Für den Sieg der Bosnischen Revolution!
Von Nina Gunić, Revolutionär-Kommunistischen Organisation BEFREIUNG (RKOB), 18.02.2014, www.rkob.net
Die kapitalistische Regierung in Österreich plant schon seit längerem eine Aufstockung ihres Kontingents an Soldaten am Balkan. Bis heute sind von Seiten des Bundesheeres 375 Soldaten in Bosnien stationiert. Darüber hinaus sollen im Laufe des Sommers noch weitere 130 österreichische Soldaten in Bosnien stationiert werden. Schon jetzt ist es das größte Kontingent an Soldaten, das Österreich im Ausland aufgestellt hat. Kein Wunder, ist Bosnien doch zentrale Investitionsort der Kapitalisten Österreichs.
Der gesamte Bankensektor in BiH liegt in der Hand österreichischer Banken wie der Bank Austria, der Hypo Alpe Adria und der Raiffeisen Bank. Ebenso sind die Versicherungen in österreichischer Hand (Uniqa, der Vienna Insurance Group und Grazer Wechselseitige). Insgesamt ist Österreich für ein Fünftel der Direktinvestitionen in Bosnien verantwortlich. Das Investitionsvolumen Österreichs liegt nach offiziellen Zahlen bei 1 Milliarde Euro. Es ist somit mehr als lukrativ für die parasitären österreichischen Kapitalisten in BiH ihre Schmarotzerfunktion mit Hilfe von Soldaten abzusichern. Denn die derzeitigen Aufstände sind dafür ein Risikofaktor.
Die Operational Reserve Force-Bataillons (ORF) der NATO werden vor allem eingesetzt, um die Interessen der imperialistischen Länder, auch des österreichischen Imperialismus, vor Ort zu schützen. Die revolutionären Entwicklungen in Bosnien stehen deswegen auch permanent unter dem Damoklesschwert eine Intervention der stationierten Truppen, um für „Ruhe zu sorgen und zu schützen“. Denn genau diese Ruhe und diesen Schutz brauchen die ausländischen Kapitalisten, um ihre Profite am Balkan zu lukrieren. Was die unterdrückten und ausgebeuteten Arbeiterinnen und Arbeiter, Jugendliche, Bauern und Bäuerinnen am Balkan brauchen ist etwas vollkommen anderes: Ein Ende des Hungerns und der Unterdrückung! Die ORF wie jede andere ausländische Militäreinheit oder politische Institution der Kapitalisten ist ein großes Hindernis dabei, die dafür so notwendige Revolution zum Sieg zu führen.
Es ist vor allem die Aufgabe der ArbeiterInnenbewegung in Österreich und allen anderen europäischen Ländern eine Kampagne mit den Aufständen in Bosnien zu organisieren und voranzutreiben. Zentrale Forderung dabei muss der sofortige und vollständige Abzug der NATO-Truppen und aller anderen ausländischen Militäreinheiten und politischen Einrichtungen, allen voran der österreichischen, sein.
Wir von der Revolutionär-Kommunistischen Organisation BEFREIUNG (RKOB) fordern:
* Sofortiger Rückzug aller ausländischen Militäreinheiten und politischen Einrichtungen!
* Sofortige Überführung der ausländischen und inländischen Fabriken und Firmen in öffentliche Hand und unter Kontrolle der Beschäftigten!
* Schaffung einer einzigen staatlichen Großbank, in der sämtliche Banken, inklusive den ausländischen Zweigen, eingegliedert werden!
* ÖGB: Für eine Solidaritätskampagne mit den Arbeiteraufständen in Bosnien! Organisiert eine Internationale Arbeiterhilfe für die Klassenbrüder und -schwestern in Bosnien (Nahrung, Kleidung, Medizin usw.)! Organisiert Fahrten nach Bosnien für ausländische freiwillige Unterstützer der Bosnischen Revolution! Zwingt die österreichischen Unternehmer, ihren Beschäftigen in Bosnien die ausstehenden Löhne und Sozialleistungen auszuzahlen und die Löhne entsprechend der Forderungen der bosnischen ArbeiterInnen massiv anzuheben! Zentraler Teil dieser Kampagne muss der sofortige Abzug der österreichischen Truppen sein!
* Gegen jede Intervention von Seiten der imperialistischen Kräfte in den revolutionären Prozess in Bosnien und den gesamten Balkan! Für die Organisierung und den Ausbau von Selbstverteidigungskomitees! Die Anwesenheit der NATO ist ein hoher Risiko-Faktor für die bosnische Arbeiterklasse, daher muss sie den Schutz der Bosnischen Revolution aktiv organisieren!
* Für den Sieg der Bosnischen Revolution! Für die Zerschlagung des Kapitalismus! Für die Errichtung einer Regierung der ArbeiterInnen und Bauern/Bäuerinnen auf sozialistischer Grundlage und als Teil einer sozialistischen Balkanföderation!
Imperialistische Schmarotzer und heldenhafter Widerstand
Von Nina Gunić, Revolutionär-Kommunistische Organisation BEFREIUNG, 16.02.2014, www.rkob.net
Die Aufstände der ArbeiterInnen und Jugendlichen in Bosnien sind mehr als beeindruckend. Sie sind eine Antwort auf die inzwischen international bekannt gewordene Korruptheit der Politiker und die Gier der Kapitalisten. Sie sind eine Antwort auf die Auswirkungen der weltweiten kapitalistischen Krise auch auf Bosnien. Umso wichtiger ist es Solidarität mit unseren Klassenbrüdern und –Schwestern in aller Konsequenz zu zeigen. Dazu gehört, dass wir den Feind im eigenen Land, der sich an Bosnien bereicherte und nach wie vor bereichert, an den Pranger stellen.
Eine solche Figur, ein solcher Feind, ist der Villacher Immobilienmogul Jakob Kuess. Er ist derzeit schwer beschäftigt, weil seine – nennen wir es „Zusammenarbeit“ – mit der Hypo Alpe Adria nicht nur inzwischen vor Gericht gelandet ist und sich diese beiden Aasgeier gegenseitig versuchen ein Auge auszupicken. Im Verhältnis zu den Summen, mit denen sowohl die Hypo Alpe Adria als auch Alpha Baumanagement, das Unternehmen des Herrn Kuess, normalerweise ihr Tagesgeschäft betreiben, erscheint die eine Million Euro um die es geht als Peanuts. Blöderweise aber hat der Herr Kuess in einer denkbaren schlechten Zeit die Bank um diese Summe geklagt, nämlich kurz bevor ein Skandal nach dem anderen die Bank groß in die Medien brachte und auch seine „Zusammenarbeit“ mit der Hypo neu beleuchtet werden muss.
Der Betrug an den ArbeiterInnen in Sarajewo
Es ist dieser Immobilienmagnat, der den Arbeiterinnen und Arbeitern Sarajevos derzeit eine Ausrede nach der anderen auftischt. Die Beschäftigten des Hotels Holiday (Inn) haben seit drei Monaten kein Gehalt mehr erhalten. Das Hotel-Management hat auch schon seit mehr als 3 ½ Jahren weder die Sozialversicherung noch die Pensionsversicherung der ArbeiterInnen an den Staat gezahlt, weshalb sie weder in Pension gehen können noch krankenversichert sind. Seit vorgestern befinden sich die ArbeiterInnen im aktiven Streik. Das ist das erste Mal seitdem es das Hotel gibt – also seit mehr als 30 Jahren – dass es zum Streik gekommen ist. Selbst als der Krieg 1992-95 im vollen Gange war und die Frontlinie sich quer durch Sarajevo zog, das Hotel beschossen wurde, selbst damals gingen bzw. rannten die Arbeiterinnen und Arbeiter jeden Tag zu ihrem Dienst und arbeiteten ihre Stunden. Sie versuchten während des gesamten Krieges und darüber hinaus das Service des Hotels soweit es irgendwie möglich war zu erhalten. Jetzt sind die Arbeiter ebenso geschlossen jeden Tag im Hotel. Neben Versammlungen sind sie derzeit bemüht, die zahlreichen Versuche des Managements, den Streik zu brechen, abzuwehren.
Kuess hat laut dem Hoteldirektor sich damit entschuldigt, dass er auf einen Kredit von der Bank wartet, mit dem er die offenen Löhne zahlen würde. Das bosnische bürgerliche Gericht hatte entsprechend den Streik verboten noch bevor er ausbrach. Doch warum sollten die bosnischen Arbeiterinnen und Arbeiter auf diesen angeblich bald gewährten Kredit warten? Kuess hatte das Hotel 2003 um 21.9 Millionen Euro gekauft. Er hat noch 2005 verkündet, 170 Millionen Euro zu investieren, um eine riesige Shoppingmall rund um das Hotel zu finanzieren. Er hatte auch genug „Kleingeld“ um in das Projekt Casino Laibach zu investieren.
Zwei Welten
Das Durchschnittsgehalt beträgt in Bosnien etwa 600 Euro und man kann davon ausgehen, dass die Hotelbeschäftigten weniger verdienen als das. Im Hotel sind etwa 140 Arbeiterinnen und Arbeiter beschäftigt. Der offene Lohn würde den Herrn Koess und seine Firma maximal 252.000 Euro kosten. Das er einiges davon durch steuerliche Schlupflöcher absetzen wird können, ist klar. Es soll ihm zwar möglich gewesen sein, 170 Millionen Euro zu investieren in den Bau eines riesigen Shopping-Centers, aber er muss erst auf einen Kredit der Bank warten um die maximal 252.000 Euro an die Arbeiterinnen und Arbeiter zu zahlen?! Das sind gerade mal 0.15% des Investitionswertes, den er zusätzlich zum Kauf des Hotels für das Bauprojekt Shopping-Center aufbringen wollte!
Ja, hält denn der Herr Koess unsere Klassenbrüder und –Schwestern in Bosnien für vollkommen dämlich? Glaubt er wirklich sie hören mit ihrem Streik nach all dem Hungern und dem Leid auf, dass sie in den letzten Jahren ertragen haben, nur weil er behauptet grad knapp bei Kasse zu sein? Welche Welten sind es, die da aufeinanderprallen! Arbeiterinnen und Arbeiter, die selbst unter Kugelhagel ihre Dienste verlässlich verrichtet haben; improvisiert haben in der Zeit der größten Not, um das Hotel am Laufen zu halten; die den Bürgerkrieg ertragen haben und das inzwischen jahrzehntelange Hungern; die damit gelebt haben weder eine Pension noch eine Krankenversicherung zu bekommen. Und ein Herr Koess, der Geschäftspartner der Tagezeitung Kärnten HEUTE ist und sich quasi als Hobby nebenbei auch in den Medien mit Villach TV und Villach aktuell als Kärntner Medien-Tycoon gegeben hat; der Sekt auf seinen Feiern trinkt, deren Kosten in Summe weit mehr als die 252.000 Euro Lohn ausmachen würden; der mit Jörg Haider und der gesamten Kärntner Bourgeoisie eng schmuste; der gerade sehr ins Schwitzen geraten sein muss, durch die Verwicklungen und Verzwickungen des Hotelkaufs mit der Hypo. Ein Paradebeispiel der so genannten Leistungsträger!
Jedem Arbeiter, jeder Arbeiterin in Österreich – unabhängig der Herkunft – stehen die Arbeiterinnen und Arbeiter Bosniens um Lichtjahre näher als es Kretins wie Jakob Koess je getan haben! Es ist nicht nur unsere Aufgabe, es ist unsere heilige Pflicht, diesen Abschaum an den Pranger zu stellen.
Forderungen
Die RKOB fordert:
* Sofortige Enteignung der Alpha Baumanagement unter Kontrolle der Beschäftigten, um die offenen Löhne und die ausstehenden Beiträge zur Krankenversicherung und Pension an die Arbeiterinnen und Arbeiter des Hotels Holiday (Inn) Sarajevo zu zahlen!
* Sofortige Aufhebung jeglichen Verbotes des mehr als gerechtfertigten Streiks! Kein Vertrauen in das bürgerliche Gericht, das offensichtlich nur nach dem Recht der Wohlhabenden urteilt!
* Sofortige Einberufung eines Geschworenengerichtes unter Kontrolle der ArbeiterInnenklasse Bosniens, um sämtliche „Investitionen“ des Herrn Koess in Bosnien zu durchleuchten und nach proletarischem Recht darüber zu urteilen!
* Gegen jede Einmischung ausländischer Politiker in diesen Fall! Auch wenn es sich um einen österreichischen Investor handelt: Recht sprechen und ausführen sollen die Betroffenen in Bosnien, unterstützt von ihren Klassenbrüdern und –Schwestern in Österreich!
* Einberufung eines Geschworenengerichtes unter Kontrolle der ArbeiterInnenklasse auch in Österreich, um die gesamte Causa „Hypo Alpe Adria“ nach proletarischem Recht zu lösen!
* ÖGB und Europäischer Gewerkschaftsbund: Organisiert umgehend eine breite Solidaritätskampagne mit den Arbeiterinnen und Arbeitern Bosniens, nicht nur des Hotels sondern aller Fabriken die von Kürzungen und Schließungen betroffen sind und die revolutionären Entwicklungen überhaupt erst ausgelöst haben!
Vorwärts zur Revolution!
Die Entwicklungen im Hotel Holiday (Inn) Sarajevo zeigen nur ein Bruchteil von dem auf, was für Bosnien und den gesamten Balkan gilt: Imperialistische Schmarotzer überausbeuten die Arbeiterinnen und Arbeiter um ihren Profit noch rasanter zu vermehren. Um die Misere des Balkans zu lösen, die Arbeitslosigkeit von mehr als 45% mit einem Schlag aufzuheben und die Infrastruktur in kürzester Zeit wiederaufzubauen braucht es eine sozialistische Revolution am Balkan! Die Aufstände in Bosnien sind dabei erst der Anfang. Alle Konzerne, alle Unternehmen die sich am Balkan bereichern (das sind in erster Linie auch österreichische) gehören enteignet und unter Kontrolle der Beschäftigten gestellt. Sämtliche Truppen der NATO, Einrichtungen der EU, usw. gehören sofort abgezogen! Eine siegreiche Revolution am Balkan bedeutet letzten Endes die gewaltsame Zerschlagung des Kapitalismus und den Aufbau einer sozialistischen Föderation aller Balkanländer auf der Basis von Arbeiter- und Bauernräten!
Arbeiterinnen und Arbeiter Österreichs: Solidarisiert euch mit dem revolutionären Kampf unserer Brüdern und Schwestern am Balkan!
Quellen:
http://www.sarajevotimes.com/employees-holiday-inn-still-strike/
http://www.wienerzeitung.at/dossiers/die_akte_hypo/400933_Aerger-fuer-Hypo-beim-Holiday-Inn.html
http://www.bbc.co.uk/news/world-europe-24730400
http://www.dw.de/bosnien-der-kampf-ums-wirtschaftliche-%C3%BCberleben/a-4494157
http://www.dw.de/bosnien-rekordhalter-in-staatsausgaben/a-5587841
http://www.meinbezirk.at/villach/leute/villacher-bau-und-medienzar-feierte-geburtstag-d265045.html
Wirtschaftsblatt: Kärntner investieren 170 Millionen Euro in Sarajevo, Ausgabe vom 29.12.2005
Von Michael Pröbsting, Revolutionär-Kommunistische Internationale Tendenz (RCIT), 11.2.2014, www.thecommunists.net
In unsere Resolution “Sieg für die bosnische Revolution” haben wir unsere Haltung während des Bosnienkriegs 1992-1995 zusammengefasst. „Die RCIT (bzw. unsere Vorgängerorganisation) verteidigte immer das bosnische Volk gegen den Völkermordkrieg, der von der serbischen (und kroatischen) nationalistischen Kräften im Jahr 1992 begonnen wurde. Dieser Krieg brachte unsägliches Leid für die bosnischen Muslime und jene Serben und Kroaten, die die nationalistische Spaltung Bosniens durch die serbischen und kroatischen Chauvinisten ablehnten. Laut einem Bericht aus dem Jahr 2008, den der Leiter des bosnischen Delegation bei den Vereinten Nationen über den Krieg von 1992 bis 1995 gab, wurden 200.000 Menschen getötet, darunter 12.000 Kinder, bis zu 50.000 Frauen wurden vergewaltigt, und 2,2 Millionen wurden vertrieben (in einem Land mit etwa 4 Millionen Einwohnern)! Wir verurteilten die reaktionäre bosnische Regierung von Alija Izetbegović, die – wie die Bürokratien der anderen Republiken – danach strebte, den Kapitalismus wiedereinzuführen und die darin versagte, das bosnische Volk gegen die chauvinistischen Aggressoren zu verteidigen. Wir sind für die internationale Unterstützung des nationalen Befreiungskrieges des bosnischen Volkes eingetreten und verbanden dies mit der Perspektive einer multi-nationalen Arbeiterrepublik in Bosnien als Teil einer sozialistischen Balkanföderation. Wir verurteilten die US- und EU-Imperialisten, die den bosnischen Widerstand mit einem Waffenembargo behinderten und dessen UN-Truppen mit den serbischen Chauvinisten zusammenarbeiteten, als der Schlächter General Mladić den Massenmord an 8.000 muslimischen Männern in Srebrenica im Juli 1995 organisierte. Wir waren Teil der Internationalen Arbeiterhilfe – einer Kampagne, die Medizin, Kleidung, etc. an die Arbeiterfamilien in Tuzla und anderen Orten lieferte. Wir traten für Waffenlieferungen und internationale Freiwilligenbrigaden für den bosnischen Widerstand ein und verurteilten die NATO-Bombenkampagne im Sommer 1995. Letztere stoppte die bosnischen Streitkräfte, als diese drauf und dran waren, ihre Gebiete, die sie in den ersten Kriegsjahren verloren hatten, zurückzuerobern. Kurz gesagt, die RCIT trat – im Gegensatz zu vielen pseudo- marxistischen Gruppen – für den Sieg des bosnischen Volkes und für die Niederlage der reaktionären serbischen Chauvinisten ein und kombinierte dies mit der Perspektive einer sozialistischen Balkanföderation.“ (RCIT: Für den Sieg der Bosnischen Revolution! ArbeiterInnen und Jugendliche: Bildet Räte und ergreift die Macht! Weitet die Revolution auf den gesamten Balkan aus! Für eine sozialistische Föderation der Balkan-Völker!, 9.2.2014, http://www.thecommunists.net/home/deutsch/bosnien-voran-zur-revolution/)
In diesem Artikel werden wir kurz über unsere Aktivitäten in der „International Workers Aid“ (IWA, Internationale Arbeiterhilfe) Kampagne von 1993-95 berichten. Sie war eine breite Kampagne von Gewerkschaftern und linken Organisationen, die im Sommer 1993 begann. Wir sammelten Lebensmittel, Medikamente und Kleidung und brachten sie mit Lastwagen nach Tuzla. Tuzla war das Herz des multi-ethnischen bosnischen Widerstandes der Arbeiterklasse gegen die serbischen chauvinistischen Milizen während des Befreiungskrieges von 1992 bis 1995. Zu dieser Zeit lebten 140.000 Einwohner und 70.000 Flüchtlinge in Tuzla. Die Kampagne wurde in Schottland begonnen und existierte bald danach in 11 Ländern, darunter die skandinavischen Länder, Österreich und Italien.
Die Vorgängerorganisation der RCIT (die „Liga für eine Revolutionär-Kommunistische Internationale“) war von Anfang an Teil der IWA-Kampagne in mehreren europäischen Ländern. Der Autor dieses Artikels war der Koordinator der Kampagne in Österreich.
Die Kampagne erhielt breite Unterstützung von vielen Gewerkschaften. In Großbritannien unterstützten die Gewerkschaften der Drucker, der Erdölarbeiter, der Transportarbeiter, der Bergleute, die Hafenarbeiter und der Journalisten die Kampagne. Ebenso waren auch die belgische Metallarbeitergewerkschaft, die Französisch CGT, verschiedene lokale und kleine Gewerkschaften in Deutschland und Österreich, der Unabhängige Gewerkschaftsbund in Kroatien sowie slowenische Gewerkschaften Teil der Kampagne.
Der erste Konvoi der IWA kam am 7. November 1993 nach Tuzla und brachte etwa 18 Tonnen Hilfsgüter. Dies war zwar angesichts der schrecklichen Umstände nicht viel, aber es machte den Menschen in Tuzla viel Mut.
Wir wollen nicht verbergen, dass es auch politische Schwächen in der Plattform der IWA–Kampagne gab. Es fehlte eine klare politische internationalistische und antiimperialistische Perspektive. Auf einer internationalen Konferenz im Herbst 1993 in Manchester nahm ich als Delegierter für das österreichische IWA-Komitee teil. Während einige unserer Vorschläge angenommen wurden, wurden die folgenden beiden abgelehnt. Ich schlug vor, die Losungen hinzufügen „Für die Aufhebung des Waffen-Embargos gegen Bosnien!“ und „UN-Truppen raus aus Bosnien!“. Wir haben erkannt, dass der bosnische Widerstand am meisten unter dem imperialistischen Waffenembargo litt und dringend Waffen benötigte, um dem Völkermord-Krieg der serbischen (und kroatischen) Rassisten Widerstand zu leiten. Und wir hatten keine Illusionen über die rückschrittliche Rolle der UN-Truppen, die so offensichtlich in Srebrenica und an anderen Orten wurde.
Dennoch war die Internationale Arbeiterhilfe ein eindrucksvolles Beispiel für die internationale Solidarität der Arbeiterklasse mit dem bosnischen Volk, das den schlimmsten Völkermord in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg erleiden musste. Die RCIT ist stolz darauf, Teil dieser Kampagne gewesen zu sein.
Stellungnahme der Revolutionär-Kommunistischen Internationalen Tendenz (RCIT), 9.2.2014, www.thecommunists.net
1. Seit dem 5. Februar hat die weltweite Welle von Volksaufständen und Revolutionen Bosnien erreicht. Die Demonstranten selbst sprechen vom "Bosnischen Frühling" und beziehen sich dadurch auf den „Arabischen Frühling". Wir grüßen die mutigen bosnischen ArbeiterInnen und Jugendlichen, die auf den Straßen gegen die gierigen Kapitalisten und korrupte Politiker kämpfen! Bosnien wird seit fast zwei Jahrzehnten von den imperialistischen Konzernen und schmierigen einheimischen Unternehmer geplündert. Diese wurden dabei von der korrupten Politikerkaste, die alle Parteien der bosniakischen, serbischen und kroatischen Gemeinden beherrscht, unterstützt. Das Land wird von westlichen Imperialisten besetzt, die es wie eine Kolonie behandeln. Die Aufgabe ist nun, den spontanen Aufstand in eine organisierte Revolution umzuwandeln. Dies bedeutet, dass die Arbeiter und Bauern die herrschende Klasse stürzen und die Macht in ihre eigenen Hände nehmen sollten. Um eine Niederlage der Revolution vermeiden, ist es dringend notwendig, dass die politischen fortgeschrittenen ArbeiterInnen und Jugendlichen eine Arbeiterpartei auf der Grundlage eines revolutionären Programms bilden.
Ein kurzer Überblick über den historischen Hintergrund
2. In den 1980er Jahren erlebte das stalinistische System in Jugoslawien seinen endgültigen Niedergang. Vor diesem Hintergrund strebten die herrschenden bürokratischen Kasten der verschiedenen Republiken wie Serbien, Kroatien und Slowenien danach, sich in herrschenden kapitalistischen Klassen zu verwandeln. Um die Unterstützung der Bevölkerung für dieses Ziel zu erringen, tarnten sie ihre Politik mit Nationalismus. Die treibende Kraft darin war das serbische bürgerliche Regime von Slobodan Milošević, dem es in den späten 1980er Jahren gelang die jugoslawischen Bundesinstitutionen zu kontrollieren. Es verstärkte die Unterdrückung der Kosovo-Albaner (die seit der Annexion im Jahr 1913 immer von Serbien unterdrückt wurden). Es fing an, auch andere Völker Jugoslawiens zu unterdrücken. Das kroatische bürgerliche Regime von Franjo Tuđman kopierte Milošević‘s reaktionären Chauvinismus. Neben den Kosovo-Albaner litten die Bosnier am meisten unter dem serbischen (und kroatischen) Chauvinismus.
3. Die RCIT (bzw. unsere Vorgängerorganisation) verteidigte immer das bosnische Volk gegen den Völkermordkrieg, der von der serbischen (und kroatischen) nationalistischen Kräften im Jahr 1992 begonnen wurde. Dieser Krieg brachte unsägliches Leid für die bosnischen Muslime und jene Serben und Kroaten, die die nationalistische Spaltung Bosniens durch die serbischen und kroatischen Chauvinisten ablehnten. Laut einem Bericht aus dem Jahr 2008, den der Leiter des bosnischen Delegation bei den Vereinten Nationen über den Krieg von 1992 bis 1995 gab, wurden 200.000 Menschen getötet, darunter 12.000 Kinder, bis zu 50.000 Frauen wurden vergewaltigt, und 2,2 Millionen wurden vertrieben (in einem Land mit etwa 4 Millionen Einwohnern)! Wir verurteilten die reaktionäre bosnische Regierung von Alija Izetbegović, die – wie die Bürokratien der anderen Republiken – danach strebte, den Kapitalismus wiedereinzuführen und die darin versagte, das bosnische Volk gegen die chauvinistischen Aggressoren zu verteidigen. Wir sind für die internationale Unterstützung des nationalen Befreiungskrieges des bosnischen Volkes eingetreten und verbanden dies mit der Perspektive einer multi-nationalen Arbeiterrepublik in Bosnien als Teil einer sozialistischen Balkanföderation. Wir verurteilten die US- und EU-Imperialisten, die den bosnischen Widerstand mit einem Waffenembargo behinderten und dessen UN-Truppen mit den serbischen Chauvinisten zusammenarbeiteten, als der Schlächter General Mladić den Massenmord an 8.000 muslimischen Männern in Srebrenica im Juli 1995 organisierte. Wir waren Teil der Internationalen Arbeiterhilfe – einer Kampagne, die Medizin, Kleidung, etc. an die Arbeiterfamilien in Tuzla und anderen Orten lieferte. Wir traten für Waffenlieferungen und internationale Freiwilligenbrigaden für den bosnischen Widerstand ein und verurteilten die NATO-Bombenkampagne im Sommer 1995. Letztere stoppte die bosnischen Streitkräfte, als diese drauf und dran waren, ihre Gebiete, die sie in den ersten Kriegsjahren verloren hatten, zurückzuerobern. Kurz gesagt, die RCIT trat – im Gegensatz zu vielen pseudo- marxistischen Gruppen – für den Sieg des bosnischen Volkes und für die Niederlage der reaktionären serbischen Chauvinisten ein und kombinierte dies mit der Perspektive einer sozialistischen Balkanföderation.
4. Die US- und EU-Imperialisten zwangen den BosnierInnen im Jahr 1995 das reaktionäre Dayton-Abkommen auf. Dieses Abkommen installiert einen sogenannten Hohen Repräsentanten und das Amt des Hohen Repräsentanten in Bosnien und Herzegowina. Dadurch wurde Bosnien in eine Kolonie der USA und der EU verwandelt. Der Vertrag beließ 49% des Landes unter der Kontrolle der serbischen Chauvinisten. Heute haben die westlichen Imperialisten 900 Soldaten in Bosnien stationiert (European Union Force Althea), unter denen der österreichische Imperialismus das größte Kontingent mit 300 Soldaten stellt. Die RCIT trat von Anfang an gegen die imperialistische Einmischung in Bosnien ein. Wir fordern die Vertreibung aller imperialistischen Truppen und die sofortige Auflösung des sogenannten Hohen Repräsentanten und aller anderen ausländischen Institutionen, die die bosnische Souveränität zu beschränken.
5. Die Kolonialisierung von Bosnien durch die imperialistischen Mächte schlägt sich auch in der Institution des sogenannten Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag nieder. Die Großmächte zwingen Bosnien seit Jahren, Kriegsverbrecher oder angebliche Kriegsverbrecher auszuliefern. Die RCIT verurteilt diesen imperialistischen Kolonialismus und tritt für Arbeiter- und Bauern-Tribunale in Bosnien ein, die sich aus den Familien und Freunden der Opfer des Vernichtungskrieges zusammensetzen, um über die Kriegsverbrecher zu urteilen.
Die Kapitalisten haben Bosnien mit Hilfe korrupter Politiker geplündert
6. Seitdem wurde das Land von einheimischen und ausländischen Kapitalisten, unter aktiver Mithilfe der korrupten Politiker, geplündert und verarmte. Heute sind mehr als 44% der Bosnier ohne Job. Über 100.000 alte Menschen erhalten keine Pension – darunter auch Kriegsveteranen, die ihr Leben im Befreiungskrieg riskierten. Das Durchschnittseinkommen für bosnische ArbeiterInnen beträgt erbärmliche 420 Euro pro Monat, was dem Niveau von Albanien oder Namibia entspricht. Viele leben unter der offiziellen Armutsgrenze und leiden Hunger. In vielen Fabriken, die das Herz des gegenwärtigen Aufstandes bilden, haben die ArbeiterInnen seit vielen Monaten oder sogar Jahren keinen Lohn erhalten. Fabriken wurden geschlossen und ihre Besitzer verließen das Land mit vollen Taschen nachdem ihre ArbeiterInnen ihre Ersparnisse aufbrachten, um einen nennenswerten Anteil "ihrer " Unternehmen zu kaufen. Ebenso erwiesen sich viele Privatisierungen von Staatsunternehmen als kriminelle Akte, die der schnellen Bereicherung gieriger Kapitalisten dienten. Dabei wurden sie von den Politikern aller Parteien unterstützt, die sich dadurch selber in vielfältiger Weise bereicherten. Außerdem leiden die Menschen unter der "kleinen Korruption" durch die Polizisten oder die kleinen Beamten, die bei jeder Gelegenheit ihre Hand aufhalten.
7. Wenig überraschend haben der Ärger und die Wut im bosnischen Volk seit langer Zeit geköchelt. Viele Jahre lang haben sie sich mit Massenprotesten zurückgehalten, weil die Machthaber die schlechte Wirtschafts- und Soziallage immer wieder mit den verheerenden Auswirkungen des Krieges entschuldigten und um mehr Zeit baten. Aber die Leute haben jetzt gesehen, dass je mehr Zeit sie den Herrschenden geben, desto schlimmer wird die Situation. Die jüngste Welle von Privatisierungen von Staatsunternehmen war der Auslöser für die Revolution. Die Massenstreiks und Demonstrationen nahmen ihren Ausgang in den Unternehmen Polihem Tuzla (Säure und Lauge), DITA (Waschmittel), Konjuh (Holzverarbeitung) und Resod-Guming (chemische Produkt). Die ArbeiterInnen dort haben ihre Löhne seit mehr als ein Jahr nicht erhalten und sind nicht krankenversichert. Nachdem diese Unternehmen privatisiert wurden, wollen die Eigentümer sie jetzt zu schließen und 10.000 ArbeiterInnen entlassen. Darüber hinaus plant die Regierung weitere Privatisierungen von vielen Staatsunternehmen wie Energopetrol, dem Tabak-Unternehmen FDS in Sarajevo, Bosnalijek, Sarajevo-Versicherung, Alumnij in Mostar, Energoinvest und der Stahlfabrik Zenica. Nachdem die ArbeiterInnen unter vielen Opfern jahrelang auf eine bessere Zukunft hofften, sind sie nun gezwungen zu erkennen, dass die Bosse und ihre Regierung die Zukunft der ArbeiterInnen zerstören und nur ihre eigenen Taschen füllen. Dies war der Tropfen, der das Fass zum überlaufen brachte und den Aufstand auslöste. Mit anderen Worten, dies ist eine Volksrevolution gegen die Auswirkungen der Wiedereinführung des Kapitalismus in den 1990er Jahren.
Der Charakter des Volksaufstandes
8. Die Bosnische Revolution begann in Tuzla. Diese Stadt mit 120.000 EinwohnerInnen war schon immer das industrielle Herz von Bosnien und ist das Zentrum der bosnischen Arbeiterklasse. Die Stadt hat eine multiethnische Zusammensetzung. Sie hat ebenso eine lange und stolze Tradition des Klassenkampfes und des Internationalismus. Während der Bergarbeiter-Streiks in Großbritannien 1984/85 sammelten die Bergleute von Tuzla Geld und schickte es an ihre Brüder und Schwestern. Britischen Bergarbeiter revanchierten sich durch die Initiierung der Internationalen Arbeiterhilfe im Jahr 1993. Tuzla war auch das Zentrum des multi-ethnischen bosnischen Widerstands der Arbeiterklasse gegen die serbisch-chauvinistischen Streitkräfte während des Befreiungskrieges von 1992 bis 1995.
9. Der bosnische Volksaufstand ist multi-national, proletarisch, jugendlich und militant. Er ist multi-national, weil er die bosnisch-muslimischen, serbischen und kroatischen ArbeiterInnen und Jugendlichen umfasst. Natürlich ist die Mehrheit der ArbeiterInnen bosnische Muslime. Aber das ist kaum überraschend, da diese Gemeinde die größte in Bosnien ist (offiziell 48%) sowie sehr städtisch und proletarisch geprägt ist. (Die serbischen und kroatischen Bevölkerungsgruppen haben einen eher ländlichen Charakter.) Während der bekannteste Sprecher des Aufstandes der bosnisch-muslimische Arbeiter Aldin Siranovic ist, hat die Bewegung mit der Ökonomin Svetlana Cenic auch eine serbische Sprecherin. Die Revolution hat auch bereits serbische Städte wie Prijedor erreicht. Die Jugend spielt eine zentrale Rolle in diesem Aufstand – ähnlich wie bei allen anderen authentischen Revolutionen. Wie auch in der Revolution in Ägypten und der türkischen Gezi-Park Bewegung, spielen Fußball-Fanclubs eine wichtige Rolle bei den Protesten. Die Bewegung hat auch einen sehr militanten Charakter wie man auch anhand der zahlreichen Berichte und Youtube-Videos sehen kann. Die ArbeiterInnen und Jugendlichen haben die Regierungsgebäude in vielen Städten gestürmt und diese, ebenso wie zahlreiche Polizeiautos, angezündet. In Zenica haben sie die Autos der Bürokraten in den Fluss geschmissen.
10. Die Bewegung stellt eine Reihe von fortschrittlichen sozialen und demokratischen Forderungen auf. Sie verlangt den Stopp aller Privatisierungen und die Wiederverstaatlichung der bereits privatisierten Unternehmen. Sie fordert weiters die Auszahlung der ausstehenden Löhne. Sie verlangen die Bestrafung krimineller Unternehmer und korrupter Politiker. Sie will eine Begrenzung der Politikergehälter auf 1.250 Euro und ein Ende ihrer parlamentarischen Immunität. Schließlich fordern sie die Abschaffung des kantonalen Systems.
11. Doch als Folge des Mangels an Erfahrung und des tiefen Hasses gegen alle politischen Parteien fordert die Bewegung auch die Einsetzung einer "Regierung von Experten ohne Parteizugehörigkeit" sowie die Schaffung "unabhängiger Gerichte“. Die RCIT hält diese Losungen für falsch. Wie erinnern die bosnischen ArbeiterInnen und Jugendliche an die Erfahrungen anderer Länder. In Italien zum Beispiel sahen wir eine erst kürzlich eine "Regierung von Experten ohne Parteizugehörigkeit". Eine solche Regierung mag vielleicht von Parteien unabhängig sein, aber sie hängt am Gängelband der großen Konzerne und der führenden Kreise der herrschenden Klasse. In Italien war eine solche Regierung die treibende Kraft bei massiven Kürzungen im Sozialsystem. Ebenso können Gerichte nur dann von der herrschenden Klasse und dem bürgerlichen Staat, der ihre Gehälter bezahlt, unabhängig sein, wenn sie vom Volk gewählt und kontrolliert werden.
12. Der Bosnischen Revolution droht die Gefahr einer imperialistischen Intervention. Valentin Inzko, ein österreichischer Diplomat, der derzeit der "Hohe Repräsentant für Bosnien und Herzegowina " ist, hat bereits gedroht, die EU-Besatzungstruppen gegen die ArbeiterInnen einzusetzen, falls die Proteste in Gewalt umschlagen und ausländisches Eigentum bedrohen. Dies macht es dringend notwendig, dass die europäische und internationale Arbeiterbewegung die bosnischen ArbeiterInnen und Jugendlichen unterstützt und den sofortigen Abzug der imperialistischen Besatzungstruppen aus Bosnien fordert. In diesem Sinne schlägt die RCIT die Organisierung von Solidaritätsaktionen in europäischen Städten vor.
Ein Programm für die Bosnische Revolution
13. Die Bosnische Revolution steht mehreren Gefahren gegenüber. Sie ist sehr spontan und es fehlen Massenorganisationen, um der Bewegung einen nachhaltigen Charakter verleihen zu können. Daher besteht die Gefahr, dass die Bewegung an Schwung verlieren könnte und bald zurückflutet. Zweitens besteht die Gefahr, dass reaktionäre Politiker versuchen könnten, die Bewegung über die Aufstachelung nationalistischer Stimmungen zu spalten. Dies ist eine echte Bedrohung, angesichts der Tatsache, dass fast alle bosnischen Familien eine lebendige Erinnerung an den Vernichtungskrieg besitzen. Drittens fehlt ein klares Programm für die Machtergreifung und eine authentische kommunistische Partei, die die Revolution vorbereitet. Die bosnischen Massen haben die verheerenden Folgen eines solchen Mangels an Programm und revolutionärer Führung bereits Anfang April 1992 erlebt. Damals demonstrierten hunderttausende Menschen aller ethnischen Herkunft in Sarajevo und stürmten das Parlament, um gegen die Gefahr einer chauvinistischen Krieges zu protestieren. Sie hatten die Macht in ihren Händen, aber wussten nicht, was sie damit anfangen sollen. Einige Tage später eröffneten die serbischen Chauvinisten ihren Vernichtungskrieg.
14. Die RCIT schlägt den bosnischen ArbeiterInnen und Jugendlichen folgendes Programm vor. Es ist dringend notwendig, Volks-Räte in den Betrieben und Stadtteilen aufzubauen, die tägliche Versammlungen abhalten. Diese Räte sollten über die drängenden Fragen des Kampfes entscheiden und Delegierte wählen. Diese Delegierten sollten zu einem nationalen Kongress zusammentreffen, um über die Perspektive des Aufstandes zu entscheiden. Die Bewegung muss einen unbefristeten Generalstreik anstreben, um die Machtergreifung vorbereiten. Die Arbeiter sollten die Fabriken und Regierungsgebäude besetzen und die Produktion und Verwaltung in ihre Hände nehmen. Die Fabriks-und Stadtteilräte – mit der Jugend an vorderster Stelle – sollten Selbstverteidigungseinheiten bilden, um die Massen gegen die repressiven Staatsapparat und eine mögliche Intervention der EU- Besatzungstruppen zu verteidigen. Diese Einheiten können später in Volksmilizen umgewandelt werden. Es ist dringend notwendig, den multi-nationalen Charakter der Bewegung zu betonen und multi-ethnischen Führungsgremien und Selbstverteidigungseinheiten auf der Basis des klaren Anti-Chauvinismus und der Gleichheit aller Balkan-Völker zu organisieren.
15. Natürlich verdienen die meisten demokratischen und sozialen Forderungen der Bewegung die volle Unterstützung aller SozialistInnen. Aber das Programm der Bosnischen Revolution muss weiter gehen, weil sonst die ArbeiterInnen und Jugendlichen ihre Ziele nicht erreichen können. Die RCIT schlägt vor, dass die Bewegung für die Verstaatlichung aller größeren Unternehmen und Banken – sowohl der einheimischen als auch der ausländischen – unter der Kontrolle der Arbeiter kämpft, um einen Einfluss durch die korrupten Politiker zu vermeiden. Sie sollte ein öffentliches Beschäftigungs- und Infrastrukturprogramm fordern, um die Arbeitslosigkeit zu beseitigen und das Land wieder aufzubauen. Um den Wiederaufbau des Landes zu finanzieren, müssen die Massen die kleine Elite von reichen Kapitalisten enteignen. Um den Plänen des Politikers für eine neue Verfassung entgegenzutreten, sollte die Bewegung für eine souveräne Verfassungsgebende Versammlung eintreten, deren Abgeordnete unter Kontrolle ihrer WählerInnen stehen. Das Ziel des Aufstandes sollte der Sturz der kapitalistischen herrschenden Klasse und die Bildung einer Arbeiter- und Bauernregierung, gestützt auf Räte und Volksmilizen der Massen, sein. Eine solche Regierung könnte den Weg zu einer bosnischen Arbeiter- und Bauernrepublik eröffnen, die das Land auf der Grundlage einer demokratisch ausgearbeiteten Wirtschaftsplans neu aufbauen könnte.
16. Es ist vordringlich, dass die Bosnische Revolution auf die Nachbarländer und den ganzen Balkan ausgeweitet wird. In Serbien gibt es bereits Aufrufe, sich den Protesten anzuschließen. In Griechenland kämpfen die Massen seit Jahren gegen die kapitalistische Sparpolitik. Auch in Rumänien und Bulgarien haben sich die Massen in den letzten Jahren massiv zur Wehr gesetzt. Die weit verbreitete Armut – ein Ergebnis der historischen Krise des Weltkapitalismus – bildet die objektive Grundlage, um die Kämpfe der Ausgebeuteten und Unterdrückten zu vereinen und für eine gemeinsame Zukunft frei von imperialistischen Banken und Konzerne, einheimischen Kapitalisten und Völkermord-Generäle zu kämpfen. Deshalb stellt die RCIT die Forderung nach einer Sozialistischen Föderation der Balkan-Völker auf.
17. Ebenso wichtig ist es, den Kampf in Bosnien mit den weltweiten Massenprotesten und Revolutionen gegen die imperialistischen Ausbeuter und reaktionären Diktatoren zu verknüpfen. Bosnien ist ein weiteres Glied in der Kette von gerechten Kämpfen und revolutionären Aufständen wie jene der ägyptischen Massen im Kampf gegen die Diktatur von General Sisi, dem palästinensischen Volk gegen die permanente zionistische Aggression, der syrischen ArbeiterInnen und Bauern im Kampf gegen den Schlächter Assad, der südafrikanischen schwarzen ArbeiterInnen, die Massenstreiks für einen existenzsichernden Lohn organisieren, oder der brasilianischen ArbeiterInnen und Jugendlichen im Kampf gegen den gierigen Kapitalisten und korrupten Politiker.
18. Ein solches Programm kann nur durch den organisierten Kampf der Arbeiterklasse, angeführt von einer revolutionären Arbeiterpartei in der Tradition von Lenin und Trotzki, erreicht werden. Der Aufbau einer solchen Partei muss von Anfang an Hand in Hand mit der Schaffung einer neuen Weltpartei der sozialistischen Revolution gehen. Unserer Meinung nach wird eine solche neue Partei die Fünfte ArbeiterInnen-Internationale sein. Die RCIT ruft Revolutionäre in Bosnien dazu auf, sich zu einer authentisch revolutionären Organisation auf der Grundlage eines internationalistischen und kommunistischen Programms zusammenzuschließen. Wir wollen diese Fragen mit RevolutionärInnen in Bosnien und ganzen Balkan erörtern und mit ihnen zusammenarbeiten, um die Bildung einer solchen revolutionären Organisation voranzutreiben.