Nach dem Referendum zum BREXIT – Stürmische Zeiten stehen den ArbeiterInnen und Unterdrückten Britanniens bevor!

 

Stellungnahme der Revolutionär-Kommunistischen Internationalen Tendenz (RCIT), www.thecommunists.net, 24.6.2016

 

 

 

 

1. Ein historischer Tag hat ganz Britannien und sogar die Europäische Union erschüttert. Im Referendum zum Verbleib oder Austritt aus der EU hat die britische Bevölkerung mit einer Mehrheit von 51,9% für den Austritt gestimmt. Seit der Verkündigung des Ergebnisses haben sich die Ereignisse überschlagen. Premierminister David Cameron ist zurückgetreten, das Britische Pfund befindet sich auf seinem niedrigsten Stand seit 1985, die Londoner Börse erlebt eine rasant schnelle Talfahrt und stürzte um 7,5 Prozentpunkte ab. Damit steht sie allerdings nicht alleine dar.

 

 

2. Ein weiterer schwarzer Freitag erfasste den Aktienmarkt weltweit. Der DAX verlor zeitweise mehr als 10 Prozentpunkte, ebenso reagierte die Pariser Börse. Selbst der Nikkei in Tokio verlor 7,92 Punkte und der Dow Jones fiel um 2,7 Prozentpunkte. Am härtesten hat es allerdings die Banken getroffen. Unglaubliche 17 Prozentpunkte büßten die Commerzbank und die Deutsche Bank ein. In London verloren die Banken gar ein Viertel ihrer Punkte! Das Brexit hat ein regelrechtes Aktien-Harakiri verursacht. Das parasitäre Finanzkapital ist erschüttert, hatte es doch bis kurz vor Abstimmungsende fast schon mit einem Sieg für den Verbleib in der EU gerechnet. Moody‘s überlegt sogar eine Abstufung der Bonität Britanniens, weg vom AAA. Weltweit sollen an dem Post-Brexit Freitag unglaubliche 5 Billionen Dollar an Börsenwert vernichtet worden sein. Das entspricht der doppelten Wirtschaftsleistung Großbritanniens. Die RCIT steht für die Abschaffung dieser größten Schmarotzer - der Börsen – und für die Verstaatlichung des im Rohstoffhandel an den Börsen investierten Vermögens!

 

 

3. Das Historische am Brexit sind aber gar nicht so sehr die kurzzeitigen Konsequenzen für das schmarotzende Finanzkapital. Viel interessanter sind die langfristigen Folgen dieser historischen Abstimmung. Die Ergebnisse aus Schottland und Nordirland sind der komplette Gegensatz zum Wahlergebnis in England und Wales. 55,8% der Stimmen in Nordirland und sogar 62% der Stimmen in Schottland waren für den Verbleib in der EU. Kurz nach dem Referendum hat die schottische Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon schon eine Abstimmung in Schottland über die Lostrennung von Großbritannien angekündigt. Ebenso hat Sinn Fein für eine Loslösung Nordirlands von Großbritannien und für ein vereintes Irland knapp nach dem Referendum plädiert. Der stellvertretende Erste Minister Nordirlands, Martin McGuinness, forderte die britische Regierung auf ein Referendum zur Frage der Trennung Nordirlands zuzulassen.

 

 

4. Gerade diese Entwicklungen hat die britische Bourgeoisie befürchtet: Das Vereinte Königreich ist bald alles andere als vereint. Während Nordirland eine lange Geschichte des heldenhaften Unabhängigkeitskampfes gegen England vorweist ist die ArbeiterInnenklasse Schottlands an einem Bruch mit der britischen Regierung aus vor allem ökonomischen Gründen interessiert. Gerade die Privatisierungen und die Verschlechterung des Gesundheitssystems durch das Spardiktat aus London treibt die schottische ArbeiterInnenklasse zu den Austrittsbefürwortern. Etliche der Stimmen aus Schottland aber auch Nordirland für den Verbleib in der EU waren in erster Linie Stimmen, die aus Angst vor einer noch größeren Bevormundung durch London abgegeben wurden. Sowohl die bürgerlichen aber auch kleinbürgerlichen Kräfte in Nordirland und Schottland hoffen das Brexit nun dazu nützen zu können (durchaus mit Unterstützung der EU) problemlos mit Britannien brechen zu können.

 

 

5. Das Besondere am Referendum war nicht nur der große Unterschied zwischen den Ergebnissen aus England und Wales im Vergleich zu Schottland und Nordirland. Interessanterweise gab es bei der Abstimmung auch ein sehr großes Gefälle zwischen Jung und Alt. Unter den 18 bis 24 Jährigen waren ganze 75% für den Verbleib in der EU. Ebenso haben noch ganze 56% der 25 bis 49 Jährigen für den Verbleib gestimmt. Der Wahlsieg für das Brexit war daher vor allem eine Entscheidung der über 50 Jährigen! Es ist sehr wahrscheinlich, dass es zu einem anderen Gesamtergebnis gekommen wäre wenn auch die 16 und 17 Jährigen zur Abstimmung zugelassen worden wären. Die RCIT hat für das Referendum zum Brexit richtigerweise dazu aufgerufen weder den Austritt noch den Verbleib zu wählen. Unabhängig davon fordert die RCIT, dass Jugendliche schon ab einem Alter von 14 Jahren das volle Wahlrecht erhalten. Wer arbeiten gehen darf und in Strafanstalten gesteckt werden kann, soll auch alle demokratischen Rechte zugesprochen bekommen. Gerade unter den Jugendlichen ist die Zahl der Befürworter von UKIP, einer stärker werdenden rechtspopulistischen Partei, unter dem Durchschnitt. Die meisten UKIP Wähler sind über 45 Jahre alt. Ebenso ist gerade ab dieser Altersgrenze die Zahl derer besonders hoch, die für eine harte Anti-Migrationspolitik Britanniens sind.

 

 

6. Das Brexit-Ergebnis bietet tatsächlich ein zwiespältiges Bild. Der Sieg der Befürworter des EU-Ausstiegs ist in allererster Linie ein Abstrafen der Britischen Regierung. Die britische Bourgeoisie hat in ihrer absoluten Mehrheit den Verbleib in der EU gewünscht. Selbst das Attentat auf eine britische Abgeordnete, Jo Cox, die von einem Rechtsradikalen erschossen und niedergestochen wurde, ist medial ausgeschlachtet worden um für einen Verbleib in der EU zu mobilisieren. Bis auf UKIP waren tatsächlich alle Parlamentsparteien für den Verbleib in der EU. Auch haben die Befürworter des Austritts die älteren Generationen mit einer starken Kampagne angeworben. Sie haben die Losung erhoben die 350 Millionen Pfund, die Britannien wöchentlich an die EU zahlt stattdessen für das NHS, das Gesundheitssystem zu nutzen. Eine Losung von der sich UKIP umgehend nach dem Referendumsergebnis scharf distanziert hat und das es auch davor nie erhoben hat. Es lässt sich allerdings auch nicht abstreiten, dass etliche Stimmen bei diesem Referendum auch gegen die EU gegeben wurden aus Angst vor weiterer Migration. Eine Sorge, die sich weder in Nordirland noch in Schottland niedergeschlagen hat. Allein in Schottland ist die Überalterung so enorm, das nur eine starke Migration die Wirtschaft aufrecht erhalten wird können.

 

 

7. Die Revolutionär-Kommunistische Internationale Tendenz (RCIT) hat im Gegensatz zu den Sozial-Imperialisten der „UK First“ Kampagne, der Socialist Party England and Wales (SPEW, britische Sektion des CWI), der Socialist Workers Party (SWP, britische Sektion des IST) und der stalinistischen Communist Party Britain (CPB) nicht für den Bruch des imperialistischen Britannien mit der EU aufgerufen. Die RCIT hat aber ebenso wenig den Weg der „marxistischen“ Befürworter des YES-Camp gewählt, die in Wirklichkeit den Kurs von Pro-EU-Sozialimperialisten fahren, wie das die pro-zionistische Alliance for Workers' Liberty (AWL) und die Mandelisten von Socialist Resistance getan haben. Selbst unsere ehemaligen Mitstreiter der Liga für die Fünfte Internationale (LFI) haben falscherweise für den Verbleib in der EU aufgerufen, ebenso wie Jeremy Corbyn. Die RCIT hat den Weg des revolutionären Defätismus gewählt. Es ist jetzt Zeit, das Ergebnis des Referendums zu nützen um die revolutionären Kräfte in Britannien und gesamt Europa zu stärken!

 

 

8. Das Ergebnis ist ein klares Signal gegen die britische Regierung und muss in die richtige Richtung gezogen werden. Dazu gehört der Aufbau einer neuen ArbeiterInnenpartei auf revolutionärer Grundlage, die die von den Parlamentsparteien frustrierte und enttäuschte ArbeiterInnenklasse und die Unterdrückten Britanniens organisiert. Gerade jetzt muss der Kampf gegen jeglichen Rassismus gegenüber Migranten und Flüchtlingen geführt werden. Stattdessen gilt es für offene Grenzen zu kämpfen, für das uneingeschränkte Bleiberecht und für volle Gleichberechtigung aller MigrantInnen. Gerade jetzt muss auch der Kampf gegen das Spardiktat der britischen Bourgeoisie geführt werden. Vor allem der Kampf gegen Einsparungen im NHS ist ein wichtiger und in sich fortschrittlicher Aspekt, der viele Befürworter des Brexit mit den Gegnern des Brexit aus Schottland eint. Der Kampf für den Ausbau des Gesundheitssystems wie allgemein des Sozialsystems muss Hand in Hand gehen mit der Enteignung der Banken und Konzerne unter Kontrolle der Beschäftigten!

 

 

9. Darüberhinaus muss der Abzug der imperialistischen, britischen Truppen aus Nordirland wie auch aus allen halbkolonialen Ländern muss eine zentrale Losung einer revolutionären Bewegung in Britannien sein. Ebenso muss Wiedergutmachung an alle halbkolonialen Länder geleistet werden, die Britannien blutig ausbeutet um seine Superreichen zu erhalten. Diese müssen umgehend enteignet werden! Last but not least ist der Kampf für eine wirkliche Alternative zur imperialistischen EU entscheidend. Das ist nicht ein Britannien nach dem Modell der Schweiz, sondern ein Britannien als Teil der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa. Diese können nur auf dem Weg des revolutionären Aufstands, der bewaffneten Revolution der ArbeiterInnen und Unterdrückten Europas erkämpft werden. Britannien geht einer stürmischen Zeit entgegen.

 

 

10. In dieser stürmischen Zeit ist es absolut vordringlich, dass sich die authentisch revolutionären Kräfte in Britannien in einer gemeinsamen Organisation vereinigen! Eine solche Organisation muss von ihrem ganzen Wesen internationalistisch sein. Das bedeutet, dass sie konsequent jede Form des Chauvinismus – sei es pro-EU oder pro-UK – ablehnt und den revolutionären Defeatismus in Britannien mit der Perspektive der Vereinigten Sozialistische Staaten von Europa verbindet. Das bedeutet, daß sie den Kampf gegen Austerität und Privatisierungen mit der Forderung nach absoluter Gleichberechtigung der MigrantInnen und ethnischen Minderheiten sowie für Offene Grenzen für MigrantInnen verbindet. Das bedeutet, dass eine solche Organisation keine national-isolierte Existenz führt, sondern Teil einer internationalen marxistischen Organisation ist. Eine solche Organisation muss auf der Grundlage des marxistischen Programms sowie der leninistischen Prinzipien des Parteiaufbaus stehen. Das bedeutet, dass sie sich im Aufbau vorrangig nicht auf die Mittelschicht und die Intellektuellen orientiert, sondern auf die breiten Schichten der Arbeiterklasse und der Unterdrückten. Das bedeutet, dass sie als eine Avantgardeorganisation im Klassenkampf interveniert und gegen die falschen, reformistischen und zentristischen Führungen ankämpft. Das bedeutet, dass sie als ein einheitliches Kollektiv mit einheitlichen Programm, Strategie und Taktiken auftritt und nicht als Agglomerat von Individuen. An alle klassenbewussten Arbeiterinnen und Arbeiter, an alle Unterdrückten und RevolutionärInnen Britanniens: Lasst uns die stürmischen Zeiten für den revolutionären Kampf nützen! Es ist höchste Zeit sich zu organisieren! Schließt euch der RCIT an!

 

Internationales Sekretariat der RCIT

 

Wir verweisen unsere Leserinnen und Leser auf folgendes Essay:

 

The British Left and the EU-Referendum: The Many Faces of pro-UK or pro-EU Social-Imperialism; An analysis of the left’s failure to fight for an independent, internationalist and socialist stance both against British as well as European imperialism; By Michael Pröbsting, Revolutionary Communist International Tendency (RCIT); http://www.thecommunists.net/theory/british-left-and-eu-referendum/