G20-Gipfel: Ein Symbol für den globalen Kapitalismus und seine Krise

 

Die imperialistischen Führer manövrieren inmitten der zunehmenden Rivalität zwischen den Großmächten und den Massenprotesten auf der Straße

 

Erklärung der Revolutionär-Kommunistischen Internationalen Tendenz (RCIT), 10.07.2017, www.thecommunists.net, (Übersetzung: Rahime Berisha und Marek Hangler)

 

 

 

1.            Der G20-Gipfel in der deutschen Hafenstadt Hamburg und die damit verbundenen Ereignisse spiegeln die gegenwärtige Weltlage sehr gut wider. Die imperialistischen Führer verhandelten verzweifelt hinter verschlossenen Türen, um einen Kompromiss zwischen ihren gegensätzlichen Machtinteressen zu finden. Während es ihnen die bei Fragen gelungen ist, in denen sie gemeinsame Interessen teilen, scheiterten sie in anderen Punkten. Gleichzeitig spiegelten die kämpferischen Massendemonstrationen auf den Straßen Hamburgs die breite Empörung in der Bevölkerung über die arroganten "Führer" der Welt wider.

 

2.            Wir leben in einer Welt großer Umbrüche. Dies spiegelt sich in der Tatsache wider, dass zum ersten Mal bei solchen Gipfeltreffen die imperialistischen Führer nach außen hin keine Einigkeit präsentieren konnten. Die Großmächte waren in ihrer, am Ende ihres Treffens veröffentlichten, offiziellen Mitteilung gezwungen zuzugeben, dass sie keine Einigung über die Frage des Klimawandels erzielt haben. US-Präsident Donald Trump – im Gegensatz zu allen anderen Staatsoberhäuptern – bestand darauf, dass die weltweit größte imperialistische Macht, die auch die zweitmeiste Menge an CO₂ ausstößt, offiziell den so genannten Pariser Klimavertrag verlässt. Das bedeutet in der Praxis, dass die USA ihre Treibhausgasemissionen erhöhen werden, die in hohem Maße für die globale Erwärmung verantwortlich sind. Darüber hinaus konnten die Großmächte ihre große Uneinigkeit zum Thema Welthandel nur schlecht übertünchen. Wieder war es vor allem Donald Trump, der auf seiner chauvinistisch-protektionistischen "America First"-Politik beharrte.

 

3.            Natürlich liegen hinter diesen Differenzen keine ideologischen Unterschiede oder das Festhalten an fortschrittlichen Zielen. Als die noch größte, wenn auch immer mehr schwächelnde Großmacht ist der US-Imperialismus sowohl in der Lage als auch gezwungen, eine aggressivere protektionistische Haltung gegen seine Konkurrenten zu nehmen. Die anderen imperialistischen Mächte – wie die Europäische Union, China, Russland oder Japan – sind keineswegs fortschrittlicher als der nordamerikanische alternde Riese.

 

4.            In Fragen, bei denen die Machtinteressen der Imperialisten zusammenfielen, konnten sie "Fortschritte" machen – zum Nachteil der unterdrückten Völker. Trump und Putin hatten zusammen mit ihren jeweiligen Außenministern ein langes Treffen und schienen ein Übereinkommen darüber erzielt zu haben, wie man den Volksaufstand in Syrien niederschlagen soll. Sie haben offiziell vereinbart, in den Regionen Deraa, Quneitra und Suweida einen Waffenstillstand zu verhängen und "Deeskalations-Zonen" zu schaffen. US-Außenminister Tillerson betonte die gemeinsamen reaktionären Interessen dieser beiden imperialistischen Mächte, bei der Zerschlagung des bewaffneten Volkskampfes gegen die Assad-Diktatur und der durch die Großmächte erzwungene Befriedung des Landes (siehe auch den so genannten "Astana-Deal"). Er berichtete über das Treffen der beiden größten Räuber der Welt: "Und ich würde sagen, dass unsere Ziele im Großen und Ganzen genau gleich sind. Wie wir dorthin kommen, dazu hat jeder seine eigene Meinung. Aber da gibt es viel mehr Gemeinsamkeit als Unterschiede. Also wollen wir auf den Gemeinsamkeiten aufbauen, und wir haben viel Zeit damit verbracht, über die nächsten Schritte zu reden." Tillerson brachte sogar offen seine Bewunderung für Rußlands aggressive Unterstützung des barbarischen Krieges von Assad zum Ausdruck, der bis jetzt mindestens eine halbe Million Menschen getötet hat:" Vielleicht haben sie den richtigen Ansatz und wir haben den falschen Ansatz"! (aus dem Englischen: New York Times: U.S., Russia and Jordan Reach Deal for Cease-Fire in Part of Syria, 7.7.2017)

 

5.            Die Revolutionär-Kommunistische Internationale Tendenz (RCIT) und ihre Sektionen im Nahen Osten bestätigen ihre Unterstützung für die fortlaufende Syrische Revolution. Wir rufen alle Aktivisteninnen und Aktivisten weltweit auf, ihre Solidaritätsarbeit mit den Arbeitern und Bauern in Syrien fortzusetzen, gegen das Assad-Regime zu kämpfen und jede konterrevolutionäre Friedensinitiative wie den Astana-Deal zu Fall zu bringen. Ebenso unterstreichen wir unsere Unterstützung für das Recht auf nationale Selbstbestimmung aller Unterdrückten – einschließlich des kurdischen Volkes in der Türkei und in Syrien. Es lebe die sozialistische Revolution!

 

6.            Ebenso genehmigte der G20-Gipfel die Initiative von Merkel, welche fälschlicherweise den Namen "Partnerschaft für Afrika" trägt. Während diese Initiative die verarmten afrikanischen Völker angeblich unterstützen soll, nützt sie in Wirklichkeit den Interessen der imperialistischen Monopole, die Rohstoffe Afrikas aufzukaufen, Steuern zu vermeiden und die Gewinne in den heimischen Ländern wieder anzukurbeln. Darüber hinaus dient sie der imperialistischen Agenda – vor allem der der Europäischen Union – die politische und militärische Vorherrschaft in Nord- und Zentralafrika auszubauen, um den bewaffneten Widerstand niederzuschlagen und Millionen von Afrikanern daran zu hindern, nach Europa zu kommen (als Beispiel sei auf die aktuelle Initiative des französischen Präsidenten Macron zur Schaffung einer 5.000 Soldaten starken regionalen Anti-Terror-Einheit für die Sahel-Region hingewiesen).

 

7.            Die RCIT und ihre Sektion in Simbabwe verurteilen die imperialistische "Partnerschaft für Afrika". Wir betonen erneut unsere Solidarität mit dem Volkswiderstand gegen die imperialistische Ausbeutung und Unterdrückung auf dem afrikanischen Kontinent. Wir unterstützen alle Volksaufstände gegen reaktionäre Diktaturen und Sparprogramme. Ebenso ruft die RCIT die Arbeiterklasse und die Unterdrückten dazu auf, die imperialistischen Monopole zu enteignen und die Truppen der Großmächte und ihre örtlichen Hilfskräfte zu vertreiben. Für eine sozialistische Föderation in Schwarzafrika!

 

8.            Der G20-Gipfel zeigte auch eindrucksvoll die weit verbreitete Empörung in der Bevölkerung über die imperialistischen Führer, die die sozialen und ökologischen Lebensbedingungen der Menschheit zerstören. Für drei Tage gingen mehr als 100.000 Menschen auf die Straße und drückten die Ablehnung der Agenda der Großmächte durch die Arbeiter und unterdrückten Völker auf der ganzen Welt aus. Diese Proteste waren auch eine bemerkenswerte Demonstration dafür, dass der weltweit Kampf der Massen gegen die Angriffe der herrschenden Klassen nicht zurückgegangen ist – im Gegensatz zu verschiedenen Untergangspropheten unter der reformistischen und zentristischen Linken.

 

9.            Die brutalen Angriffe des deutschen Staates mit 21.000 Polizisten und zahlreichen Wasserwerfern – an einem Punkt wurden sogar Elite-Polizeieinheiten mit offen zur Schau getragenen Maschinengewehren gegen die Demonstranten eingesetzt! – zeigten einmal mehr, dass der Staatsapparat ein Werkzeug der Repression im Dienste der herrschenden kapitalistischen Klasse ist.

 

10.          Natürlich dürfen wir bei einer solchen positiven Einschätzung der Massenproteste gegen den G20-Gipfel die offensichtlichen Schwächen keineswegs ignorieren. Dazu zählt die konterproduktive Rolle einiger Teile des sogenannten „Schwarzen Blocks“, die sinnlose Angriffe ausführten und in einigen Fällen sogar kleine Läden und gewöhnliche Autos verbrannten. Es war ebenfalls sehr problematisch, dass ein starkes Kontingent der kurdischen PKK/YPG an der Spitze der riesigen Demonstration von 100.000 am Samstag marschierte. Das schickte ein sehr falsches Signal an die Welt und vor allem an das syrische Volk, wenn man die völlig reaktionäre Rolle der kleinbürgerlichen stalinistisch-nationalistischen YPG als Fußsoldaten des US-Imperialismus in ihrer Offensive zur Eroberung von Nord-Syrien bedenkt. Alle diese Schwächen spiegeln die einflussreiche Rolle der stalinistischen und anarchistischen Kräfte in der sogenannten "Linken" in Deutschland wider.

 

11.          Im Lichte der Massenproteste gegen den G20-Gipfel wiederholt die RCIT die Schlussfolgerungen in ihrem "Dringenden Aufruf zur revolutionären Einheit" sowie anderer programmatischer Dokumente: Wir rufen alle Organisationen und Aktivisten auf, die ehrlich nach der Schaffung einer neuen Revolutionären Weltpartei streben, miteinander auf einer gemeinsamen programmatischen Basis zusammenzuarbeiten. Die RCIT engagiert sich für ernsthafte Diskussionen und die engstmögliche Zusammenarbeit mit allen Kräften, die eine solche Zielsetzung teilen.

 

 

 

Internationales Sekretariat

 

 

 

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Für die RCIT-Analyse der aktuellen Weltlage und der Zunahme der Widersprüche des Kapitalismus verweisen wir auf unsere zahlreichen Artikel und Dokumente, die auf unserer Webseite abgerufen werden können: https://www.thecommunists.net/. Insbesondere verweisen wir auf die folgenden Dokumente:

 

RCIT (in englischer Sprache): Weltperspektiven 2017: Der Kampf gegen die reaktionären Offensiven zu Zeiten des Trumpismus. Thesen zur Weltsituation, die Perspektiven für den Klassenkampf und die Aufgaben für Revolutionäre (18. Dezember 2016, https://www.thecommunists.net/theory/world-perspectives-2017/)

 

RCIT (in englischer Sprache): Thesen zum Kapitalismus und den Klassenkampf in Schwarzafrika, 13. April 2017, https://www.thecommunists.net/theory/africa-theses/

 

RCIT (in englischer Sprache): Syrien: Verurteilt den reaktionären Astana-Deal! Die sogenannten "Deeskalationszonen" sind ein erster Schritt zur Aufteilung Syriens und eine Verschwörung durch die Großmächte, um die Revolution zu besiegen, 7. Mai 2017, https://www.thecommunists.net/worldwide/africa-and -middle-east / astana-deal /

 

Michael Pröbsting (in englischer Sprache): Ist die syrische Revolution am Ende? Ist eine Enthaltung als „Drittes Lager“ gerechtfertigt? Ein Essay über die Organe der Volksmacht im befreiten Gebiet Syriens, über den Charakter der verschiedenen Sektoren der syrischen Rebellen und über das Scheitern jener Linken, die aus der Syrischen Revolution desertiert sind, 5. April 2017, https://www.thecommunists.net/theory/syrian-revolution-not-dead/

 

RCIT: Dringender Aufruf zur Einheit und zum gemeinsamen Kampf auf einer revolutionären Grundlage. Ein offener Brief an alle wirklichen Revolutionäre für eine internationale Konferenz zum 100. Jahrestag der Oktoberrevolution, um den Aufbau einer Revolutionären Weltpartei voranzubringen, 09. Januar 2017, https://www.thecommunists.net/home/deutsch/dringender-aufruf/

 

Michael Pröbsting (in englischer Sprache): Die Bedeutung, Konsequenzen und Lektionen des Sieges von Trump. Über die Lehren der Ergebnisse der US-Präsidentschaftswahl und die Perspektiven für den inländischen und internationalen Klassenkampfs, 24. November 2016, https://www.thecommunists.net/theory/meaning-of-trump/