2010); in: Revolutionärer Kommunismus, Nr. 7, http://www.thecommunists.net/publications/werk-7

[11] Wir halten eine solche Definition eines imperialistischen Staats für übereinstimmend mit der kurzen Definition, die Lenin in einer seiner Schriften zum Imperialismus 1916 festhielt: „… imperialistischen (d. h. eine ganze Reihe fremder Völker unterdrückenden und sie in das Netz der Abhängigkeit vom Finanzkapital verstrickenden usw.) Großmächten … (W. I. Lenin: Über eine Karikatur auf den Marxismus und über den “imperialistischen Ökonomismus” (1916); in: LW Bd 23, S. 24f)

[12] Leo Trotzki: Revolution und Krieg in China. Vorwort zu Harold R. Isaacs' The Tragedy of the Chinese Revolution, in: Trotzki Schriften 2.2, Hamburg 1990, S. 911

[13] W.I.Lenin: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus; in: LW 22, S. 270

[14] Zum Gesetz der ungleichzeitigen und kombinierten Entwicklung siehe u.a. Leo Trotzki: Die permanente Revolution (1930), Frankfurt a. M. 1971; Michael Pröbsting: Capitalism Today and the Law of Uneven Development: The Marxist Tradition and its Application in the Present Historic Period, in: Critique Vol. 44, No. 4, pp. 363–403 (2016).

[15] Das Thema des Erscheinens neuer imperialistischer Mächte wurde von uns bereits intensiv behandelt. Siehe dazu z.B.:

Zu China als aufsteigende imperialistische Macht:

Michael Pröbsting: Der Große Raub im Süden (Kapitel 8), http://www.great-robbery-of-the-south.net/great-robbery-of-south-online/download-chapters-1/chapter10/; Michael Pröbsting: China‘s transformation into an imperialist power. A study of the economic, political and military aspects of China as a Great Power, in: Revolutionary Communism (English-language Journal of the RCIT) No. 4, http://www.thecommunists.net/publications/revcom-number-4; Michael Pröbsting: No to chauvinist war-mongering by Japanese and Chinese imperialism! Chinese and Japanese workers: Your main enemy is at home! Stop the conflict on the Senkaku/Diaoyu-islands in the East China Sea! 23.9.2012, in: Revolutionary Communism No. 6, http://www.thecommunists.net/worldwide/asia/no-war-between-china-and-japan/; Michael Pröbsting: Russia and China as Great Imperialist Powers. A Summary of the RCIT’s Analysis, 28 March 2014, in: Revolutionary Communism No. 22, http://www.thecommunists.net/theory/imperialist-china-and-russia/; Michael Pröbsting: More on Russia and China as Great Imperialist Powers. A Reply to Chris Slee (Socialist Alliance, Australia) and Walter Daum (LRP, USA), 11 April 2014, in: Revolutionary Communism No. 22, http://www.thecommunists.net/theory/reply-to-slee-on-russia-china/; Michael Pröbsting: The China Question and the Marxist Theory of Imperialism. Again on China as an imperialist Power. Reply to a Polemic from CSR (Venezuela) and PCO (Argentina), December 2014, in: Revolutionary Communism No. 32, http://www.thecommunists.net/theory/reply-to-csr-pco-on-china/

Zu Russland als aufsteigende imperialistische Macht:

Michael Pröbsting: Russland als imperialistische Großmacht, in: Revolutionärer Kommunismus Nr. 12 (2014), http://www.thecommunists.net/publications/revkom-12/; Michael Pröbsting: Lenin’s Theory of Imperialism and the Rise of Russia as a Great Power. On the Understanding and Misunderstanding of Today’s Inter-Imperialist Rivalry in the Light of Lenin’s Theory of Imperialism. Another Reply to Our Critics Who Deny Russia’s Imperialist Character, in: Revolutionary Communism No. 25, August 2014, http://www.thecommunists.net/theory/imperialism-theory-and-russia/

[16] W.I.Lenin: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus (1916); in: LW Bd. 22, S. 279

[17] Wir haben Südkoreas Transformation in eine kleiner imperialistische Macht analysiert in Michael Pröbsting: Der kapitalistische Aufholprozeß in Südkorea und Taiwan; in: Revolutionärer Marxismus Nr. 20 (1996), http://www.thecommunists.net/theory/kapitalismus-in-suedkorea-taiwan/. Zu Israel als kleinere imperialistische Macht siehe Michael Pröbsting: Zu einigen Fragen der zionistischen Unterdrückung und der permanenten Revolution in Palästina, http://www.thecommunists.net/theory/permanente-revolution-in-pal%C3%A4stina/

[18] Siehe Michael Pröbsting: The Great Robbery of the South, S. 220-228. Siehe http://www.great-robbery-of-the-south.net/great-robbery-of-south-online/download-chapters-1/chapter9/

[19] Zur Geschichte des modernen Griechenlands siehe z.B.: Giannes Koliopoulos and Thanos M. Veremis: Modern Greece: a history since 1821, A John Wiley & Sons, Ltd., Publication, Oxford 2010; Theodore A. Couloumbis, Theodore Kariotis and Fotini Bellou (Editors): Greece in the Twentieth Century, Hellenic Foundation for European and Foreign Policy, Frank Cass, London and New York 2004, Richard Clogg: A Concise History of Greece, Cambridge University Press, New York 1992; Thomas W. Gallant: Modern Greece, Oxford University Press Inc, London 2001; Tom Gallagher: Outcast Europe. The Balkans, 1789–1989. From The Ottomans To Milosevic, Routledge, London and New York 2001;

Zur Geschichte des griechischen Klassenkampfs und der ArbeiterInnenbewegung siehe z.B. Erik Eberhard: Revolution und Konterrevolution in Griechenland, AGM, Wien 2005

[20] Asiatische Produktionsweise: Diese Produktionsweise zeichnet sich durch eine zentralisierte Bürokratie aus, die von einer royalen Dynastie geführt wird, die das Land besitzt und es von den zentralen Städten aus lenkt und die Bauernschaft und HandwerkerInnen ausbeutet. Zum Verhältnis zwischen dem Osmanischen Reich und den westlichen Banken siehe z.B.: C.G.A. Clay: Western Banking and the Ottoman Economy before 1890: a Story of Disappointed Expectations; in: The Journal of European Economic History, Vol. 28, No. 3 (Winter 1999)

[21] Siehe dazu z.B. Haris Exertzoglo: The development of a Greek Ottoman bourgeoisie: investment patterns in the Ottoman Empire, 1850-1914, in: Dimitri Gondicas and Charles Philip Issawi: Ottoman Greeks in the Age of Nationalism: Politics, Economy, and Society in the Nineteenth Century, Darwin Press, Princeton 1999, S. 89-114

[22] Zitiert nach Charles Issawi: An Economic History of the Middle East and North Africa, Columbia University Press 1982, S. 90

[23] Siehe Richard Clogg: A Concise History of Greece, Cambridge University Press, New York 1992, S. 23 (Unsere Übersetzung)

[24] Thomas W. Gallant: Modern Greece, Oxford University Press Inc, London 2001, S. 7

[25] Es wird geschätzt, dass zu Beginn des 19. Jahrhunderts 40.000 TürkInnen, die auf dem Peloponnes lebten, 3.000.000 Stremmata Ackerland besaßen (ein Stremma sind etwa 1.000m².), während die 360.000 GriechInnen nur 1.500.000 Stremmata zur Verfügung hatten. (Leften Stavros Stavrianos: The Balkans, 1815-1914, Holt, Rinehart and Winston, London 1963, S. 24)

[26] Nicos Mouzelis: Greek and Bulgarian Peasants: Aspects of Their Sociopolitical Situation during the Interwar-Period, in: Comparative Studies in Society and History, Vol. 18, No. 1 (Jan., 1976), S. 90-92

[27] Leften Stavros Stavrianos: The Balkans, 1815-1914, Holt, Rinehart and Winston, London 1963, S. 25-29

[28] Panayiotis Kapetanakis: Shipping and Trade in a British semi-colony: the Case of the United States of the Ionian Islands (1815-1864), in: Cahiers de la Méditerranée No. 85 (2012), S. 282-283

[29] Marios Nikolinakos: Materialien zur kapitalistischen Entwicklung in Griechenland (1. Teil); in: Das Argument Vol. 12, No. 2-3 (Mai 1970), S. 184

[30] Giannes Koliopoulos and Thanos M. Veremis: Modern Greece: A History since 1821, Oxford 2010, S. 62

[31] The Editors of Fourth International: Civil War in Greece

[32] Efharis Skrvelis bemerkt: “Innerhalb des Handelssektors fand ein Akkumulationsprozess des “heimischen” Kapitals statt. Dieses Kapital blieb aber in den Bereichen des Handels und des Schiffstransports und wurde nicht produktiv investiert, zumindest nicht bis weit ins zwanzigste Jahrhundert.” (Efharis Skrvelis: Industrial restructuring and the State in Greece: national developments within an international setting, Durham University, 1990, S. 33)

[33] Marios Nikolinakos: Materialien zur kapitalistischen Entwicklung in Griechenland (1. Teil), S. 170

[34] François Crouzet: A History of the European Economy, 1000–2000, University Press of Virginia, 2001, S. 148

[35] Nicos Mouzelis: Class and Clientelistic Politics: The Case of Greece, in: The Sociological Review Vol. 26, Issue 3 (February 1978), S. 482

[36] Ioannis Cholezas, Panos Tsakloglou: The Economic Impact of Immigration in Greece: Taking Stock of the Existing Evidence, Institute for the Study of Labor, October 2008, S. 2

[37] Thomas W. Gallant: Modern Greece, Oxford University Press Inc, London 2001, S. 85-86

[38] Nicos Mouzelis: On the Rise of Postwar Military Dictatorships: Argentina, Chile, Greece, in: Comparative Studies in Society and History, Vol. 28, No. 1 (Jan., 1986), S. 57

[39] Nicos Mouzelis: On the Rise of Postwar Military Dictatorships: Argentina, Chile, Greece, S. 57

[40] Nicos Mouzelis: Class and Clientelistic Politics: The Case of Greece, in: The Sociological Review Vol. 26, Issue 3 (February 1978), S. 482-483

[41] Giannes Koliopoulos and Thanos M. Veremis: Modern Greece: a history since 1821, S. xi

[42] Fourth International: Civil War in Greece (Unsere Übersetzung)

[43] Nicos Mouzelis: Capitalism and Dictatorship in Post-War Greece, in: New Left Review Vol.I, No.96 (March-April 1976), S. 62

[44] Victor Roudometof: Collective Memory, National Identity and Ethnic Conflict. Greece, Bulgaria and the Macedonian Question, Praeger Publishers, Westport 2002, S. 4

[45] Ethnographische Karte des Balkan lt. Atlas Général Vidal-Lablache, Librairie Armand Colin, Paris, 1898. Nach Henry Robert Wilkinson, zeigt sie die ausgedehnteste griechische Herrschaft dieser Zeit; Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Demographic_history_of_Macedonia#Ottoman_rule

[46] Österreichische ethnografische Karte aus 1892; Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Demographic_history_of_Macedonia#Ottoman_rule

[47] Mike Karadjis: Macedonians’ long history of struggle, Green Left Weekly, No. 50, 01.04.1992, http://www.greenleft.org.au/back/1992/50/50p7.htm

[48] Hugh Poulton: The Balkans. Minorities and States in Conflict, Minority Rights Publications, London 1991, S. 175

[49] Human Rights Watch: Denying Ethnic Identity. The Macedonians of Greece, New York 1994, S. 5

[50] Giannes Koliopoulos and Thanos M. Veremis: Modern Greece, S. 71

[51] Giannes Koliopoulos and Thanos M. Veremis: Modern Greece, S. 74

[52] Ivo Banac: The National Question in Yugoslavia. Origins, History, Politics, Cornell University Press, New York 1984, S. 317

[53] Victor Roudometof: Collective Memory, National Identity and Ethnic Conflict, S. 96

[54] Tom Gallagher: Outcast Europe. The Balkans, 1789–1989, S. 89; siehe auch Jane K. Cowan (Editor): Macedonia. The Politics of Identity and Difference, Pluto Press, London 2000; Hugh Poulton: The Balkans. Minorities and States in Conflict, Minority Rights Publications, London 1991; Joseph Rothschild: The Communist Party of Bulgaria. Origins and Development 1883–1936, Columbia University Press, New York 1959, S. 234; Katrin Völkl: Makedonien/Mazedonien, in: Michael Weithmann: Der ruhelose Balkan, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1993, S. 218-252

[55] Hugh Poulton and Suha Taji-Farouki: Muslim Identity and the Balkan State, C. Hurst & Co. (Publishers) Ltd., London 1997, S. 84

[56] Giannes Koliopoulos and Thanos M. Veremis: Modern Greece, S. 123–124

[57] Human Rights Watch: Denying Ethnic Identity. The Macedonians of Greece, New York 1994, S. 13

[58] Victor Roudometof: Collective Memory, National Identity and Ethnic Conflict, S. 32

[59] Loring M. Danforth: The Macedonian Minority of Northern Greece, Cultural Survival Quarterly, Bd. 19 No. 2 (Summer 1995), http://www.culturalsurvival.org/publications/cultural-survival-quarterly/greece/macedonian-minority-northern-greece; Siehe auch: The Law Library of Congress, Global Legal Research Center: Greece: Status of Minorities, Oktober 2012

[60] Efharis Skrvelis: Industrial restructuring and the State in Greece: national developments within an international setting, Durham University, 1990, S. 32-33

[61] Nicos Mouzelis: Class and Clientelistic Politics: The Case of Greece, in: The Sociological Review Vol. 26, Issue 3 (February 1978), S. 492

[62] Marios Nikolinakos: Materialien zur kapitalistischen Entwicklung in Griechenland (1. Teil), S. 205

[63] Fourth International: Civil War in Greece (unsere Übersetzung)

[64] Nicos Mouzelis: Greek and Bulgarian Peasants: Aspects of Their Sociopolitical Situation during the Interwar-Period, in: Comparative Studies in Society and History, Bd. 18, No. 1 (Jan., 1976), S. 100

[65] Athanasios Lykogiannis: Britain and the Greek economic crisis, 1944–1947: from liberation to the Truman Doctrine, University of Missouri Press, Missouri 2002, S. 43

[66] Fourth International: Civil War in Greece (unsere Übersetzung)

[67] Giannes Koliopoulos and Thanos M. Veremis: Modern Greece: A History since 1821, Oxford 2010, S. 130 (unsere Übersetzung)

[68] Valia Aranitou: The Decline of the Middle Classes around the World? The collapse of the middle class in Greece during the era of the Memoranda (2009-2014), S. 9 (unsere Übersetzung)

[69] Nicos Poulantzas: The Crisis of the Dictatorships: Portugal, Greece, Spain, New Left Books, London 1976, S. 14 und 17

[70] Efharis Skrvelis: Industrial restructuring and the State in Greece, S. 48 (unsere Übersetzung)

[71] Ähnlich stellten um 1950 freie Bauern und ihre mitarbeitenden Familienmitglieder 92,4% der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte.

[72] Siehe dazu Nicos Mouzelis: Class and Clientelistic Politics, S. 492 und Efharis Skrvelis: Industrial restructuring and the State in Greece, S. 59.

[73] Marios Nikolinakos: Materialien zur kapitalistischen Entwicklung in Griechenland (1. Teil), S. 164

[74] Marios Nikolinakos: Materialien zur kapitalistischen Entwicklung in Griechenland (1. Teil), S. 192

[75] Walter Fischer and Eberhard Rondholz: Revolution und Konterrevolution in Griechenland; in: Das Argument Bd. 12, No. 2-3 (May 1970), S. 105

[76] Dimitrios Trichopoulos, George Papaevangelou, John Danezis Victoria Kalapothak: The Population of Greece. A Monograph for the World Population Year 1974, CICRED Series, Athens 1974, S. 49

[77] Siehe Ioannis Cholezas, Panos Tsakloglou: The Economic Impact of Immigration in Greece: Taking Stock of the Existing Evidence, Institute for the Study of Labor, October 2008, p. 2 sowie Anna Triandafyllidou, Michaela Maroufof: Greece: Immigration towards Greece at the Eve of the 21st Century. A Critical Assessment, IDEA Working Paper 2009, S. 8

[78] James Petras: The Contradictions of Greek Socialism, New Left Review I/163 (May-June 1987), S. 5 (unsere Übersetzung)

[79] Marios Nikolinakos: Materialien zur kapitalistischen Entwicklung in Griechenland (2. Teil); in: Das Argument Vol. 12, No. 4 (1970), S. 349

[80] Zitiert in Efharis Skrvelis: Industrial restructuring and the State in Greece, S. 74

[81] Nicos Mouzelis: On the Greek Elections, New Left Review I/108, March-April 1978, S. 68f

[82] Hugo Dixon: On notice: Greece’s vested interests, International New York Times, 17.9.2015

[83] Nicos Mouzelis: Capitalism and Dictatorship in Post-War Greece, in: New Left Review Bd.I, No.96 (March-April 1976), S. 61

[84] Ioannis Theotokas and Gelina Harlaftis: Leadership in World Shipping. Greek Family Firms in International Business, London 2009, S. 11

[85] Gelina Harlaftis: A History of Greek-Owned Shipping. The making of an international tramp fleet, 1830 to the present day, London 1996, S. 265

[86] Gelina Harlaftis: A History of Greek-Owned Shipping, S. 291

[87] Helen A. Thanopoulou: A Fleet For The 21st Century: Modern Greek Shipping, in: Athanasios A. Pallis (Editor): Maritime Transport: The Greek Paradigm, Research in Transportation Economics, Vol. 21, Elsevier Ltd, Oxford 2007, S. 35

[88] Helen A. Thanopoulou: A Fleet For The 21st Century: Modern Greek Shipping, S. 40

[89] Michalis Spourdalakis: The Greek Experience, in: Socialist Register Bd.22 (1985-86), S. 253

[90] Ioannis Theotokas and Gelina Harlaftis: Leadership in World Shipping. Greek Family Firms in International Business, London 2009, pp. 2–3; Siehe auch Alkis John Corres: Greek Maritime Policy and the Discreet Role of Shipowners’ Associations, in: Athanasios A. Pallis (Editor): Maritime Transport: The Greek Paradigm, Research in Transportation Economics, Bd. 21, Elsevier Ltd, Oxford 2007, S. 236

[91] Siehe The Shipbuilders' Association of Japan: Shipbuilding Statistics, Issue of September 2009, September 2001 and March, 2015 (Table 1, 2 and 4); siehe auch Rima Mickeviciene: Global Competition in Shipbuilding: Trends and Challenges for Europe, in: Piotr Pachura (Editor): The Economic Geography of Globalization, InTech 2011, pp. 201-222; Siehe Statista, http://www.statista.com/statistics/263895/shipbuilding-nations-worldwide-by-cgt/, http://www.statista.com/statistics/257865/leading-shipbuilding-companies-worldwide-based-on-volume/ und , http://www.statista.com/statistics/263399/regional-breakdown-of-the-global-shipbuilding-market-by-contracting/

[92] George A. Gratsos (President of Hellenic Chamber of Shipping): Greek Shipping and the Maritime Economy, 2014, S. 25

[93] Gelina Harlaftis: A History of Greek-Owned Shipping, S. 260–263

[94] Theodore C. Syriopoulos: Financing Greek Shipping: Modern Instruments, Methods and Markets, in: Athanasios A. Pallis (Editor): Maritime Transport: The Greek Paradigm, Research in Transportation Economics, Vol. 21, Elsevier Ltd, Oxford 2007, S. 175

[95] Eric Wegner: Griechenland vor einer Revolution? Marxistische Einschätzungen der Entwicklung des Klassenkampfes in Griechenland, ArbeiterInnenkampf, Wien 2012, S. 7

[96] Gelina Harlaftis: A History of Greek-Owned Shipping, S. 260–263

[97] Siehe zum Beispiel: Und letztlich stellt sich ein Klassifikationsproblem, das die Frage des Ausmaßes und des Wesens des Internationalisierungsprozesses des Kapitals berührt. G. Milios bemerkt, dass, nachdem der ‘Ursprung’ der Auslandsdirektinvestitionen auf der Grundlage der ‘Nationalität’ der Währung, in der das Kapital importiert wird, beruht, es zu gewissen Fehlwahrnehmungen kommt: Auf diese Art werden Investitionen, die griechische Schiffseigner in amerikanischer, panamaischer oder britischer Währung realisieren, als Auslandsinvestition klassifiziert. In der hier überprüften Periode (d.h. 1962-1973) wird der größte Teil der Direktinvestitionen in die Branchen der Ölprodukte, der Werften und des Tourismus von griechischen Schiffseignern und nicht von Auslandsinvestoren getätigt. In der Diskussion derselben Frage betrachtet A. Gregorogiannis diesen Bereich des Kapitals als nicht “griechisch”, sondern als “kosmopolitisch” und Fälle von Minderheitskapitalbeteiligungen als ebenso ausländisch. Wo Milios von der “kosmopolitischen Sektion des griechischen Kapitals” spricht, argumentiert Gregorogiannis so: Das schafft eine eigene Kategorie, doch noch immer eine des Fremdkapitals. Denn in all diesen Fällen haben die Interessensverbindungen ein höheres Gewicht als nationale Erinnerungen und Sprache. Das ist tatsächlich so, doch es kann gesagt werden, dass das ebenso für griechische wie für amerikanische oder britische “kosmopolitische” oder multinationale Sektionen des Kapitals ist. Das griechische Reedereikapital ist ein Fall, der zeigt, wie schwer die zunehmende Multinationalisierung des Kapitals die analytische ‘Entflechtung’ von ‘externen’ und’ internen’ Faktoren der Akkumulation macht. (Skrvelis, Efharis: Industrial restructuring and the State in Greece: national developments within an international setting, S. 49f)

[98] Das vorzeitige Wachstum des modernen griechischen Staats kann analog verstanden werden. Die relativ rasche Ausdehnung seiner Administrationsmaschinerie und des Personals waren völlig disproportional angesichts der internen Ressourcen des Griechenlands des 19. Jahrhunderts. Einfach gesagt lebte der größere Teil der griechischen Bourgeoisie außerhalb griechischer Grenzen. Als Ergebnis war der Staat, der in Athen errichtet wurde, überproportional groß für die griechische Politik, während der griechische Kapitalismus einen internationalen, wenn auch begrenzten, Handelscharakter erreichte, bevor er sich auf dem griechischen Festland etablierte. Die beeindruckende Entwicklung und Dominanz des Staatsapparats im griechischen Gesellschaftsgebilde wird noch deutlicher, wenn man in Betracht zieht, dass nicht nur die autochthone Handelsklasse, sondern auch die landbesitzende Klasse in Griechenland eher schwach war. Denn Großgrundbesitzer tauchten relativ spät auf (mit der Annexion Thessaliens 1881) und es gab sie nur bis zur Agrarreform 1917, die das große Landeigentum in Griechenland unwiderruflich abschaffte.” (Nicos Mouzelis: Capitalism and Dictatorship in Post-War Greece, in: New Left Review Bd. I, No.96 [March-April 1976], S. 61; unsere Übersetzung)

[99] In einem breiteren Sinn brachte die Teilhabe an der europäischen Integration vorübergehend die ‚Große Idee’ des griechischen Kapitalismus hervor, eine bedeutsame imperialistische Regionalmacht zu werden. (Stavros Mavroudeas and Dimitris Paitaridis: The Greek crisis A dual crisis of overaccumulation and imperialist exploitation, in: Stavros Mavroudeas (Editor): Greek Capitalism in Crisis. Marxist Analysis, Routledge, News York 2015, S. 169)

[100] Die EU-12 waren die alten Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft, bevor die osteuropäischen Länder und auch Österreich, Schweden, Finnland usw. in den 1990er und 2000er Jahren beitraten.

[101] Europäische Kommission: European Economic Forecast Autumn 2006, Statistical Annex of European Economy, S. 48-52

[102] Siehe z.B. Guglielmo Carchedi: Behind the Crisis. Marx’s Dialectics of Value and Knowledge, Leiden 2011; Andrew Kliman: The Failure of Capitalist Production. Underlying Causes of the Great Recession, London 2011; Michael Roberts: The Great Recession. Profit cycles, economic crisis. A Marxist view (2009); Michael Roberts: A world rate of profit. Globalisation and the world economy (2012); Michael Roberts: Revisiting a world rate of profit (2015); Alan Freeman: The Profit Rate in the Presence of Financial Markets: A Necessary Correction (2013); Esteban Ezequiel Maito: The historical transience of capital The downward trend in the rate of profit since XIX century (2014).

[103] Dimitri Papadimitriou: The Political Economy of Greece. An Empirical Analysis of Marxian Economics, in: European Journal of Political Economy 6 (1990), S. 198.

[104] Dimitri Papadimitriou: The Political Economy Of Greece, S. 194

[105] Nikos Tsafos: Did the 1980s Ruin Greece? September 12, 2010, http://www.greekdefaultwatch.com/2010/09/did-1980s-ruin-greece.html; Dimitri G. Demekas and Zenon G. Kontolemis: Unemployment in Greece: A Survey of the Issues, Working Paper, International Monetary Fund 1996, S. 2; Siehe auch Heinz-Jürgen Axt: Modernisierung durch EG-Mitgliedschaft? Portugal, Spanien und Griechenland im Vergleich; in: Michael Kreile (Ed.): Die Integration Europas, Politische Vierteljahreszeitschrift, Sonderheft 32/1992, Westdeutscher Verlag, S. 213

[106] Siehe dazu z.B. Yannis Caloghirou, Yannis Voulgaris and Stella Zambarloukos: The Political Economy of Industrial Restructuring: Comparing Greece and Spain, in: South European Society and Politics, Bd. 5, No. 1, 2000, S. 76-83

[107] James Petras: The Contradictions of Greek Socialism, New Left Review I/163 (May-June 1987), S. 14

[108] Stavros D. Mavroudeas: Greece and the EU: capitalist crisis and imperialist rivalries, 2010, S. 10

[109] Stavros D. Mavroudeas: Greece and the EU: capitalist crisis and imperialist rivalries, 2010, S. 18. Diese Beobachtungen sind umso bemerkenswerter, da Mavroudeas im Gegensatz zu uns Griechenland als ein imperialistisches Land betrachtet: “Das hat es nicht zu einer abhängigen Ökonomie gemacht – im Sinn der üblicherweise angewandten Dependenztheorie. Der griechische Kapitalismus blieb eine mittelmäßig entwickelte und imperialistische Ökonomie. Doch im Vergleich zu seinen entwickelteren Partnern wurde er abgewertet. (S. 18)

[110] Dimitrios Maditinos, Dimitrios Kousenidis and Dimitrios Chatzoudes: Foreign Direct Investment (FDI) in the Balkans: The Role of Greece; in: Anastasios G. Karasavvoglou (Editor): The Economies of the Balkan and Eastern Europe Countries in the Changed World, Cambridge Scholars Publishing, 2011, S.210

[111] See Stephen Thomsen and Stephen Woolcock: Direct Investment and European Integration. Competition among Firms and Governments, The Royal Institute of International Affairs, Pinter Publishers, London 1993, S. 48

[112] Zu den Schwierigkeiten für das griechische Kapital in den Balkanländern in den 1990ern siehe z.B. Lois Labrianidis, Antigone Lyberaki, Platon Tinios and Panos Hatziprokopiou: Inflow of Migrants and Outflow of Investment: Aspects of Interdependence between Greece and the Balkans; in: Journal of Ethnic and Migration Studies, Bd. 30, No. 6 (2004), S. 16-23

[113] UNCTAD: FDI in brief: Greece. Outflows up, decline in inflows in 2002, S. 1

[114] UNCTAD: FDI in brief: Greece. Outflows up, decline in inflows in 2002, S. 1

[115] Trajko Slaveski, Pece Nedanovski: Foreign Direct Investment in the Framework of Cross-Border Co-Operation in Selected Balkan Countries, 2001, S. 4

[116] Lois Labrianidis: The Opening of the Balkan Markets and consequent Economic Problems in Greece, in: Modern Greek Studies Yearbook Bd. 12/13, 1996/97, University Of Minnesota, S. 232 and Trajko Slaveski, Pece Nedanovski: Foreign Direct Investment in the Framework of Cross-Border Co-Operation in Selected Balkan Countries, S. 8

[117] Bureau of Economic, Energy and Business Affairs: 2010 Investment Climate Statement – Greece, March 2010, http://www.state.gov/e/eeb/rls/othr/ics/2010/138073.htm; see on this also Dimitris Chatzoudes and Despoina Kaltsidou: Greek Foreign Direct Investment (FDI) in Turkey (2006), S. 8-10

[118] Dimitrios Maditinos, Dimitrios Kousenidis and Dimitrios Chatzoudes: Foreign Direct Investment (FDI) in the Balkans: The Role of Greece; in: Anastasios G. Karasavvoglou (Editor): The Economies of the Balkan and Eastern Europe Countries in the Changed World, Cambridge Scholars Publishing, 2011, S. 216

[119] Kostas Ifantis: Greece and Southeastern Europe (2015), S. 163

[120] Persephone Economou and Margo Thomas: Greek FDI in the Balkans: How is it affected by the crisis in Greece? Columbia FDI Perspectives, No. 51, November 21, 2011, S. 1-2

[121] OECD Economic Surveys: Greece, July 2009, S. 40

[122] OECD Economic Surveys: Greece, July 2009, S. 41

[123] Dimitrios Maditinos, Dimitrios Kousenidis and Dimitrios Chatzoudes: Foreign Direct Investment (FDI) in the Balkans: The Role of Greece; in: Anastasios G. Karasavvoglou (Editor): The Economies of the Balkan and Eastern Europe Countries in the Changed World, Cambridge Scholars Publishing, 2011, S.218

[124] Albanians and the Greek Crisis: A Briefing of Economic and Social Concerns, Balkanist, July 13, 2015, http://balkanist.net/albania-economic-social-concerns/

[125] Balkan Economic Forum: Balkan Economic Development Outlook, Athens 2015, http://www.balkaneconomicforum.org/wp/balkan-economic-development-outlook/

[126] Saul Estrin and Milica Uvalic: Foreign direct investment into transition economies: Are the Balkans different? LEQS Paper No. 64/2013, July 2013, S. 24

[127] Lindita Muaremi, Rigersa Konomi, Sindise Salihi: Foreign Direct Investment in Macedonia; in: European Scientific Journal, Vol. 11, No.4 (February 2015), S. 64

[128] Persephone Economou and Margo Thomas: Greek FDI in the Balkans: How is it affected by the crisis in Greece? Columbia FDI Perspectives, No. 51, November 21, 2011, S. 2

[129] Vasileios K. Siokorelis: Economic Effects of Migration from Albania to Greece, in: Journal of Identity and Migration Studies, Vol. 5, No. 1, 2011, S. 118

[130] Ioannis Cholezas, Panos Tsakloglou: The Economic Impact of Immigration in Greece: Taking Stock of the Existing Evidence, Institute for the Study of Labor, October 2008, S. 6-7

[131] Ioannis Cholezas, Panos Tsakloglou: The Economic Impact of Immigration in Greece: Taking Stock of the Existing Evidence, Institute for the Study of Labor, October 2008, S. 13

[132] OECD Economic Surveys: Greece, September 2005, S. 135

[133] Siehe dazu Michael Pröbsting: Migration and Super-exploitation: Marxist Theory and the Role of Migration in the present Period of Capitalist Decay, in: Critique Vol. 43 No. 3 (August 2015), S. 313-330; siehe auch The Great Robbery of the South, S. 184-188

[134] Leonidas K. Cheliotis and Sappho Xenakis: What’s neoliberalism got to do with it? Towards a political economy of punishment in Greece, in: Criminology & Criminal Justice Vol. 10, No. 4 (2010), S. 358

[135] OECD Economic Surveys: Greece, September 2005, S. 136

[136] OECD Economic Surveys: Greece, July 2009, S. 98

[137] Angus Maddison: The World Economy, Volume 1: A Millennial Perspective, Volume 2: Historical Statistics, Development Centre Studies, Paris 2006, S. 185

[138] Angus Maddison: The World Economy, S. 186. Siehe auch Heinz-Jürgen Axt: Süderweiterung der Europäischen Gemeinschaft: Erfahrungen mit der asymmetrischen Integration; in: Cord Jakobeit and Alparslan Yenal (Ed.): Gesamteuropa. Analyse, Probleme und Entwicklungsperspektiven, Leske + Budrich, Opladen 1993, S. 432

[139] Siehe dazu auch Nicos Christodoulakis und Sarantis Kalyvitis: Structural funds: growth, employment, and the environment: modelling and forecasting the Greek economy, Springer Science+Business Media, New York 2001, S. 2

[140] OECD Economic Surveys: Greece, September 2005, S. 34. Es sei daran erinnert, dass die Linie in der Abbildung für die Jahre ab 2003 nur optimistische Spekulationen bürgerlicher ÖkonomInnen für künftige Entwicklungen sind und keine Tatsachen

[141] European Commission: European Economic Forecast Spring 2015, Statistical Annex of European Economy, in: EUROPEAN ECONOMY 2|2015, p. 26

[142] Stavros D. Mavroudeas: The Greek Saga: Competing Explanations of the Greek Crisis, Economics Discussion Papers 2015-1, University of Macedonia, 10 February 2015, S. 30-31

[143] Stella Balfoussias: Potential Output Growth in Greece, in: Stella Balfoussias, Panos Hatzipanayotou, Costas Kanellopoulos (Editors): Essays in Economics. Applied Studies on the Greek Economy, Centre of Planning and Economic Research, Athens 2011, S. 43

[144] Euclid Tsakalotos: The Political Economy of Social Democratic Economic Policies: The PASOK Experiment in Greece, in: Oxford Review of Economic Policy, Vol. 14, No. 1, 1998, S. 125

[145] Eirini Gaitanou: An examination of class structure in Greece, its tendencies of transformation amid the crisis, and its impacts on the organisational forms and structures of the social movement, 27 Νοvember 2014, http://omilosmarx.gr/%CE%BA%CE%B5%CE%AF%CE%BC%CE%B5%CE%BD%CE%B1/item/39-class-structure-greece

[146] Boston Consulting Group: Hellas '20:20 Supporting investment in the Greek economy–a foreign investor perspective, October 2011, S. 19. Nach einem anderen griechischen Ökonomen haben 96% der Betriebe des Landes 0-4 Beschäftigte, 2% haben 5–9 und die restlichen 2% mehr als 10 Beschäftigte. (Panagiotis Petrakis: The Greek Economy and the Crisis. Challenges and Responses, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2012, S. 65)

[147] Aristos Doxiadis: The real Greek economy: owners, rentiers and opportunists, Athens Review of Books, June 2010, pp. 2-3. Ein anderer griechischer Ökonom schrieb in den späten 1990ern eine ähnlich nüchterne Einschätzung zu Griechenland rückständiger Wirtschaft: “Die griechische Wirtschaft unterscheidet sich von jenen in entwickelten Ländern in mehrfacher Hinsicht. Ein Viertel der Bevölkerung arbeitet in der Landwirtschaft im Gegensatz zu 5% in den OECD-Ländern, und es gibt hohe Anteile von Selbstständigen (28,7%) und unbezahlten Familienmitgliedern (10,8% im Jahr 1994). Die Staatsschulden betrugen 1992 110% des BIP und die sinkende Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Industrie zeigt sich im raschen Zuwachs von Importen und Rückgang von Exporten, was zu einem deutlichen Handelsdefizit führt. Inflation (10,8% im Jahr 1994) und Zinsraten (nominell 28%, real 12,5% im Jahr 1992) liegen hoch und es gibt eine alarmierende Anzahl von ungedeckten Schecks. Die Schattenwirtschaft wird auf über 40% des BIP geschätzt und es gibt 400.000 illegale ImmigrantInnen, davon 200.000 aus Albanien. Bis 1992 näherte sich Griechenlands BIP pro Kopf dem EU-Durchschnitt an, doch seit 1992 fällt es zunehmend zurück.

Der Industrieanteil am BIP ist seit 1975 beständig gefallen und liegt jetzt bei 18,5% im Vergleich zum EU-Durchschnitt von 30%. Der griechische Industriesektor ist begrenzt (170.000 Unternehmen und 600.000 Beschäftigte) und hat eine schwache Struktur vorwiegend aufgrund dessen, dass er auf traditionelle Bereiche (d.h. Bekleidung und Schuhwerk, Nahrung, Textilien, Transporthilfsmittel inklusive Autoreparatur) fußt und von einer Unmenge an Kleinbetrieben gekennzeichnet ist. 1988 hatten 93,5% aller Unternehmen nicht mehr als 9 Angestellte und nur eine Firma von 200 mehr als 100.” (Lois Labrianidis: The Opening of the Balkan Markets and consequent Economic Problems in Greece, in: Modern Greek Studies Yearbook Vol 12/13, 1996/97, University Of Minnesota, S. 212)

[148] Roberto Pedersini and Diego Coletto: Self-Employed Workers: Industrial Relations and Working Conditions, Dublin: European Foundation for the Improvement of Living and Working Conditions (Eurofound), 2009, S. 8

[149] OECD Economic Surveys: Greece, November 2013, S. 66

[150] Theodore C. Kariotis: The Economy: Growth without Equity, in: Theodore A. Couloumbis, Theodore Kariotis and Fotini Bellou (Editors): Greece in the Twentieth Century, Hellenic Foundation for European and Foreign Policy, Frank Cass, London and New York 2004, S. 255

[151] OECD Economic Surveys: Greece, November 2013, S. 65

[152] Helen Caraveli and Efthymios G. Tsionas: Economic Restructuring, Crises and the Regions: The Political Economy of Regional Inequalities in Greece, GreeSE Paper No.61, Hellenic Observatory Papers on Greece and Southeast Europe, 2012, S. 10

[153] Karl Marx: Einleitung zu den Grundrissen der Kritik der politischen Ökonomie (Rohentwurf 1857-58)]; in: MEW 42, S. 35

[154] Truth Committee on Public Debt: Preliminary report (2015), S. 14

[155] Mark Whitehouse: Greece's Predicament in One Scary Chart, Apr 24, 2015, http://www.bloombergview.com/articles/2015-01-30/greece-s-predicament-in-one-scary-chart

[157] OECD Economic Surveys: Greece, August 2011, S. 32

[158] Euclid Tsakalotos: The Political Economy of Social Democratic Economic Policies: The PASOK Experiment in Greece, in: Oxford Review of Economic Policy, Vol. 14, No. 1, 1998, S. 123

[159] Siehe dazu auch George Pagoulatos: Greece’s New Political Economy. State, Finance, and Growth from Postwar to EMU, Palgrave Macmillan 2003, S. 128

[160] OECD Economic Surveys: Greece, August 2011, S. 32

[161] Hari Kumar: The Greek Debt Crisis: A Misnomer for the European Imperialist Crisis, 22. August 2015, The Red Phoenix, http://theredphoenixapl.org/2015/08/22/the-greek-debt-crisis-a-misnomer-for-the-european-imperialist-crisis/

[162] OECD Economic Surveys: Greece, Mai 2007, S. 45

[163] Thanasis Maniatis: The fiscal crisis in Greece. Whose fault? in: Stavros Mavroudeas (Editor): Greek Capitalism in Crisis. Marxist Analysis, Routledge, New York 2015, S. 37

[164] Da die heimischen Nettorücklagen nicht reichten, um ein minimales Niveau an Neuinvestitionen zu tragen, war die griechische Ökonomie in einem Ausmaß vom Fremdkapital abhängig, das in der Eurozone einmalig war.” (George Economakis, George Androulakis and Maria Markaki: Profitability and crisis in the Greek economy (1960–2012) An investigation, in: Stavros Mavroudeas (Editor): Greek Capitalism in Crisis. Marxist Analysis, Routledge, New York 2015, S. 131)

[165] Evangelia Kasimati: The Macroeconomic Relationship Between Investment and Saving in Greece, in: Stella Balfoussias, Panos Hatzipanayotou, Costas Kanellopoulos (Editors): Essays in Economics. Applied Studies on the Greek Economy, Centre of Planning and Economic Research, Athen 2011, S. 92

[166] European Commission: European Economic Forecast Spring 2015, Statistical Annex of European Economy, in: EUROPEAN ECONOMY 2|2015, S. 164

[167] Siehe Jeffrey B. Nugent and Constantine Glezakos: To What Extent Does Greece Underperform in its Efforts to Attract FDI Relative to Its Regional Competitors and Why? in: Stella Balfoussias, Panos Hatzipanayotou, Costas Kanellopoulos (Editors): Essays in Economics. Applied Studies on the Greek Economy, Centre of Planning and Economic Research, Athen 2011, S. 607

[168] Arapoglou: The Future of Greek Banks, S. 11

[169] OECD Economic Surveys: Greece, August 2011, S. 58

[170] Boston Consulting Group: Hellas '20:20 Supporting investment in the Greek economy–a foreign investor perspective, October 2011, S. 3, 10 und 11

[171] OECD Economic Surveys: Greece, August 2011, S. 25

[172] C. Lapavitsas, A. Kaltenbrunner, D. Lindo, J. Michell, J.P. Painceira, E. Pires, J. Powell, A. Stenfors, N. Teles: Eurozone Crisis: Beggar Thyself and Thy Neighbour, Research on Money and Finance, March 2010, S. 27

[173] Nicos Mouzelis: The Relevance of the Concept of Class to the Study of Modern Greek Society, in: Annals of the New York Academy of Sciences Vol. 268 (February 1976), S. 401

[174] Siehe dazu RCIT: Perspectives for the Class Struggle in Light of the Deepening Crisis in the Imperialist World Economy and Politics. Theses on Recent Major Developments in the World Situation and Perspectives Ahead (January 2015), in: Revolutionary Communism Nr. 32, S. 3-26, http://www.thecommunists.net/theory/world-situation-january-2015/; RCIT: Escalation of Inner-Imperialist Rivalry Marks the Opening of a New Phase of World Politics. Theses on Recent Major Developments in the World Situation (April 2014), in: Revolutionary Communism Nr. 22, S. 36-49, http://www.thecommunists.net/theory/world-situation-april-2014/; RCIT: Aggravation of Contradictions, Deepening of Crisis of Leadership. Theses on Recent Major Developments in the World Situation, 9.9.2013, in: Revolutionary Communism Nr. 15, S. 24-40, http://www.thecommunists.net/theory/world-situation-september2013/; RCIT: The World Situation and the Tasks of the Bolshevik-Communists, März 2013, in: Revolutionary Communism Nr. 8, S. 33-42, www.thecommunists.net/theory/world-situation-march-2013; Michael Pröbsting: The Great Robbery of the South. (Kapitel 14), http://www.great-robbery-of-the-south.net/great-robbery-of-south-online/download-chapters-1/chapter14/

[175] Panagiotis Mantalos: Greek Debt Crisis. An Introduction to the Economic Effects of Austerity, Department of Statistics, Swedish Business School 2015, S. 6

[176] Daniel Harari: Greek debt crisis: background and developments in 2015, House of Commons Library Briefing Paper Number 7114, 6 July 2015, S. 6

[177] See e.g. Daniel Harari: Greek debt crisis: background and developments in 2015, House of Commons Library Briefing Paper Number 7114, 6 July 2015, p. 6

[178] Michael Roberts: Greece: Samaras gambles, 12.12.2014, http://thenextrecession.wordpress.com/2014/12/12/greece-samaras-gambles/

[179] Thanasis Maniatis and Costas Passas: The law of the falling rate of profit in the post-war Greek economy, in: Stavros Mavroudeas (Editor): Greek Capitalism in Crisis. Marxist Analysis, Routledge, New York 2015, S. 126

[180] Thanasis Maniatis and Costas Passas: The law of the falling rate of profit in the post- war Greek economy, S. 108

[181] Valia Aranitou: The Decline of the Middle Classes Around the World? The collapse of the middle class in Greece during the era of the Memoranda (2009-2014), S. 15

[182] Valia Aranitou: The Decline of the Middle Classes Around the World? S. 16

[183] Daniel Harari: Greek debt crisis: background and developments in 2015, House of Commons Library Briefing Paper Number 7114, 6. Juli 2015, S. 9

[184] Panagiotis Mantalos: Greek Debt Crisis. An Introduction to the Economic Effects of Austerity, 2015, S. 6

[185] Panagiotis Mantalos: Greek Debt Crisis, S. 8

[186] Panagiotis Mantalos: Greek Debt Crisis, S. 10

[188] Heiner Flassbeck und Costas Lapavitsas: The systemic crisis of the euro – true causes and effective therapies, Rosa-Luxemburg-Stiftung, Mai 2013, S. 21.

MFI ist das Synonym der EZB für ”monetäre Finanzinstitutionen” und umfasst “das Eurosystem (EZB und die Nationalbanken der Euroländer), Kreditinstitute und Nicht-Kreditinstitute (hauptsächlich Geldmarktfonds), deren Geschäft darin besteht, Einlagen von anderen Körperschaften als dem MFI zu erhalten und Kredite zu gewähren und/oder in Wertpapiere zu investieren. (ECB: Financial intermediaries, https://www.ecb.europa.eu/mopo/eaec/intermediaries/html/index.en.html)

[189] S. M. Ali Abbas, Laura Blattner, Mark De Broeck, Asmaa El-Ganainy, und Malin Hu: Sovereign Debt Composition in Advanced Economies: A Historical Perspective, International Monetary Fund 2014, IWF Working Paper WP/14/162, S. 9f

[190] S. M. Ali Abbas, Laura Blattner, Mark De Broeck, Asmaa El-Ganainy und Malin Hu: Sovereign Debt Composition in Advanced Economies, S. 10. Die Berechnungen des IWF umfassen Daten für die dreizehn fortgeschrittenen Ökonomien: Belgien, Frankreich, Deutschland, Italien, Japan, Niederlande, Spanien, Schweden, Großbritannien und die USA mit Beginn im Jahr 1900. Für Australien gibt es Daten ab 1901, für Kanada ab 1914, und Irland ab 1936.

[191] Yannis Ioannides: Greece, the Eurozone, and the Debt Crisis, in: Michalis Psalidopoulos (Ed.): A World of Crisis and Shifting Geopolitics: Greece, the Eastern Mediterranean and Europe. A Conference Report, I. SIDERIS Publications 2011, S. 77

[192] Truth Committee on Public Debt: Preliminary report (2015), S. 15

[193] Siehe dazu z.B. Asteris Huliaras und Sotiris Petropoulos: Shipowners, ports and diplomats: the political economy of Greece’s relations with China, in: Asia Europe Journal Bd. 12, Nr. 3, September 2014, S. 215-230

[194] Jubilee Debt Campaign: Six key points about Greek debt and the forthcoming election, Jänner 2015

[196] IWF – Greece: Memorandum of Understanding for a three-year ESM programme, August 2015, S. 1

[197] E.Tsiliopoulos: Agreement with Fraport-Slentel for Greek Regional Airports, 4. November 2015, http://www.newgreektv.com/english-news/item/17673-agreement-with-fraport-slentel-for-greek-regional-airports

[198] Programme of the KKE, verabschiedet 2013, http://inter.kke.gr/en/articles/Programme-of-the-KKE/ (unsere Übersetzung)

[199] Aleka Parariga (KKE General Secretary): The Position of Greece within International Capitalism, Article for "El Machete," the Theoretical and Political Review of the CP of Mexico, http://mltoday.com/the-position-of-greece-within-international-capitalism (unsere Übersetzung)

[200] Stefanos Loukas: On current international issues: Dependent or interdependent relations? in: KKE: Collection of articles and contributions, Athens 2010, S. 96 (unsere Übersetzung). Ein anderes damaliges Mitglied des Politbüros der KKE, Eleni Mpellou, schrieb ähnlich: “Diese Daten bestätigen die Einschätzung des 18. Kongresses der KKE, dass die griechische Ökonomie eine Zwischenposition im internationalen imperialistischen Sysem innehat, dieselbe – vorletzte – Stelle in der Eurozone beibehaltend, wenngleich mit einer verstärkten Position auf dem Balkanmarkt.” (Eleni Mpellou: The international economic crisis and the position of Greece. The theses of KKE, in: International Communist Review No. 1 (2011), http://www.iccr.gr/en/news/The-international-economic-crisis-and-the-position-of-Greece.-The-theses-of-KKE/ (unsere Übersetzung)

[201] Georgios Kolias: Die Lage in Griechenland und die Strategie der kommunistischen Bewegung, http://parteiderarbeit.at/?p=2247 (Hervorhebungen im Original, Anm. d. Ü.)

[202] Siehe z.B. Alex Callinicos: Marxism and Imperialism today, in: A. Callinicos, J. Rees, C Harman & M. Haynes: Marxism and the New Imperialism , London 1994, S. 51

[203] Programme of KKE (1996), http://interold.kke.gr/Documents/docprogr.html (unsere Übersetzung)

[204] Zitiert in Papariga: Bankruptcy has already begun, Δημοσίευση 31 Μαΐου 2011, http://newpost.gr/english/50116/Papariga-Bankruptcy-has-already-begun

[205] LeserInnen seien auf zahlreiche Stellungnahmen sowie unsere Broschüre zu Griechenland verwiesen, die die wesentlichen Elemente für ein solches Aktionsprogramm beinhalten. Sie können in einem Unterabschnitt zu Griechenland auf unserer Website eingesehen werden: http://www.thecommunists.net/worldwide/europe/articles-on-greece/

[206] Für eine nähere Untersuchung der widersprüchlichen Entwicklung der Arabischen Revolution wird auf zahlreiche Stellungnahmen und Artikel, die auf unserer Website veröffentlicht sind, hingewiesen: http://www.thecommunists.net/worldwide/africa-and-middle-east/. Die umfassendsten Dokumente der RCIT dazu sind Die Arabische Revolution ist ein zentraler Prüfstein für Sozialisten! Offener Brief der RCIT an alle revolutionäre Organisationen und Aktivisten (Oktober 2013, http://www.thecommunists.net/home/deutsch/offener-brief-arabische-revolution/) und Revolution und Konterrevolution in der Arabischen Welt. Eine Bewährungsprobe für Revolutionäre (Mai 2015, http://www.thecommunists.net/home/deutsch/arabische-revolution/)

[207] Zum Wesen der Europäischen Union und der revolutionären Perspektiven verweisen wir auf diverse Dokumente: Michael Pröbsting: Der EU-Reformvertrag, seine Hintergründe und die revolutionäre Strategie (2008), http://www.thecommunists.net/theory/eu-reform-vertrag/; Michael Pröbsting: Die Frage der Vereinigung Europas im Lichte der marxistischen Theorie. Zur Frage eines supranationalen Staatsapparates des EU-Imperialismus und der marxistischen Staatstheorie. Die Diskussion zur Losung der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa bei Lenin und Trotzki und ihre Anwendung unter den heutigen Bedingungen des Klassenkampfes, in: Unter der Fahne der Revolution“ (FAREV) Nr. 2/3 (2008), http://www.thecommunists.net/theory/marxismus-und-eu/; RKOB: Die Europäische Union und die Frage des Beitritts von halb-kolonialen Ländern, 14.10.2012, in: http://www.thecommunists.net/home/deutsch/eu-und-halbkolonien/; Michael Pröbsting: The British Left and the EU-Referendum: The Many Faces of pro-UK or pro-EU Social-Imperialism. An analysis of the left’s failure to fight for an independent, internationalist and socialist stance both against British as well as European imperialism, in: Revolutionary Communism No. 40, August 2015, http://www.thecommunists.net/theory/british-left-and-eu-referendum/; Michael Pröbsting: Die GAM/L5I und die Europäische Union: Eine Rechtswende weg vom Marxismus. Die jüngste Positionsänderung von GAM/L5I hin zur Befürwortung der EU-Mitgliedschaft verkörpert eine Abwendung von der eigenen Tradition, von der marxistischen Methode und von den Tatsachen, in: Revolutionärer Kommunismus Nr. 20, August 2016, http://www.thecommunists.net/home/deutsch/l5i-brexit/; Michael Pröbsting: Verkörpert die EU einen „bürgerlich-demokratischen Fortschritt“? Noch einmal zur EU und den Taktiken der Arbeiterklasse – Ein Nachtrag auf unsere Kritik zur Rechtswende von GAM/L5I und ihrer Befürwortung der EU-Mitgliedschaft, 16.9.2016, http://www.thecommunists.net/home/deutsch/l5i-brexit-artikel/

[208] W. I. Lenin: Über die Losung der Vereinigten Staaten von Europa; in: LW Bd. 21, S.343

[209] Costas Lapavitsas ist ein Universitätsprofessor und wurde im Jänner 2015 zum Parlamentsabgeordneten der SYRIZA gewählt, bis er sich gemeinsam mit seinen GenossInnen in der LAE im August 2015 abspaltete. Er hat seine Ansichten kürzlich in diversen Interviews und Artikeln dargelegt, wie z.B. To beat austerity, Greece must break free from the euro, 2. März 2015, http://www.theguardian.com/commentisfree/2015/mar/02/austerity-greece-euro-currency-syriza?; The Syriza strategy has come to an end, 30. April 2015, http://www.versobooks.com/blogs/1967-costas-lapavitsas-the-syriza-strategy-has-come-to-an-end; Lapavitsas Calls for Exit as the Only Strategy for Greek People, 17. Juli 2015, http://therealnews.com/t2/index.php?option=com_content&task=view&id=31&Itemid=74&jumival=14278

[210] Siehe dazu unsere oben angeführten Veröffentlichungen zur Europäischen Union.

[211] Zur Lage der Flüchtlinge in Europa und der Solidaritätsbewegung siehe RCIT: Öffnet Europas Tore für die Flüchtlinge! Hoch die internationale Solidarität der Arbeiter und Armen! Nieder mit der imperialistischen Festung EU! Treibt die Arabische Revolution voran, um Arbeiter- und Bauernrepubliken zu schaffen! 15.09.2015, http://www.thecommunists.net/home/deutsch/refugees-resolution/; RCIT: Europe / North Africa: Storm the Gates of Rome! Open Borders for Refugees! Stop the Imperialist EU-War against Refugees! No to the Preparations for an Imperialist Aggression against Libya! 22.5.2015, http://www.thecommunists.net/worldwide/europe/eu-war-against-refugees/

[212] Leo Trotzki: A Discussion on Greece (Spring 1932), In: Writings of Leon Trotsky: Supplement (1929-33), Pathfinder, New York 1979, S. 133 (Deutsche Übersetzung: http://archiv.rsb4.de/avanti1299/nationalefrage.htm)

[213] Leo Trotzki: A Discussion on Greece, S. 129-130

[214] Siehe Erik Eberhard: Revolution und Konterrevolution in Griechenland, AGM, Wien 2005, S. 499-501

[215] Siehe dazu z.B. Anastasia Karakasidou: Fellow Travellers, Separate Roads: The KKE and the Macedonian Question, in: East European Quarterly Vol. XXVII, No. 4 (Winter 1993). Zur Geschichte der Haltung der KommunistInnen zur mazedonischen Frage siehe z.B. Joseph Rothschild: The Communist Party of Bulgaria. Origins and Development 1883-1936, Columbia University Press, New York 1959; Stephen E. Palmer, Jr und Robert R. King: Yugoslav Communism and the Macedonian Question, Archon Books, Hamden 1971

[216] Programm der KKE (1996), http://interold.kke.gr/Documents/docprogr.html (unsere Übersetzung)

[217] Pantelis Pouliopoulos: Communists and the Macedonian Question (May 1940), Republished in Spartakos No 30, 1991, https://www.marxists.org/archive/pouliop/works/1940/05/commac.htm (unsere Übersetzung)

[218] Zum Verständnis der RCIT der revolutionären Partei siehe Michael Pröbsting: Revolutionärer Parteiaufbau in Theorie und Praxis – Rück- und Ausblick nach 25 Jahren organisierten Kampfes für den Bolschewismus, Dezember 2014, http://www.thecommunists.net/home/deutsch/rcit-revolutionare-partei/