Erklärung der RCIT Deutschland, unterstützt von der RKO BEFREIUNG, 28.2.2016, http://www.diekommunisten.net/ und
http://www.rkob.net/
1) Tausende Flüchtlinge sitzen in Griechenland fest. Nach der sogenannten „Westbalkankonferenz“ in Wien hat Makedonien die Grenzen für Flüchtlinge dichtgemacht, nur noch syrische und irakische Flüchtlinge werden durchgelassen, allerdings sehr verlangsamt. Die österreichische Regierung lässt nur noch 80 Asylsuchende pro Tag über ihre Grenze einreisen. Das führt dazu, dass Tausende an der griechisch-makedonischen Grenze oder in griechischen Städten festsitzen, andere irren verzweifelt durch das Land. Die griechische Polizei hat eine Blockade von Hunderten meist afghanischen Migranten am Grenzübergang Idomeni gewaltsam aufgelöst und die Flüchtlinge in ein Lager in der Nähe Thessalonikis gebracht. In Athen leben Tausende auf öffentlichen Plätzen, ohne Geld und Essen. Der Busverkehr in Richtung griechische Grenze wurde unterbunden. Die Flüchtlinge sind zurecht empört, aber auch verzweifelt. Die Lage ist absolut dramatisch.
2) Die EU und die sogenannte „Westbalkankonferenz“ haben Tsipras überrascht. Tsipras hat den Zugeständnissen der EU gegenüber dem englischen Premier Cameron zugestimmt gegen eine Zusage der EU, bis Anfang März keine Grenzschließungen vorzunehmen. Auf die „Westbalkankonferenz“, die auf Initiative der österreichischen Regierung in Wien stattfand, war kein Vertreter der griechischen Regierung eingeladen. Auch Vertreter der EU-Kommission fehlten. Österreich, Kroatien, Slowenien und Bulgarien als EU-Staaten sowie die Balkanstaaten Mazedonien, Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro und Serbien waren anwesend.
3) Makedonien hat jetzt den Part der Sicherung der Schengen-Grenze übernommen. Es ist wenig glaubwürdig, das dies allein auf Initiative der österreichischen Regierung und einiger Balkan-Staaten passierte. „Am Montag dieser Woche teilte die EU mit, dass Mazedonien zehn Millionen Euro zur Verbesserung seines Grenzschutzes erhalten solle. Das Geld sei gedacht für „systematische Grenzkontrollen und Grenzüberwachung sowie für ... die Bekämpfung und Verhinderung von Menschenschmuggel und grenzüberschreitender Kriminalität“, hieß es in einer Mitteilung der EU, in der allerdings ausdrücklich hervorgehoben wird: ‚Diese Unterstützung ist für eine bessere Grenzverwaltung gedacht, nicht zum Bau von Zäunen.‘“ (FAZ: Flucht über die Balkanroute: Mazedonien will nicht der Grenzwächter Europas sein, 18.02.2016) Mit diesem Nachsatz versucht die EU ihre Mitwirkung am Grenzzaun zu verschleiern.
4) Inzwischen nehmen EU und NATO Griechenland das Grenzregime aus der Hand. Deutsche Polizei-Patrouillenboote und NATO-Fregatten versuchen, Flüchtlinge auf dem Weg von der Türkei nach Griechenland aufzuspüren und sie in die Türkei zurückzubringen. Inzwischen sind die meisten sogenannten Hotspots zur Registrierung der Flüchtlinge eröffnet, das griechische Militär hatte die Organisation des Aufbaus übernommen. Die EU geht zunehmend den Weg einer militärisch gestützten Abschottung gegenüber Flüchtlingen. Dies unterstreicht einmal mehr den imperialistischen Charakter der EU: sie ist eine Allianz, die von den reichen imperialistischen Staaten beherrscht wird. Sie dient als Zentrale zur Ausbeutung und Unterdrückung der ärmeren Völker (sowohl im Süden als auch in den halbkolonialen Ländern in Osteuropa, Irland, Griechenland, Portugal etc.) als auch als Festung gegen Flüchtlinge, die vor den Folgen ebendieser Ausbeutung nach Europa fliehen wollen.
5) Es ist die vorrangige Aufgabe von RevolutionäInnen, gegen die Festung Europa und für offene Grenzen für Flüchtlinge zu kämpfen. Es gilt, eine breite Einheitsfront aller Massenorganisationen der ArbeiterInnenbewegung und der MigrantInnen aufzubauen, um der Offensive des rassistischen Staates und der Rechten entgegenzutreten. Ebenso fordern wir die absolute Gleichstellung der MigrantInnen (gleicher Lohn, Gleichberechtigung ihrer Sprachen, volle Staatsbürgerrechte, etc.). Gleichzeitig muss dieser Kampf für die Rechte der Flüchtlinge und Migranten verbunden werden mit einer aktiven antiimperialistischen Solidarität. Deswegen unterstützt die RCIT die syrische Revolution wie auch den Volkswiderstand in Ägypten gegen die Diktatoren Assad und Sisi und solidarisiert sich mit dem Widerstand gegen die Aggression der Großmächte USA, Russland und EU im Nahen Osten und Nordafrika.
6) Die Regierung Tsipras steht zunehmend unter Druck. Die Auflagen des 3. Memorandums der EU stoßen in der Bevölkerung zunehmend auf Widerstand. Insbesondere die „Sozialversicherungsreform“ stößt auf massiven Widerstand. Die Sozialversicherungsbeiträge sollen steigen, während die Renten um durchschnittlich 15% gekürzt werden. Verschiedene Gewerkschaften haben Demonstrationen und Streiks organisiert. In der ersten Februarwoche kam es zu zahlreichen Streiks, darunter einem landesweiten Generalstreik. Am eindrucksvollsten waren die Aktionen der Bauern am 12./13 Februar, die mit 25.000 Traktoren landesweit den Verkehr blockierten und versuchten, das Landwirtschaftsministerium zu besetzen. Dabei geht es um die Besteuerung und Versicherungsbeiträge der Landwirte. Die protestierenden Bauern haben zwar mit Tsipras am Verhandlungstisch gesessen, aber kaum etwas erreicht.
7) Die EU-„Geldgeber“ verlangen noch weitergehende Eingriffe in bestehende Renten. Ob Tsipras seine „Reformpläne“ Ende Februar durchs Parlament bringt, ist zweifelhaft. Die Regierungsmehrheit liegt bei 153 von 300 Stimmen. Nicht alle SYRIZA-Abgeordneten wollen zustimmen, so dass ein Scheitern der Regierung Tsipras in Raum steht. In Wahlumfragen liegt SYRIZA aktuell hinter der ND, aber das war oft in zurückliegenden Wahlen auch nichts anders. Die Rolle von Tsipras und der SYRIZA-Führung als willfährige Exekutoren der EU-Befehle zeigt einmal mehr, dass die reformistische Bürokratie – selbst wenn sie sich einer „linken“ Rhetorik bedient wie SYRIZA (bzw. ihre Parteifreunde wie die LINKE in Deutschland und die KPÖ in Österreich) – nichts anderes ist als ein Handlanger der herrschenden Klasse in den Reihen der Arbeiterbewegung.
8) Die faschistische „Goldene Morgenröte“ hat am 30. Januar anlässlich des Jahrestags der Imia-Krise (1996, Grenzstreit mit der Türkei am Rande einer militärischen Auseinandersetzung) etwa 2.000 AnhängerInnen mobilisiert. Das ist weniger als in den vorangegangenen Jahren. Sie konnten auch nicht verhindern, dass in Athen zwölf deutsche Neonazis, die an dem Aufmarsch teilgenommen hatten, harte Prügel bezogen. Allerdings nahmen an der Gegendemo auch nur 500 Menschen teil. Teile der Führungssitze von Chrysi Avgi sind derzeit in Haft und wartet auf ein Gerichtsurteil, während gleichzeitig der Mörder von Pavlos Fyssas aus der Haft in Hausarrest entlassen wurde, was weithin für Empörung sorgte. Aber die Justiz zeigt sich nicht in der Lage (bzw. willens), den Prozess gegen die griechischen Nazis zu einem Ende zu bringen. Wir dürfen die Rolle der Faschisten In Griechenland aber angesichts der aktuellen Situation absolut nicht unterschätzen.
9) Die KKE, die bei den letzten Parlamentswahlen 5,5 % der Wählerstimmen erhielt, plant für Anfang April einen Protestmarsch gegen die Massenarbeitslosigkeit von Patras nach Athen. (Allein in Patras gibt es ca. 26.000 Erwerbslose). Diesen Marsch hat das KKE-Mitglied Kostas Peletidis angemeldet, der auch Bürgermeister von Patras ist. Auch bei den Streikaktionen und Demonstrationen hat die KKE und die kommunistische Gewerkschaft PAME eine wichtige Rolle gespielt. Jedoch verhält sie sich nach wie vor sektiererische gegenüber der übrigen Linken und der von SYRIZA beeinflussten Arbeitern und Gewerkschaftern und lehnen eine korrekte Einheitsfrontpolitik ab.
10) Die Analyse der RCIT, die wir im September 2015 nach den letzten Parlamentswahlen veröffentlicht haben, hat sich als richtig erwiesen. (Siehe insbesondere die Punkte 8-10, veröffentlicht in RevKom Nr. 15, S. 20-22). Es ist die vorrangige Aufgabe von RevolutionäInnen in Europa, die ArbeiterInnenbewegung für den Widerstand gegen die Ausplünderung des griechischen Volkes durch die Banken und Konzerne sowie die EU-Troika zu gewinnen. In Griechenland gilt es, die Demonstrationen und Streiks zu einem unbefristeten Generalstreik auszuweiten und Aktionskomitees in allen gesellschaftlichen Bereichen aufzubauen. Dabei ist es auch wichtig, die nach wie vor großen Teile der Arbeiterklasse, die Illusionen in SYRIZA haben, für eine Einheitsfront zu gewinnen.
11) Die wichtigste Aufgabe in all diesen Kämpfen gegen die Offensive der Herrschenden in Europa ist der Aufbau einer neuen revolutionären Partei – in jedem einzelnen Land sowie international. Ohne eine solche Partei sind die ArbeiterInnenklasse und die unterdrückten Völker der Willkür und dem Verrat der reformistischen und kleinbürgerlichen Führungen ausgeliefert. Unterstützt die RCIT im Kampf für den Aufbau einer solchen revolutionären Weltpartei!
Interessierte Leserinnen und Leser verweisen wir auf folgende Dokumente der RCIT
Zur sogenannten „Flüchtlingskrise“:
Manfred Meier: 2016: Widerstand gegen die rechte Offensive aufbauen! Eine Analyse des Lagers des Faschismus, Rechtspopulismus und Rassismus sowie eine Darlegung der antifaschistischen Strategie, 25.2.2016, http://www.diekommunisten.net/deutschland/gegen-die-rechte-offensive/
RCIT: Öffnet Europas Tore für die Flüchtlinge! Hoch die internationale Solidarität der Arbeiter und Armen! Nieder mit der imperialistischen Festung EU! Treibt die Arabische Revolution voran, um Arbeiter- und Bauernrepubliken zu schaffen! 15.09.2015, http://www.thecommunists.net/home/deutsch/refugees-resolution/
RCIT: Europa / Nordafrika: Stürmt die Tore Roms! Offene Grenzen für Flüchtlinge! Stoppt den imperialistischen EU-Krieg gegen Flüchtlinge! Nein zu den Vorbereitungen einer imperialistischen Aggression gegen Libyen! 2015.05.22, www.thecommunists.net/worldwide/europe/eu-war-against-refugees
Zu Griechenland:
RCIT: Griechische Wahlen enden in Sieg für reformistische SYRIZA. Die zentrale Aufgabe ist jetzt, uns für die kommenden Klassenkämpfe vorbereiten und eine neue Arbeiterpartei mit einem revolutionären Programm zu schmieden! 22.09.2015, http://www.thecommunists.net/home/deutsch/wahlsieg-reformistische-syriza/
RCIT: SYRIZA verrät die griechischen Arbeiter und die Armen! – „OXI“ war nicht als Ja zu einem weiteren Sparprogramm gemeint! Organisiert Massenproteste gegen den Verrat der Tsipras Regierung! An den linken Flügel von SYRIZA: Kämpft gegen die falsche Parteiführung, die als Lakai den EU Bossen dient! 11.7.2015, http://www.rkob.net/international/europa/gr-syriza-hat-verraten/
RCIT: 61,3% Ergebnis für das “OXI” in der Volksabstimmung Griechenlands: Ein Sieg für die gesamte ArbeiterInnenklasse Europas! Eine Schlacht ist gewonnen, aber der Krieg gegen die EU und den IWF geht weiter! Verstaatlicht die Banken und die Medien und stellt sie unter Kontrolle der Beschäftigten! 6.7.2015, http://www.rkob.net/international/europa/gr-nach-dem-oxi/
RCIT: Griechenland-Wahl: SYRIZA gewinnt... ...und bildet Allianz mit Rassisten! 27.1.2015, http://www.rkob.net/international/europa/koalition-syriza-anel/
Michael Pröbsting: Griechenland: Für eine ArbeiterInnenregierung! Kritische Wahlunterstützung für SYRIZA und KKE! ArbeiterInnen: Organisiert und bereitet Euch für den Kampf um die Macht vor! 6.6.2012, http://www.rkob.net/international/europa/wahltakik-in-griechenland/
Michael Pröbsting: Die Griechische Revolution: Ihre Gefahren, Möglichkeiten und Perspektiven, 10.11.2011, http://www.rkob.net/international/europa/griechenland-voran-zur-revolution/
Darüberhinaus finden sich noch weitere Artikel und Stellungnahmen in englischer Sprache hier: http://www.thecommunists.net/worldwide/europe/articles-on-greece/
Im besonderen verweisen wir auf der neu erschienene Buch der RCIT zu Griechenland (in englischer Sprache):
Michael Pröbsting: Greece: A Modern Semi-Colony. The Contradictory Development of Greek Capitalism, Its Failed Attempts to Become a Minor Imperialist Power, and Its Present Situation as an Advanced Semi-Colonial Country with Some Specific Features, November 2015, http://www.thecommunists.net/theory/greece-semi-colony/